Gas aus Russland wird für Europa billiger

Gazprom reagiert mit Preisnachlässen auf die sinkende Nachfrage aus Europa. Foto: AP

Gazprom reagiert mit Preisnachlässen auf die sinkende Nachfrage aus Europa. Foto: AP

In diesem Jahr wird das russische Gas für Europa billiger. Gazprom hat sich entschieden, die Preise auf seine Gasexporte um vier Prozent zu senken, um auf dem Außenmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Experten beurteilen die Effizienz dieser Politik.

Gazprom hat seine Geschäftszahlen für das Jahr 2014 vorgelegt. Der durchschnittliche Preis von Gaslieferungen ins Ausland beläuft sich demnach auf 272 Euro pro 1 000 Kubikmeter. Somit ist er im Vergleich zum Vorjahr um elf Euro gesunken. Das berichtete der Leiter des Finanz- und Wirtschaftsdepartments der russischen Gas-Holding-Gesellschaft/Aktiengesellschaft Andrej Kruglow.

Der Hauptgrund für die Preissenkung liege in der zurückhaltenden Prognose des Unternehmens für die Ölpreisentwicklung: Gazprom rechnet damit, dass der Barrelpreis für Erdöl der Marke „Urals" innerhalb eines Jahres im Durchschnitt um drei Euro auf 74 Euro fallen werde. Langfristige Exportverträge von Gazprom hängen mit einem speziell berechneten Preis einer ganzen Palette an Ölprodukten zusammen. Deswegen wirkt sich die Preisdynamik unmittelbar auf den Gaspreis aus.

Eine kontinuierliche Senkung des durchschnittlichen Preises für die europäischen Exporte ist bereits seit zwei Jahren zu beobachten. Im Jahr 2013 ging er Gazprom zufolge um 5,5 Prozent auf 278 Euro pro 1 000 Kubikmeter zurück.

 

Preisnachlässe bringen Gazprom Export-Zuwächse

Experten nehmen jedoch an, dass der Hauptgrund für den aktuellen Preisnachlass nicht die Ölpreise seien, sondern die unterschiedlichen Preise bei langfristigen Verträgen und auf dem Spotmarkt. „Der Preis für die Exporte ins Ausland wird 2014 von der Preiskonjunktur auf dem europäischen Erdölmarkt abhängen", sagt Wladislaw Metnew, Leiter des Investment-Unternehmens Concern General Invest.

„In den letzten Jahren ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den Preisen auf dem Spotmarkt und den Preisen bei russischen, langfristigen Öl-indizierten Verträgen zu beobachten. Das war nicht nur bei Gazprom der Fall. Zum Beispiel waren die Preise auf dem Spotmarkt im Jahr 2012 um 20 Prozent niedriger als der veröffentlichte Schätzpreis für Gasexporte nach Deutschland", erklärt Sergej Agibalow, führender Experte am Institut für Energie und Finanzen. Allerdings verminderte sich der Unterschied bereits 2013 dank der Preisnachlässe für den europäischen Absatzmarkt auf sieben Prozent. Diese Disproportion wird im Jahr 2014 noch kleiner ausfallen.

Das gibt Gazprom die Möglichkeit, das Absatzvolumen von Erdgas in Europa zu steigern. Während Gazprom im Jahr 2012 die Gaslieferungen nach Europa um 7,5 Prozent auf 138,8 Milliarden Kubikmeter reduzierte,

nahmen bereits 2013 die Gasexporte nach West- und Zentraleuropa dank der Preisnachlässe bis auf 161, 5 Milliarden Kubikmeter zu.

Auch für dieses Jahr rechnen Experten mit einem Export-Zuwachs des russischen Gases nach Europa. Metnew prognostiziert einen Zuwachs von drei Prozent gegenüber 2013, der den zu erwartenden Rückgang der Gaspreise ausgleichen soll. Anna Bodrowa, Analytikerin bei dem Unternehmen Alpari, gibt sich optimistischer: Ihrer Meinung nach könne Gazprom seine europäischen Exporte um zehn bis 15 Prozent erhöhen.

„Das Verhalten Gazproms ist vollkommen berechtigt. Um erfolgreich zu verkaufen, muss man Preise senken", sagte der Analytiker von IFC Markets, Dmitrij Lukaschow, in einem Interview mit der Zeitung „Wsgljad".

 

Warum ist die Nachfrage aus Europa gesunken?

Experten unterscheiden drei Faktoren, die in den vergangenen Jahren für den Rückgang der EU-Nachfrage nach russischem Erdgas verantwortlich gewesen sein sollen. „Erstens setzt die EU kontinuierlich ihre neue Umweltpolitik um: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtstromversorgung, der heute 14 Prozent beträgt, soll bis 2020 auf 20 Prozent steigen", erklärt Lukaschow. Zweitens verharre die Wirtschaft der Euro-Zone in den letzten zwei Jahren in der Rezession: Im dritten Quartal sank das BIP um 0,4 Prozent. Darüber hinaus sei in diesen Zeiten, in denen der Gasbedarf reduziert sei, noch ein steigendes Angebot an Flüssiggas aus Katar und Nigeria zu beobachten, fügt der Ökonom hinzu.

„Gazprom laviert zwischen den Preisnachlässen auf Gas für Europa, der wachsenden Konkurrenz auf dem Außenmarkt und den steigenden Exporten", stellt die Analytikerin Bodrowa fest. „Aber das wird immer schwieriger. Sobald es genügend Schiefergas zu einem attraktiven Preis auf dem Markt gibt, muss der russische Gasmonopolist seine Angebote

ändern, um sie wirklich attraktiv für seine Abnehmer zu machen", rät Bodrowa.

Die Gaspreise werde Gazprom aber nicht weiter senken, glaubt Dmitrij Lukaschow. „Alle Ermäßigungen wurden den europäischen Abnehmern bereits angeboten. Der Gaspreis ist von den Ölpreisen auf dem Weltmarkt abhängig, die noch stabil bleiben", erklärt der Analyst.

Derzeit gelingt es Gazprom, die Preisnachlässe auf Gas in Europa mit dem Export-Zuwachs in den europäischen Ländern und der Nachfrage auf dem russischen Markt, in dem die Nachfrage weiter steigt, auszugleichen. Gazprom hat außerdem noch ein Ass im Ärmel: Der russische Gasmonopolist führt bereits seit einigen Jahren Verhandlungen über Gaslieferungen nach China, um seinen Export zu diversifizieren. Der Energieriese plant, 38 Milliarden Kubikmeter jährlich nach China zu exportieren. Das Absatzvolumen soll Anfang 2018 bis auf 60 Milliarden Kubikmeter ansteigen, so das Unternehmen.

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