Ein Importverbot von Schweinefleisch aus der gesamten Europäischen Union tritt am 6. Februar 2014 in Kraft. Foto: PhotoXpress
Der freie Warenverkehr innerhalb Europas Grenzen stellt Exporteure des Euroraums vor Probleme. Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in einzelnen EU-Ländern hat nun ein Importverbot von Schweinefleisch aus der gesamten Europäischen Union zur Folge. Viele Importländer müssen ihre Warenströme umlenken. Russland könnte den Ausfall der Fleischimporte aus der EU durch Einfuhren aus Brasilien oder Nordamerika kompensieren.
Die neuen Regelungen traten am 6. Februar 2014 in Kraft. Wie Alexei Alexejenko, Sprecher der Aufsichtsbehörde Rosselchosnadsor, in einem Gespräch mit Russland HEUTE erläuterte, fallen unter das Verbot sowohl unverarbeitetes Fleisch als auch Fleischprodukte. Eine Ausnahme bilden lediglich durch Ultrahocherhitzung wärmebehandelte Produkte wie Wurst, Konserven und beliebige Fertigerzeugnisse, über die eine entsprechende Garantie europäischer Aufsichtsbehörden vorliegt.
Erfasst von den neuen Regelungen sind außerdem Rohstoffe, die der Futtermittelerzeugung für Pelztiere und nicht wirtschaftlich genutzte Tiere dienen. Solange die Europäische Union keine erregerfreien Zonen bestimmt hat, aus denen eine unbedenkliche Lieferung möglich ist, und es keine entsprechenden Lebensmittelzertifikate gibt, soll das Verbot in Kraft bleiben. Das wird aber mindestens einige Monate in Anspruch nehmen.
Die EU soll Kontrollen verschärfen
Effektive Mittel der Schweinepest-Prophylaxe gibt es bislang nicht, die Behandlung der Krankheit ist verboten. Tritt ein Erregerherd auf, wird eine restlose Vernichtung der erkrankten Tiere und darüber hinaus eine Tötung sämtlicher Schweine in einem Umkreis von 20 Kilometern angeordnet. „Die Forderungen des Rosselchosnadsor sind gerechtfertigt. Wenn die Kontrollmechanismen nicht zuverlässig sind, kommen massenhaft Fleisch und Fleischprodukte zweifelhafter Qualität auf den russischen Markt", sagte Wassili Jakimkin, Analytiker der FIBO Group.
Viktor Linnik, Präsident von Miratorg, einem Großproduzenten und Importeur von Fleischerzeugnissen, führt die heutige Situation auf ein Versagen europäischer Kontrollen zurück. Nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest im Kaukasus und der Ausbreitung der Seuche in Russland habe Brüssel keinerlei ernstzunehmende Schutzmaßnahmen ergriffen. Damals waren Krankheitserreger auch bei Wildschweinen festgestellt worden. Wie der Leiter des Exekutivkomitees der Nationalen Fleischassoziation Sergej Juschin meint, hätte das Wiederaufflackern der Seuche durch ein europäisch-russisches Programm zur Bekämpfung der Krankheit verhindert werden können.
Sergej Dankwert, Chef der russischen Veterinär- und Pflanzenaufsichtsbehörde, zufolge ist es jetzt die Aufgabe der Europäischen Union, die Länder zu bestimmen, in denen das Risiko einer Verarbeitung verseuchten Fleisches besteht. Bis das nicht geschehen sei, könne Russland die Beschränkungen für die Einfuhr von Schweinefleisch aus Nordamerika und Brasilien aufheben. Mit einer Entscheidung in dieser Frage ist bereits im Februar zu rechnen.
Russland und die Binnennachfrage
Vom Embargo für europäisches Schweinefleisch profitieren inländische Produzenten, die gerade schwere Zeiten durchleben. Die Preise auf dem russischen Markt sind nach unterschiedlichen Schätzungen bereits um bis zu 15 Prozent gestiegen. Die russischen Produzenten können jedoch, obwohl sie ihre Kapazitäten erweitert haben, bislang die Nachfrage auf dem inländischen Markt nicht befriedigen.
In Russland selbst ist zudem die Gefahr der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest bei Weitem nicht gebannt. Wie Anna Jewangelejewa, eine Sprecherin des Branchenportals „Meatinfo.ru", erklärte, sei die Virusinfektion durchaus als Seuche zu bezeichnen. Innerhalb von neun Monaten im Jahr 2013 wurden 121 Ausbrüche der Seuche registriert – gegenüber lediglich 123 im gesamten Jahr 2012. Russlands Rettung ist sein harsches Klima. Das Virus breitet sich vor allem in der Sommerzeit aus. Nach Angaben von Rosselchnadsor wurden in den letzten sieben Jahren im Zuge der Ausmerzung von Seuchenherden der Schweinepest über 900 000 Schweine getötet. Der durch die Ausbreitung des Virus verursachte Schaden in Russland wird auf 500 bis 700 Millionen Euro geschätzt.
Die Epidemie erhöhte die ohnehin in den vergangenen Jahren gestiegenen Risiken von Investitionen in die Fleischbranche. Nach Angaben des Nationalen Schweinezüchterverbands flossen in den Jahren 2006 bis 2012 Investitionen in Höhe von über 6,5 Milliarden Euro in die Schweinezucht. Zweidrittel dieser Gelder sind Darlehen, die eine entsprechende Zinslast bedeuten. Das einst attraktive Investitionsumfeld begann sich zügig und sehr spürbar im September 2012 zu wandeln, als die Getreidepreise um 80 bis 100 Prozent anstiegen und die Preise für Schlachtschweine zugleich um 39 Prozent sanken. „Die neuen Verpflichtungen im Rahmen der WTO und der Zollunion, die die Möglichkeiten des Staates, den russischen Fleischmarkt zu schützen, deutlich einschränken, verschärften die Situation noch weiter", erklärt Wassili Jakimkin.
In der Folge dieser Vielzahl von Faktoren verzeichnet die Binnenproduktion starke Einbrüche. Den für Dezember 2013 veröffentlichten Statistiken zufolge ist das Wachstumstempo des Schweinebestands sehr niedrig.
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