Wechselstuben in Moskau. Foto: ITAR-TASS
Der Rubel erlebt sein großes Comeback. Ein triumphales ist es allerdings nicht. Die Zeiten, in denen der Wechselkurs der russischen Währung zu den Hauptnachrichten des Tages zählte, waren eigentlich längst vorbei.
Der letzte lawinenartige Kursrutsch während der Weltwirtschaftskrise 2008 schien vergessen, ganz zu schweigen vom Crash im August 1998 und der folgenden Hyperinflation. Noch im Mai vorigen Jahres sagten in einer
50 Milliarden Dollar gaben die Russen 2013 für Auslandsreisen aus. Nun hofft die russische Tourismusbranche auf mehr Gäste.
17 Prozent seines Wertes büßte der Rubel in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber dem Euro ein.
Umfrage des Marktforschungs- instituts IFAK 73 Prozent der Befragten, dass sie dem Rubel vertrauten, während nur acht und sieben Prozent den Dollar beziehungsweise den Euro als die vertrauenswürdigere Währung betrachteten.
Seit Wochen allerdings ist der Rubel wieder in den Schlagzeilen. Innerhalb der letzten zwölf Monate büßte das Zahlungsmittel Russlands rund 17 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro ein. Allein acht Prozent verlor der Rubel seit Anfang des laufenden Jahres. Schon schauen die Russen wieder gebannt auf den aktuellen Wechselkurs und stellen sich die Frage: „Was tun mit den Ersparnissen?". Nach Berechnungen der Alfa-Bank haben die Sparer allein im Januar Einlagen im Wert von zwölf Milliarden Dollar auf Devisenkonten verfrachtet. Im gesamten vergangenen Jahr waren es insgesamt nur 23 Milliarden.
Bald ein Euro für 50 Rubel?
Je mehr sich der Euro der 50-Rubelmarke nähert, desto mehr Gerüchte ranken sich um die Zukunft der Landeswährung. Am hartnäckigsten hält sich die Meinung, dass die eigentliche Talfahrt des Rubels erst bevorstehe, sobald der Olympia-Trubel in Sotschi vorbei ist.
Die Chefin der russischen Zentralbank Elwira Nabiullina ist derzeit eine gefragte Interviewpartnerin bei russischen Journalisten. Sie bemüht sich, die Gemüter zu beruhigen. Doch als sie vor Kurzem sagte, nicht der Rubel falle, sondern Euro und Dollar gewännen an Wert, reagierten viele Russen hämisch. Dabei hatte Nabiullina trotz der unglücklichen Formulierung recht.
Denn der Rubel befindet sich momentan in guter Gesellschaft. Auch die Währungen von Schwellenländern wie Indien, Brasilien oder der Türkei sind momentan im Sinkflug. Im Vergleich dazu gehört die russische Währung zu den stabilsten. Die Türkische Lira verlor seit Ende Dezember etwa 17 Prozent gegenüber dem Dollar, der brasilianische Real büßte 2013 20 Prozent seines Wertes ein.
„Der Kursverfall des Rubels wurde vor allem durch äußere Faktoren hervorgerufen", meint Wladimir Tichomirow von der Investmentgesellschaft Otkritie. Das Kapital flösse aus den Entwicklungsländern ab, bedingt durch den erwarteten Kurswechsel der amerikanischen Notenbank, die weniger
Geld in die Märkte pumpen will. Diese Mittel seien früher als Investitionen in die Emerging Marketsgeflossen. Die Kapitalflucht werde durch die Aufräumarbeiten der Zentralbank im russischen Bankensektor angeheizt, so Tichomirow. In den vergangenen Wochen haben mehrere mittelgroße Institute wegen Verstößen ihre Lizenz verloren.
Doch es sind nicht nur äußere Faktoren, die dem Rubel zu schaffen machen, auch die schwächelnde Konjunktur verstärkt das negative Umfeld. Ein Problem, dass die Experten der russischen Higher School of Economics (HSE) ausgemacht haben, sind die sinkenden Exporteinnahmen. Sie reichen nicht mehr aus, um die Kapitalflucht abzudecken. „Das Defizit an Fremdwährung auf dem russischenBinnenmarkt erreichte Ende 2013 bereits 30 Milliarden Dollar und hat den Kursverfall verstärkt", heißt es in einer aktuellen HSE-Analyse.
Die Gewinner und Verlierer
Der dritte wichtige Faktor, den viele Experten ausmachen, ist die Politik von Zentralbank und Finanzministerium. „Die Ankündigung der Zentralbank, den Rubelkurs nicht mehr zu stützen, sowie die Ankündigung aus dem Finanzministerium, gut sechs Milliarden Dollar für den staatlichen Reservefonds einzukaufen, spielen zusätzlich eine Rolle", erklärt Daria
Zhelannova, Analystin beim internationalen Devisenhändler Alpari.
So vielfältig die Gründe sein mögen, Anlass zur Panik bieten sie nicht. In der Realwirtschaft gibt es sowohl Gewinner als auch Verlierer. „Zu den klaren Gewinnern zählen die traditionellen Exportbranchen: die Energiewirtschaft und die Metallindustrie, allen voran Gazprom und Rosneft", sagt Maxim Pleschkow, Analyst bei der Agentur RusRating. Auch für den leicht defizitären Staatshaushalt dürfte der Kursverfall eine Wohltat sein, da mit wachsenden Einnahmen zu rechnen ist.
Auf steigende Nachfrage können auch russische Hersteller hoffen, die mit ausländischen Firmen konkurrieren, da Importe teurer werden. Allerdings sind 17 Prozent Kursverfall nach Ansicht der HSE-Experten nicht ausreichend, um den Marktanteil der Importgüter zu senken. Noch sei es jedenfalls verfrüht, über eine deutliche Steigerung der Inflation zu spekulieren, meint Zhelannova. Die offizielle Prognose für die Teuerungsrate liegt im laufenden Jahr bei fünf Prozent und könnte nach verschiedenen Expertenschätzungen bei gleichbleibendem Kursverfall um 1,5 Prozentpunkte steigen. Ein Wert, der für Russland relativ gering ist.
Das Schlimmste ist vorbei
Mit hoher Erwartung schaut die russische Reisebranche auf den steigenden Eurokurs. Alexander Radkow, Leiter der staatlichen Tourismusbehörde Rosturism, glaubt, dass sich weniger Russen eine Reise
ins Ausland leisten können – und einheimische Urlaubsorte profitieren. Ob dies tatsächlich eintritt, bleibt allerdings fraglich. Im vergangenen Jahr wuchs der Touristenstrom aus Russland um 24 Prozent. Und bei den Ausgaben für Auslandsreisen belegten die Russen nach Angaben der World Tourism Organization Platz zwei hinter China mit einer Gesamtreisekasse in Höhe von 50 Milliarden Dollar.
Ohnehin gehen die meisten davon aus, dass die schlimmsten Kursrutsche für den Rubel bereits überstanden sind. Einige Experten wie Wladimir Tichomirow glauben sogar, dass der Rubel wieder an Boden gewinnen kann. „Der Unterschied zu 1998 ist, dass die Ölpreise, wichtigster Faktor für den Rubel, weiterhin stabil bleiben. Momentan sieht deshalb die Zentralbank offenbar keinen Grund, etwasgegen die Abwertung zu unternehmen", sagt der Ökonom.
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