Der Absturz des Rubels korreliert fast direkt proportional mit dem Gewinnzuwachs der Ölproduzenten. Foto: ITAR-TASS
Russland befindet sich in einer außergewöhnlichen Situation: Der Rubel ist schwach und gleichzeitig ist das Öl teuer. Für die Ölproduzenten ist ein Märchen zur Wirklichkeit geworden. Das Wachstum ihrer Gewinne wird dem russischen Staatshaushalt zugutekommen. Zumindest wird Russland ein größeres Sicherheitspolster anlegen können. Die Verbraucher hingegen erwartet ein Preisanstieg für Autos und ihren Urlaub, doch es gibt keinen Grund zur Panik: Die finanzielle Apokalypse findet nicht statt.
Das Besondere an der Situation
Noch vor einem Monat schien die Kombination aus billigem Rubel und teurem Öl schier unmöglich, denn der Rubelkurs und der Ölpreis waren stets untrennbar miteinander verbunden. Fielen die Ölpreise, stürzte auch der Rubel ab und umgekehrt. Doch schon seit mehreren Monaten korrelieren die Rubelschwankungen nicht mehr mit den Ölpreisen: Der Rubel verbilligte sich schneller, als die Ölpreise fielen, bemerkte man bei der Bank Merrill Lynch, einer Tochter der Bank of America.
Die Ökonomen des Landes sehen das Risiko, dass im zweiten Quartal die Ölpreise ein wenig sinken könnten, doch bislang gibt es keine Anzeichen dafür: Im vierten Quartal 2013 und im ersten Quartal des aktuellen Jahres arbeiten die russischen Ölunternehmen in einem idealen Umfeld – die Preise für Öl bleiben hoch.
Eine solche Situation habe es auch in den Krisen von 1998 und 2008/2009 nicht gegeben, kommentiert der Direktor des analytischen Departements von United Traders Michail Krylow. 1998 habe es den stärksten Anstieg des Dollars gegenüber dem Rubel gegeben, um satte 247 Prozent. Der Durchschnittspreis für Öl der Marke Brent sei zugleich um 33 Prozent gefallen und habe 12,76 Dollar pro Barrel ausgemacht. Die Situation 2009 sei ein ähnlich gewesen: Vor dem Hintergrund des Preisrückgangs für Öl um 36 Prozent sei 2009 die höchste Wechselrate für den Dollar auf dem Niveau von 36,73 Rubel zu einem Dollar festgestellt worden, wie Krylow aufzeigt.
Der schwache Rubel ist für alle russischen Exporteure vorteilhaft, doch
vor dem Hintergrund eines hohen Ölpreises werden für Ölproduzenten Träume wahr. „Für die Ölproduzenten ist das eine günstige Situation, weil alle ihre Erträge in US-Dollar bemessen werden, die Steuern hingegen in russischer Währung. Der Absturz des Rubels korreliert fast direkt proportional mit dem Gewinnzuwachs der Ölproduzenten, weil die meisten Steuern und Abgaben pro Tonne und nicht in Prozent berechnet werden. Wir prognostizieren, dass sowohl der Gewinnzuwachs der Ölproduzenten als auch die Rubelinflation bei circa 12,7 Prozent liegen werden“, sagt Michail Krylow.
Wer unterm Strich gewinnt
Unter den Ölproduzenten ist Surgutneftegas der absolute Gewinner. „Surgutneftegas erinnert schon lange eher an einen Investmentfonds mit einer Fremdwährungsposition von 22,5 Milliarden Euro als an einen Erdölproduzenten. Die Überbewertung der Fremdwährung erhöht automatisch den Nettogewinn und die Höhe der Dividenden an privilegierten Aktien für 2014“, erläutert der Direktor der Analysegesellschaft Alpari Alexandr Rasuwajew. „Der billige Rubel und das teure Öl sehen nach idealen Argumenten aus, sich ein Stückchen Lukoil oder Surgutneftegas zu kaufen“, findet man auch bei Merrill Lynch beziehungsweise bei der Bank of America.
Experten zufolge gewinnen Lukoil und Rosneft hingegen ein bisschen weniger an der Rubel-Inflation. Konkret hat Rosneft externe Kredite abzubezahlen, das heißt, dass der Konzern gezwungen sein wird, einige Monate lang viel Fremdwährung für den gegebenen Preis anzukaufen.
Mittelfristig wird auch der russische Gasmonopolist Gazprom an den Entwicklungen gewinnen, vor allem durch seinen umfangreichen Export. Die fixen Tarifvereinbarungen könnten den Vorteil an der jetzigen Situation allerdings zunichtemachen, schätzt man bei der Bank of America.
Die Staatskasse wird sich um 18 Milliarden Euro füllen
Michail Krylow rechnet aufgrund der einzigartigen Situation, dass die Öl- und Gaserträge in diesem Jahr voraussichtlich 18 Milliarden Euro oder 1,2 Prozent des berechneten BIP betragen werden, wobei allerdings die zusätzlichen Erträge aus dem Öl- und Gasgeschäft nur 0,95 Prozent des gerechneten BIP ausmachten.
„Durch die erhöhten Einnahmen des Staatshaushalts wird es leichter fallen, die Probleme des defizitären Haushalts zu lösen und ein positives Bild der guten Entwicklung des Finanzsystems des Landes aufzuzeigen“, meint Andrej Zion, Finanzanalytiker von Lionstone Investment Services Ltd. „Doch die heutige einzigartige Situation wird dem Defizit des Haushalts nicht helfen, solange die Haushaltsregel gilt, dass die Mehrgewinne der Ölproduzenten in den Reservefonds fließen, bis er sieben Prozent des BIP erreicht“, entgegnet Krylow. Am Anfang des Jahres hatte der Reservefonds nicht mehr als 4,3 Prozent des BIP erreicht.
Die Einzigen, die keine Vorteile des billigen Rubels sehen, sind die Verbraucher. Denn die Importpreise werden steigen. Die Autohändler rechnen bereits mit einer Preiserhöhung für Fahrzeuge um zehn Prozent. Und obwohl die meisten beliebten Modelle der Weltkonzerne schon längst in Russland aus ebenso in Russland gefertigten Teilen zusammengebaut werden, wird ein Teil der teureren Bauteile immer noch importiert. Die Verkäufer von Haushaltsgeräten und Alkohol planen ebenfalls Preiserhöhungen. Unter den Ersten, die auf den steigenden Wechselkurs zum Euro und Dollar reagiert haben, waren Reiseunternehmen. Das bedeutet, dass der Urlaub im Ausland für Russen nun teurer wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Wsgljad
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