Der Zalando-Ableger Lamoda.ru feiert in Russland große Erfolge. Foto: O. Serdechnikov
Niels Tonsen ist ein junger Deutscher, wie er im Bilderbuch steht: Studium an einer der führenden Wirtschaftshochschulen nahe Frankfurt am Main, Leitung des studentischen Entrepreneurship-Kongresses, Einstieg beim führenden deutschen „Company-Builder" Rocket Internet. Und der 26-jährige Bielefelder hat eine Vision: „Es war von Anfang an mein Ziel, eine eigene Firma zu gründen." Schon mit 16 Jahren führt er sein erstes Start-up, steigt mit seinem Jugendfreund und heutigen Co-Gründer Dominik Picker ins Internet-Marketing ein.
Was vor zehn Jahren in der Online-Werbung begann, ist heute ein Vollzeitjob – in Moskau, 1 600 Kilometer entfernt von der Rocket-Internet-Zentrale in Berlin. Sieben Tage die Woche, von 8 bis 23 Uhr „on board", Geschäftspartner, die zu Freunden werden, etwas Fitness in der knappen Freizeit – Lamoda.ru ist weitgehend sein Leben. „Wir haben alles von Null aufgebaut", erzählt der Jungunternehmer mit Stolz. Das Gründerteam um Niels Tonsen arbeitet die ersten Wochen aus einem italienischen Restaurant unweit der U-Bahn-Station Pawelezkaja.
„Am Anfang etwas holpriger als in Deutschland"
Niels Tonsen kann sich auf sein Team verlassen: Mit Jugendfreund Dominik Picker hat ein „begnadeter Programmierer" die Technik fest im Griff. Der erfahrene Unternehmerberater Florian Jansen kümmert sich um den reibungslosen Betrieb des E-Commerce-Anbieters. Mit Burkhard Binder
weiß der junge Deutsche einen ausgemachten Spezialisten für das Beschaffungsmanagement an seiner Seite, der an der Moskauer Universität für Internationale Beziehungen MGIMO studiert hat.
Was zunächst eine Idee des deutschen Seriengründers Oliver Samwer ist, wird für das junge Moskauer Team schnell zu einer Herausforderung: Zwar sind die Unterschiede im Internet-Business generell gering, doch der Teufel steckt im Detail. Wie beim Vorbild Zalando lagern die russischen E-Commerce-Neulinge den Paketversand aus. Zu den Logistikpartnern zählen vertraute Firmen wie DHL oder Schenker. Was das Gründerteam um Niels Tonsen nicht ahnt: In Russland laufen Geschäfte etwas anders. Russen zahlen ihre Lieferungen zu 90 Prozent in bar.
Qualitätsarbeit ist einer der Erfolgsfaktoren
Genau jetzt zeigt sich, was der junge Deutsche aus seiner Zalando-Zeit mitgebracht hat. In kürzester Zeit baut er mit „Lamoda Express" einen eigenen Lieferdienst auf. Das speziell trainierte Vertriebsteam mit Fahrern, Transportwagen und interaktiver Tourenführung löst ein ganzes Bündel an Problemen. Lamoda.ru führt Probekäufe ein: Die Fahrer warten 15 Minuten an der Haustür, bevor sich die Kunden entscheiden, direkt in bar zu zahlen oder Artikel kostenlos zurückzuschicken. Mit dem Service verringert sich die Lieferzeit nach deutschem Vorbild auf bis zu 24 Stunden.
Der Gründer von "Lamoda.ru" Niels Tonsen. Foto: O.Serdechnikov
Auf seine besonderen Fähigkeiten angesprochen, bestätigt der Jungunternehmer: „Eine starke Eigenschaft ist das Durchsetzungsvermögen." Für Niels Tonsen sind auch die Details wichtig, um ein echtes Kundenerlebnis zu erreichen. So baut er mit deutscher Gründlichkeit den führenden Modehändler im russischen Internet auf: eigene Standards, eine eigene Unternehmensakademie, ein eigener Lieferdienst, eigene Lagerhäuser, eigene Call Center und eine eigene IT gehören zur Grundausstattung. „Wir haben ein komplett neues Service-Level etabliert", freut sich der Wahl-Moskauer.
Lamoda: „Nicht geringer dreistelliger Millionenbetrag"
Mehr als eine Million Kunden treffen die mehr als 200 Kurierfahrer in 20 russischen Städten. Über 30 Prozent des Umsatzes werden allein in Moskau erzielt, Lamoda.ru wächst jedoch vor allem in den Regionen. Im hochpreisigen Markt mit rund einer Million Modeartikeln 900 internationaler Marken ist Lamoda.ru ein Leuchtturm. Auf den Umsatz angesprochen verweist Niels Tonsen auf einen „nicht geringen dreistelligen Millionen-Betrag".
Nach dem Aufbau des Betriebs geht es für den Geschäftsführer und Co-Gründer jetzt vor allem um Wachstum, um die mehr als 1 200 Arbeitsplätze zu sichern. Nach zwei Investment-Runden durch Rocket Internet sowie Hausfinanzierer Tengelmann und Investment AB Kinnevik sowie PPR und
JP Morgan Chase ist im Sommer dieses Jahres der russisch-amerikanische Unternehmer Leonard Blavatnik mit 100 Millionen Euro über Access Industries eingestiegen. Doch für den jungen Deutschen ist Russland längst nicht nur ein guter Platz für Investitionen.
„Dezember bis Februar ist die beste Zeit!" – Niels Tonsen hat seine Vorliebe für die Banja entdeckt, das russische Dampfbad in den kleinen Holzhäuschen draußen auf dem Land. Und mit der russischen Tradition schätzt der Jungunternehmer vor allem die Menschen und die Kultur im größten Land der Welt. Gute Voraussetzungen, um auf seinen regelmäßigen Reisen in die Regionen Kunden zu verstehen und sie mit den schönen Dingen des Lebens glücklich machen zu können.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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