Was bleibt von Sotschi nach Olympia?

Die russische Regierung setzt auf Sotschi als Marke, die Investoren anziehen und für die Zukunft binden soll. Foto: Russland HEUTE

Die russische Regierung setzt auf Sotschi als Marke, die Investoren anziehen und für die Zukunft binden soll. Foto: Russland HEUTE

Die russische Regierung steckt derzeit die Rekordsumme von 37 Milliarden Euro in den Aufbau Sotschis. Grund genug, die Frage zu stellen: Was passiert mit Sotschi nach den Olympischen Winterspielen?

Im deutlichen Kontrast zu den düsteren Wirtschaftsnachrichten, die vom Kabinett des Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew beim diesjährigen Internationalen Wirtschaftsforum in Sotschi bekannt gegeben wurden, war die Laune der Minister vor Ort beträchtlich besser. Das kann allerdings nicht überraschen: Die föderale Regierung hat die Ausgaben für die teuersten Olympischen Spiele der Weltgeschichte mit 37 Milliarden Euro beziffert.

Neue Eisenbahnlinien, Autobahnen, Stadien, Hotels, Eissporthallen, Wohnviertel und ein Flughafen sind in Rekordzeit gebaut worden, um den bis dahin ruhigen Ferienort, der vor allem durch Stalins Sommerhaus bekannt war, in eine Sportstätte von Weltklasse zu verwandeln.

„Unsere Wirtschaft ist von 2009 bis 2012 um mehr als 15 Prozent gewachsen, der Anteil der Bauwirtschaft hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr sogar verdoppelt", erklärte Igor Galas, Regionalminister für Wirtschaftsentwicklung. Um den Besuchern das touristische Potenzial Sotschis auch nach den Spielen vor Augen zu halten, umfasst das Programm des Forums in diesem Jahr ein Formel-1-Rennen, einen Bauernmarkt, die Verkostung einheimischer Weine und Kognaks und, für die meisten wahrscheinlich das interessanteste Event, ein Konzert der Scorpions.

„Wenn Sie eine solche Großveranstaltung ins Land holen, wirkt sich das auf die Infrastruktur, den Optimismus der Menschen, auf den Arbeitsmarkt und manchmal sogar auf neue Wirtschaftsbereiche wie das Sportmarketing aus", erklärte Zoran Vucinic, Präsident von Coca-Cola für Russland, Weißrussland und die Ukraine. „Deshalb denke ich, dass es das wert ist. Vor allem veranlasst es die Menschen dazu zu reisen. Ich denke, dass es viele falsche Vorstellungen von Russland gibt, und deshalb bin ich der Überzeugung, dass solche Veranstaltungen die Leute hierherlocken werden, damit sie die Wahrheit mit eigenen Augen sehen, und die Wahrheit gewinnt immer."

Minister Galas wurde deutlicher: „Investoren werden durch Leistungen und nicht durch Versprechen angezogen. Sotschi ist jetzt unsere Marke, um sie anzuziehen."

Russlands internationaler Ruf ist unlängst durch Skandale beschädigt worden – angefangen mit dem Gesetz gegen homosexuelle Propaganda bis hin zu Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen und der Korruption auf Schritt und Tritt. Aber das größte Problem – so schätzen es Analytiker vor Ort ein – ist die Flüchtlingssituation in den angrenzenden

Kaukasusregionen Inguschetien und Dagestan gewesen, die durch religiös motivierte Gewalt und das harte Vorgehen der Regierung, das die Gewaltbereitschaft noch anheizte, hervorgerufen wurde.

„Ich höre selten, dass die kommenden Olympischen Spiele in Verbindung mit dem Kaukasus erwähnt werden. Das geschieht meist nur in Verbindung mit Fragen der Sicherheit", sagte Ramasan Abdulatipow, Präsident von Dagestan. „Was nach den Olympischen Spielen geschehen wird, ist für den Kaukasus sehr wichtig. Wir ziehen Investitionen an: Die Wneschekonombank und Nafta Moskau haben bereits mehr als 220 Millionen Euro in die Glasproduktion investiert. Heute haben wir zusammen mit türkischen Kapitalanlegern Premierminister Dmitri Medwedjew ein gemeinsames Textilprojekt präsentiert, das mehr als 5 000 Arbeitsplätze in Dagestan schaffen wird."

„Die Investitionen in unser Gebiet haben in jährlichen Schritten von 100 bis 200 Prozent zugenommen", sagte Junus-bek Jewkurow, das Oberhaupt der Republik Inguschetien. „Das ist ein Zeichen wachsender Stabilität. Gestern schlossen wir Produktionsvereinbarungen mit Unternehmen aus Israel, Südkorea und Italien." Auch hinsichtlich der Besucherzahlen zeigte sich Jewkurow zufrieden: „Wir haben bei der Zahl der Touristen bereits das Niveau übertroffen, das wir zu sowjetischen Zeiten hatten, und nähern uns inzwischen 100 000 Besuchern pro Jahr. Inguschetien hat mit mehr als 2 000 Denkmälern aus dem Altertum mehr als jede andere Region Russlands, einschließlich der ältesten orthodoxen Kirche im Land."

„Die olympischen Sportkomplexe sind nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben große Geldbeträge für Wohnungen und soziale Projekte ausgegeben, sodass Sotschi nach den Spielen einen ganz anderen

Lebensstandard haben wird", führt Galas aus. „Natürlich wird der Anteil der Bauwirtschaft in der Region wieder zurückgehen, aber dem stehen zu erwartende Mehreinnahmen durch eine Zunahme der Zahl der Touristen von elf auf zwölf Millionen im nächsten Jahr entgegen. Auch der Transport wird eine wichtige Rolle spielen, besonders durch den Bau des Taman-Hafens (der bis 2025 den größten Umschlag in ganz Russland haben soll, Anm. d. Red.)."

„Wenn man die Spiele lediglich mit den Augen eines Buchhalters betrachtet, sind sie natürlich ein Verlust", sagt Galas. „Aber man kann sich ein Land wie Russland wohl kaum ohne Flüge in den Weltraum und sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele vorstellen."

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