Otto zieht die Russen warm an

Michael Otto will mit der Otto Group in Russland bald die Schallmauer von einer Milliarde Euro Umsatz durchbrechen. Foto: DPA/AFP/East News

Michael Otto will mit der Otto Group in Russland bald die Schallmauer von einer Milliarde Euro Umsatz durchbrechen. Foto: DPA/AFP/East News

Mit dem Ende der Sowjetunion kam der Katalog: Seit 1990 beliefert Otto die Russen mit allem, was ihr Herz begehrt. Jetzt bastelt der Konzern an einer 
Logistik in dem Riesenland.

Dazu haben die Deutschen 50 Millionen Euro in den Bau eines neuen Verteilungszentrums in der Stadt Twer, 160 Kilometer nordwestlich von Moskau, investiert. Dort sollen die Waren sortiert und eigene regionale Liefernetze entwickelt werden.
Das ist nicht die erste Investition des Unternehmens in Russland – seit 2007 hat die Otto Group bereits ungefähr 250 Millionen Euro in ihr Geschäft im Osten gesteckt. „Die Geschichte unseres Unternehmens in Russland ist eine beispielhafte Erfolgsgeschichte für alle anderen Märkte", meint der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Group, Michael Otto.

„Stellen Sie sich vor, dass wir 1990 nach Russland gekommen sind und noch vor sieben Jahren unser Umsatz nicht einmal eine Million Euro betragen hat. Heute sind es 550 Millionen! Wenn wir dieses Tempo weiterhin beibehalten, werden wir in allernächster Zeit unser gesetztes Ziel erreichen – einen Umsatz von einer Milliarde Euro."

 Laut Michael Otto entwickeln sich beide Geschäftsmodelle, der Verkauf über Kataloge und der elektronische Handel, sehr erfolgreich. Schon bald könnte der Onlineeinzelhandel, der heute 50 Prozent des Umsatzes ausmacht, zum Kerngeschäft der Otto Group in Russland werden. Nach Angaben von Euromonitor International 
hat der elektronische Handel 2012 in Russland insgesamt 8,2 Milliarden Euro umgesetzt – in fünf Jahren könnte das Volumen bei 
19 Milliarden Euro liegen.


Die russische Frau kleidet sich eleganter als die europäische

 Im Wesentlichen unterscheidet sich das russische Sortiment kaum von dem in anderen Ländern. Es umfasst 100 000 Artikel, in erster Linie im unteren und mittleren Preissegment. Mehr als 70 Prozent des Sortiments sind Artikel aus dem Bereich Bekleidung, gefolgt von Haushaltswaren und Spielsachen. „Wir beabsichtigen, in Zukunft in Russland auch noch mit Möbeln zu handeln, haben aber feststellen müssen, dass es auf dem Land bei der Zustellung von Sperrgut Probleme gibt. Deshalb arbeiten wir zurzeit ein neues Konzept aus", erzählt der Generaldirektor der Otto Group Russia, Martin Schierer.

Für einige Handelsmarken wie Quelle bietet Otto eine marktspezifische Produktpalette an. „Die russische Frau kleidet sich eleganter als die europäische. Sie möchte sehr attraktiv aussehen und wählt leuchtende Farben und offene Modelle", bemerkt Martin Schierer. „Inzwischen planen wir, russische Modeschöpfer heranzuziehen, die die Spezifika ihres Landes besser kennen", fügt Michael Otto hinzu.

Als Absatzmarkt betrachtet Otto auch die Großstädte in den Regionen. Wesentlicher Wettbewerbsvorteil ist nach Meinung der Deutschen das

umfangreiche Sortiment und die europäische Qualität. Auch wenn das Unternehmen eingestehen muss, dass seine Preise zum Teil über dem russischen Einzelhandelsniveau liegen.

Otto verfügt bereits über zwei Verteilungszentren in Twer. Im Moment baut der Konzern ein neues Lager, das es ermöglichen soll, den Warenumsatz zu verdoppeln. Seine Fertigstellung ist schon für Ende nächsten Jahres vorgesehen. „Die Investitionen fließen unter anderem auch in ein modernes, automatisiertes Sortierungssystem, das die Zeit für die Bearbeitung der Bestellungen noch einmalverkürzen wird", erklärt Martin Schierer.


Zusammenarbeit mit der russischen Post

 Das größte Problem von Otto sind die Auslieferungen. „In Russland braucht man aufgrund der Landesgröße ein vollkommen anderes Logistiksystem, als wir es aus anderen Ländern kennen", gesteht Schierer ein. Der Konzern arbeitete von Anfang an mit der russischen Post als Logistikpartner zusammen – nur sie ist in der Lage, die entferntesten Regionen zu beliefern, da sie über Filialen im ganzen Land verfügt.

Gegenwärtig liefert der föderale Zustellungsdienst 85 Prozent der Warensendungen von Otto aus, wobei diese im vergangenen Jahr um vier Prozent wuchsen. Aber der Service der russischen Post lässt zu wünschen übrig: Die Pakete kommen zu spät an, die Verpackungen sind häufig eingerissen oder die Lieferungen verschwinden ganz einfach auf dem Weg zum Kunden.


Kleider aus der Konditorei

 Inzwischen arbeitet Otto deshalb am Aufbau eines alternativen Zustellungssystems. „Wir wollen ein eigenes Logistiknetz schaffen", sagt Schierer. Dazu wurde bereits die Firma Hermes-DPD gegründet. „Unterschiedlichen Einzelhandelsunternehmen wird angeboten", so Schierer, „in ihren Ladengeschäften nach dem Prinzip ‚Shop-im-Shop' Stände mit Otto-Produkten zu platzieren. Die Käufer, die Waren aus

unseren Katalogen oder über die Internetseite bestellt haben, müssen dann nicht zu Hause auf das Paket warten, sondern können die Artikel persönlich an diesen Ausgabepunkten abholen – in der Konditorei, an Zeitungskiosken, in chemischen Reinigungen oder an der Tankstelle."

Bis zum heutigen Tag sind unter der Marke Hermes-DPD bereits mehr als 300 Servicepunkte in 
83 größeren Städten zur Betreuung der Internetshop-Kunden eröffnet worden. Laut Hanjo Schneider, Otto-Vorstandsmitglied und Chef der Hermes Europe, gibt es in Moskau drei zusätzliche Servicepunkte, bei denen man die Waren nicht nur abholen, sondern auch kostenlos an den Versandhändler zurückschicken kann (normalerweise fallen für diesen Service fünf bis sieben Euro an). Zukünftig soll auch das Tempo bei Eilzustellungen gesteigert werden: In entfernte Regionen kann die schnelle Lieferung bis zu einer Woche dauern, demnächst werden es nur noch 
24 Stunden sein.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Expert Magazin.

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