Skolkowo-Wissenschaftler: Irdische Strahlungsgürtel erforscht

Professor Jurij Schpriz vom Skolkowo-Institut erforschte mit einem internationalen Team den dritten Strahlengürtel der Erde. Foto: Lori/Legion Media

Professor Jurij Schpriz vom Skolkowo-Institut erforschte mit einem internationalen Team den dritten Strahlengürtel der Erde. Foto: Lori/Legion Media

Ein internationales Team von Physikern unter der Leitung des Professors Jurij Schpriz vom Skolkowo-Institut für Wissenschaft und Technologie hat die Hintergründe des dritten Elektronenbandes um die Erde untersucht, das vor einem Jahr erstmals nachgewiesen wurde. In einem exklusivem Interview mit Russland HEUTE erklärt Professor Schpriz die Bedeutung dieser Entdeckung.

Russland HEUTE: Welche Bedeutung hat das eingeführte Modell für die Grundlagenforschung? Bietet es eine vollkommen neue Sicht auf die Strahlungsgürtel der Erde?

Jurij Schpriz: Unsere Forschung beschäftigt sich mit äußerst schnellen Teilchen, die sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Wir haben herausgefunden, dass diese ultrarelativistischen Elektronen durch sehr unterschiedliche physikalische Prozesse bewegt werden. Für die Erforschung der Strahlungsgürtel um die Erde, die sogenannten Van-Allen-Gürtel, bedeutet das, dass man sie nicht als einheitlich betrachten kann, sondern dass hier verschiedene Teilchen unterschiedliche Strukturen aufweisen.

Wie kann der dritte Strahlungsgürtel Satelliten und andere Weltraumobjekte beeinflussen? Können die bei dieser Forschung neu erzielten Daten auch auf sich bereits im Weltraum befindende Satelliten angewandt werden?

Energieteilchen können fast jede Schutzabschirmung durchdringen. Sie können die Miniaturelektronik der Satelliten beschädigen und Anomalien

verursachen oder den Ausfall maßgeblicher Satellitenkomponenten herbeiführen. Früher sind wir davon ausgegangen, dass sich alle Energie, die über ein bestimmtes Niveau hinausgeht, auf die gleiche Weise auswirkt. Jetzt wissen wir, dass sich ultrarelativistische Teilchen sehr unterschiedlich verhalten können. Diese Kenntnisse werden uns helfen, bessere Modelle zu entwickeln und die Satelliten zu schützen.

Hier ein Beispiel: Wenn Sie ein Fahrzeug für die Antarktis bauen, wird es nicht so aussehen, wie ein Auto für das milde Klima in Kalifornien. Die Kenntnisse und das Verstehen der Umgebung sind entscheidend dafür, sichere und zuverlässige Fahrzeuge zu bauen. Geländefahrzeuge für die Antarktis werden für vollkommen andere Bedingungen gebaut als ein Cabrio für Los Angeles. Solche Fahrzeuge benötigen eine sehr hohe Bodenfreiheit, eine leistungsstarke Batterie, eine Standheizung, ihr Dach muss sich nicht einfahren lassen und der Innenraum muss vermutlich auch nicht gekühlt werden können.

Jurij Schpriz studiert die Dynamik energiereicher Teilchenpopulationen. Insbesondere konzentriert er sich auf das Verstehen, die Vorhersage und das Abschwächen von Weltraumgefahren.

Seine Arbeiten wurden bereits in den Zeitschriften National Geographic, Forbes und New Scientist veröffentlicht.

Er hat als Hauptversuchsleiter bei 15 Projekten der NASA, NSF, AFRL und UCOP mitgewirkt.

Welche praktischen Anwendungen können diese Forschungsarbeiten bieten?

