Die Staatsanwaltschaft von Belarus entschied, den Generaldirektor von Uralkali Wladislaw Baumgärtner, der am 26. August verhaftet wurde, freizulassen. Foto: ITAR-TASS
Belarus willigt ein, den als „Geisel" im „Kalium-Krieg" festgehaltenen Generaldirektor von Uralkali Wladislaw Baumgärtner nach Russland ausreisen zu lassen. Experten erwarten eine neue Wendung in der Auseinandersetzung zwischen den „Bruderstaaten" Belarus und Russland.
Die erste Runde des großen Spiels um den Kaliumhandel zwischen Russland und Belarus ist beendet. Die Staatsanwaltschaft von Belarus entschied, den Generaldirektor von Uralkali Wladislaw Baumgärtner, der am 26. August verhaftet wurde, freizulassen. Als Hauptanklagepunkt hatten die belarussischen Ermittler angegeben, eine Gruppe von Uralkali-Top-Managern habe ein Kartell gegründet. Dabei sollen die belarussischen Geschäftspartner von allen wichtigen Informationen ausgeschlossen worden sein. Russische Medien hingegen berichteten, dass die russischen Manager die Hartnäckigkeit des belarussischen Präsidenten Alexandr Lukaschenko satt gehabt hätten, der sich weigerte, Belaruskali zu verkaufen und nach anderen internationalen Investoren suchte.
Bis zum Konflikt bildeten Uralkali und Belaruskali das Joint Venture BKK und verkauften ihre Ware vorzugsweise über die belarussische Kaliumgesellschaft. Ende vergangenen Jahres traten die Belarussen de facto aus dem Kaliumbund aus, als Lukaschenko eine Verordnung unterzeichnete, die das Exklusivrecht von BKK auf den Kaliumexport aus Belarus aufhob. Es begann ein Dumping-Prozess um Kaliumdünger, und Uralkali war gezwungen, seine Strategie zu ändern. Es hörte auf, seine Verkäufe über die BKK zu tätigen und ging zu einer Maximierung des eigenen Verkaufsvolumens über, was die Kosten steigen ließ. „Im Grunde war die Entscheidung von Uralkali eine Kriegserklärung. Andere ähnliche Unternehmen auf der ganzen Welt – in erster Linie in Brasilien und Indien – folgten dem Beispiel von Uralkali, was sich äußerst negativ auf die Preise für Kaliumchlorid auswirkte", berichtet Wasilij Jakimkin von der FIBO Group.
Der Kali-Markt verlor durch den Streit drastisch an Wert
Daraus resultierte eine drastische Absenkung der Preise – von 300 Euro im Juli auf 225 bis 230 Euro im November für das FOB Baltic-Standard. Im Herbst fielen auch die Preise für phosphorhaltige Düngemittel (DAP). Die Branche sah Uralkali als Ausgangspunkt dieser Entwicklung. Nach Berechnungen des Direktors der analytischen Abteilung der Firma Alpari
Darja Schelanowa hätten die Ereignisse infolge der Verhaftung des Generaldirektors von Uralkali den Markt etwa 15 Milliarden Euro gekostet.
Für die Rückkehr von Baumgärtner nach Moskau musste Uralkali einen neuen Eigentümer erhalten. Die Gruppe ONEKSIM, einer der größten Investitionsfonds Russlands, der vom Oligarchen und Politiker Michail Prochorow kontrolliert wird, interessierte sich für den Teil von Sulejman Kerimow (21,75 Prozent). Die Verkaufssumme wurde nicht bekannt gegeben, doch nach Schätzungen von Schelannowa dürfte der Kapitalwert der Gesellschaft bei 15 Milliarden Euro liegen.
Laut Oleg Duschin von der Zerich Capital Management erlebe die Geschichte dank der Rückkehr des Top-Managers eine konstruktive Wende, da die direkte Erpressung vonseiten Belarus beendet sei. Doch das heiße keineswegs, dass Moskau nachgegeben und Belarus gewonnen hätte. Russland sei daran interessiert, Belaruskali für sich zu bekommen, und bis das geschieht, werde die Geschichte nicht enden, glaubt der Leiter des Fonds für nationale Energiesicherheit Konstantin Simonow. „Baumgärtner wurde als Geisel aus Minsk freigekauft, und die Forderung Lukaschenkos wurde erfüllt, indem man den Aktionär von Uralkali gewechselt hat. Baumgärtner wird vorerst, anscheinend zur Legitimitätswahrung, in Untersuchungshaft bleiben und kommt bald frei. Doch die Geschichte beginnt erst", sagte er gegenüber „Russland HEUTE".
Prochorow könnte für Lukaschenko problematisch werden
Der Experte ist überzeugt, Lukaschenko habe den Kampf so gut wie verloren, als er Prochorow akzeptierte. Denn Kerimow sei mit geliehenem Geld dabei gewesen, während hingegen sein Nachfolger mit eigenem eingestiegen sei. „Nachdem Prochorow seine Industrieaktiva (Polyus Gold) losgeworden ist, verblieb er bei vielen nichtindustriellen Aktiva in den Bereichen Versicherungen, Innovationen, Sport und Politik. Dem Milliardär wurde es langweilig, weil er in der Politik keinen schnellen Erfolg erzielte, und er beschloss, sich in einem anderen Bereich zu versuchen", so Duschin.
Weil er über beträchtliche liquide Geldmittel verfüge, werde Prochorow aus Lukaschenkos Perspektive ein viel problematischerer Aktionär sein. „Er wird auch weiterhin die Dumpingstrategie verfolgen und Lukaschenko die Arme verdrehen, indem er ihn nachdrücklich davon überzeugt, Aktien
auszuschütten", ist Simonow sicher. Belaruskali ist eine sehr attraktive Aktie. Zusammen mit Uralkali könnte sie 40 Prozent des weltweiten Marktes kontrollieren. Und wenn der neue Aktionär es schafft, die Unternehmen zusammenzuführen, kontrolliert er einen weltweiten Monopolisten, den mächtigsten Spieler mit der Möglichkeit, den Weltmarktpreis zu bestimmen.
Lukaschenko unterstrich vor Kurzem, dass er sich für die Wiedergeburt des Kaliumkartells zwischen Belaruskali und Uralkali einsetzen wolle. „Er träumt davon, dass die Preise wieder auf ganze 730 Euro pro Tonne steigen, doch der Zug ist schon abgefahren. Die alten Preise wird es nicht mehr geben", meint Jakimkin. Konstantin Simonow glaubt, dass nur die Kontrolle von Eigentum die Möglichkeit zulasse, über Integrationsprozesse zu diskutieren. „Ich bin sicher, dass mit einer Kontrolle über die Hauptaktien von Belarus die russische Seite auch politische Fragen mit Funktionären wie Lukaschenko sicherer wird diskutieren können", sagt der Experte.
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