Baikonur: Geheimnisse des Weltraumbahnhofs

Foto: RIA Novosti

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Das Kosmodrom Baikonur läutete die kosmische Epoche ein. Von hier aus startete Russland die Eroberung des Weltalls. Über den geheimen Ort in der kasachischen Steppe gibt es viele ungewöhnliche Geschichten zu erzählen.

In der kargen kasachischen Steppe liegt das Kosmodrom Baikonur. Hier begann die Eroberung des Alls durch Russland. Am Weltraumbahnhof Baikonur startete der erste Satellit Sputnik 1, die Hündin Laika bereitete als erstes Lebewesen den Weg für die bemannte Raumfahrt mit Juri Gagarin im Jahr 1961 vor. Baikonur gilt als Symbol einer neuen legendären Zeit, der kosmischen Epoche. Es gibt viele Geschichten um Baikonur und nicht bei allen können Fantasie und Wirklichkeit mit Gewissheit unterschieden werden.

 

Ein Tal mit langer Geschichte

„Reiches Tal" – so lässt sich das kasachische Wort Baikonur übersetzen. Dort sollte der erste russische Weltraumbahnhof entstehen, das Kosmodrom. Zunächst war geplant das Kosmodrom in Dagestan, im Nordkaukasus oder im Gebiet Astrachan an der Wolga zu bauen. Schließlich fiel die Wahl aber auf das Gebiet Ksyl-Ordins im heutigen Kasachstan.

Hier sind die Bedingungen für das Projekt noch immer ideal. Es gibt eine riesige, nur dünn besiedelte Fläche, die man zum Beispiel braucht, um zwischen den Bodenstationen für die Aussendung der Funksignale den erforderlichen Abstand einhalten zu können. Beim Start einer Rakete ist der Platzbedarf enorm. Die Nähe zum Äquator ist optimal, denn hier kann die Rakete den Schwung der Erdumdrehung für sich nutzen. Eine große Anzahl von Sonnentagen im Jahr garantiert stabiles Wetter.

Die Nomaden, die in dieser Gegend siedelten, erzählten schon vor Jahrhunderten die Legende vom schwarzen Hirten. Vor sehr langer Zeit

soll ein schwarzer Hirte eine riesige Zwille aus dem Fell seiner Schafe gebaut haben. Sobald Feinde am Horizont erschienen, schleuderte er mit dieser Waffe glühende Steine in den Himmel. Wenn diese herunterfielen, versetze das den Eindringlingen einen solchen Schrecken, dass sie angsterfüllt das Weite suchten. An den Stellen, an denen die Geschosse niedergingen, wuchs nichts mehr, die Tiere starben, das Land verödete für lange Zeit.

In gewisser Weise trifft diese Geschichte auch heute noch für Baikonur zu. Aus der gigantischen „Zwille", der Abschussrampe des Kosmodroms, fliegen „brennende" Raketen.

 

Der geheime Weg zu den Sternen

Am 12. Januar 1955 begann die Geschichte des Kosmodroms Baikonur. An diesem Tag wurden an der Bahnstation Tjuratam zwei Wagons eines eingetroffenen Zuges abgekoppelt, aus dem Männer in Pelzjacken stiegen. Es war die erste Arbeitergruppe, die das Gelände für die Ankunft der Baikonur-Konstrukteure vorbereiten sollte.

Von der Bahnstation Tjuratam aus führten Schienen einer nie vollendeten Eisenbahnlinie einige Kilometer weiter und endeten schließlich abrupt in der Steppe. Als der mit der Leitung des Bauvorhabens beauftragte Ingenieur für Raketentechnik Sergej Koroljow diese scheinbar ins Nichts führenden Schienen sah, soll er beschlossen haben, das Abschussgelände genau dort zu bauen, wo sie abbrachen. So entstand die erste Startrampe von Baikonur – der Ort des Raketenstarts von Juri Gagarin. Noch heute werden auf genau diesen Schienen die Raketen zur Abschussrampe gebracht.

Das Kosmodrom trug zunächst auch den Namen dieser Bahnstation. Da der Bau aber strenger Geheimhaltung unterlag, verwendete man in offiziellen Dokumenten ein Pseudonym. Unweit des künftigen Kosmodroms baute man zur Täuschung außerdem ein weiteres Kosmodrom, allerdings mit leeren Anlagen. Direkt daneben entstand sogar noch eine Phantomstadt mit Schulen, Wohnhäusern und anderen Objekten.

 

Kosmische Rekorde statt sportlicher Höchstleistungen

Streng geheim war nicht nur der Name des Projekts, sondern auch der Bau selbst. Alle Baumaterialien für das Kosmodrom transportierte man in gewöhnlichen Passagierwaggons nach Tjuratam. Entladen wurden diese in der Nacht. Selbst die Arbeiter sollten nicht wissen, welches spektakuläre Projekt man durch ihren Einsatz verwirklichte. Bis zum letzten Augenblick ließ man sie in dem Glauben, sie würden ein Stadion errichten. Und niemand wagte zu fragen, wozu denn in der menschenleeren kasachischen Steppe ein Stadion gebaut werde.

Um den Bau rankte sich eine weitere Legende. Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Rakete, mit der Juri Gagarin die erste

bemannte Raumfahrt der Weltgeschichte antreten sollte, stieß man in 35 Metern Tiefe auf eine alte Feuerstelle. Archäologen schätzten ihr Alter auf bis zu 35 000 Jahre. Bauleiter Koroljow deutete diesen Fund als Glückszeichen: „Wir bauen an der Grenze des Lebens. Wenn vor uns hier Leben war, so wird dieser Ort auch uns Glück bringen". Es heißt, er habe eine winzige Ecke der frühgeschichtlichen Feuerstelle zum Andenken mitgenommen und immer in einer Streichholzschachtel bei sich getragen.

 

„Palmen" in der Steppe

Juri Gagarins erfolgreiche Weltraummission überrumpelte die Regierungen des Westens regelrecht und löste großes internationales Interesse an dem neuen Kosmodrom aus. Im Juni 1966 reiste der französische Präsident Charles de Gaulle zu einem Staatsbesuch in die UdSSR. Die Sowjetunion und Frankreich unterzeichneten eine Übereinkunft über die Zusammenarbeit bei der Erschließung und Erforschung des Weltraums für friedliche Zwecke.

Zum Besuch de Gaulles am 25. Juni 1966 verwandelte sich das 45 Kilometer von Baikonur entfernte Städtchen Leninsk für einen Tag in

Swesdograd, russisch für „Sternenstadt". Die Stadt wurde auf Hochglanz geputzt wie ein Paar Generalsstiefel: Vor der Ankunft der hochrangigen Gäste brachte man buchstäblich jede Straßenecke auf Vordermann, vom Straßenbelag bis zum Lack der Zäune. Man organisierte für die Gäste den Start eines Satelliten. De Gaulle zeigte sich sehr beeindruckt. „Großartig! Großartig!" soll de Gaulles Sohn, der ihn begleitete, begeistert ausgerufen haben.

Die Vorbereitungen für den Empfang wichtiger Staatsgäste in Baikonur liefen unter der Bezeichnung „Operation Palmen pflanzen". De Gaulle soll „Palme-1" gewesen sein.

Nach offiziellen Berichten wurden in der kasachischen Steppe nur vier „Palmen" gepflanzt. Die letzte „Palme" soll 1970 mit Charles Pompidou ebenfalls ein französischer Präsident gewesen sein. Wer weiß allerdings, wie viele weitere „Palmen" es wirklich gab und welche Geschichten der damals hoch geheime Ort in diesen Zeiten noch hätte erzählen können.

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