Diese Studie kann dabei helfen, Kosmonauten im Weltraum zu schützen. Ein anderes mögliches Einsatzgebiet ist die Kernenergie. Die Magnetosphäre der Erde ist ein natürliches Labor, das es uns erlaubt, verschiedene physikalische Prozesse zu studieren. Prozesse dieser Art werden wahrscheinlich in Laboratorien auf der Erde ein Thema sein und können so jenen Wissenschaftlern helfen, die Plasma im Labor untersuchen und die Möglichkeiten erforschen, Energie aus der Kernfusion zu gewinnen.

Ähnliche Prozesse können auch auf dem Jupiter und dem Saturn vorkommen und können ein Problem bei zukünftigen Missionen zu den entfernten Ecken unseres Sonnensystems darstellen.

Wer hat an dem internationalen Forschungsteam teilgenommen, das Sie geleitet haben? Welches Land kann dies als seine eigene Entdeckung für sich in Anspruch nehmen?

Wir haben ein sehr breit gefächertes Team. Ich denke, dass alle genannten Einrichtungen einen Anteil an dieser Studie haben. In meinem Falle habe ich zuerst das Skoltech genannt, da ich zu diesem Institut die engste Beziehung habe. Aber auch am Massachusetts Institute of Technology und der University of California Los Angeles ist sehr viel Arbeit geleistet worden. Neben meinem Institut wurde in Russland auch an der Lomonossow-Universität geforscht. Wissenschaftler der Universitäten Alberta sowie Colorado haben maßgebliche Daten für die Untersuchungen geliefert und ein Forscher eines koreanischen Instituts wirkte ebenfalls mit. Wie dies deutlich zeigt, verlangt der Umfang heutiger Forschungsprojekte eine Zusammenarbeit von Forschern über Instituts- oder Landesgrenzen hinweg. Wir können all das nicht an einer einzelnen Einrichtung bewältigen. Die internationale Zusammenarbeit wird daher eine sehr wichtige Rolle am Skoltech spielen.

Sie sind Gastprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und wirken auch an der University of California Los Angeles (UCLA). Realisiert das MIT Forschungsprojekte in Kooperation mit Russland? An welchen anderen Forschungsprojekten arbeiten Sie momentan?

Zusammen mit MIT-Ingenieuren arbeite ich daran, die Wirkung der Weltraumstrahlung auf Satelliten zu erforschen und habe mehrere andere aufregende Projekte laufen.

Mein Skoltech-Student Michail Dobynde arbeitet daran, die Wirkung der

Strahlung auf den Menschen bei langen Aufenthalten im Weltraum zu untersuchen. Zum Beispiel versucht er zu verstehen, wann der beste Zeitpunkt innerhalb eines Sonnenzyklus für einen Flug zum Mars wäre und will herausfinden, wie wir eine möglichst gefahrlose Arbeit der Kosmonauten ermöglichen können.

Eine Post-Doktorandin am Skoltech, Tatjana Podladtschikowa, arbeitet an einem Echtzeitmodell, um die Weltraumbedingungen vorauszusagen, die von einer Vielzahl Satelliten für die Beobachtung des Weltraumwetters verwendet werden. Dieses Modell wird den Programmierern von Telekommunikationssatelliten helfen, ihre Satelliten im Weltraum zu schützen. Es wird ihnen auch dabei helfen, die Auswirkungen von Phänomenen wie Sonnenwinden oder der kosmischen Strahlung auf Satelliten besser zu verstehen.

Als Hauptversuchsleiter der UCLA arbeite ich mit dem Skobelzyn-Institut für Kernphysik (SINP) der Staatlichen Lomonossow-Universität in Moskau bei der Entwicklung des Lomonossow-Satelliten zusammen, der Teilchen in einem breiten Energiespektrum beobachten wird. Wir werden im Stande sein, den Energieverlust dieser Teilchen in der Atmosphäre besser zu verstehen und zu messen. Es kann auch dabei behilflich sein, aktive Komponenten zu entwickeln, die riskante Objekte im Weltraum eliminieren werden.

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