Moskau: Russisches Gas ist Europa sicher

Moskau beschwichtigt, der Westen brauche keine Risiken bei Gaslieferungen zu fürchten. Foto: RIA Novosti

Moskau beschwichtigt, der Westen brauche keine Risiken bei Gaslieferungen zu fürchten. Foto: RIA Novosti

Die Ukraine bleibt das wichtigste Transitland für russisches Gas für die EU. Trotz Spannungen mit Russland soll die Versorgung sichergestellt sein. Gazprom investiert bereits in alternative Versorgungsrouten.

Die Unruhen in der Ukraine teilen das Land de facto in zwei Teile. Die Halbinsel Krim bereitet sich bereits auf ein Referendum zum Übergang auf das russische Staatsgebiet vor. Den Sturz Janukowitschs verurteilte Moskau und erklärte die neue Führung in Kiew als illegitim. Die Beziehungen zwischen Russland, der Ukraine, Europa und den USA haben sich infolge des Konflikts sehr verschlechtert. Neben den drängenden politischen Streitfragen muss man nun auch wirtschaftliche Probleme erörtern, die aus den verschlechterten Verhältnissen entstehen können. Wie wird sich wohl die Situation in der Ukraine auf die Gaslieferungen Russlands nach Europa auswirken?

Anfang März kündigte Moskau wenig überraschend an, dass das Abkommen über einen Preisnachlass bei Gaslieferungen für die Ukraine nicht verlängert wird. Die Abmachungen zu den Preisvergünstigungen waren Mitte Dezember getroffen worden. Es wurde vereinbart, dass der Rabatt quartalsweise neu festgesetzt wird. Die ersten Gaslieferungen nach dem günstigeren Abkommen erhielt die Ukraine ab dem 1. Januar 2014. Bereits zwei Monate später, Ende Februar, konnte der staatliche ukrainische Energiekonzern Naftohas die russischen Gasrechnungen nicht mehr bezahlen.

Im Dezember 2013 hatten die Parteien zudem beschlossen, dass Russland der Ukraine einen Kredit von rund elf Milliarden Euro zur Verfügung stellt. „Wir haben Geld gegeben und die Gaspreise gesenkt, aber Zahlungen haben wir nicht erhalten", sagte der russische Präsident Wladimir Putin. Bislang sind zwei Milliarden von dem Kredit abgerufen worden. Es kann angenommen werden, dass Kiew einen Teil der Kreditsumme für die Begleichung der Schulden bei Gazprom aufwendete. Die Schuldenhöhe von Naftohas beträgt Experten aus dem Umkreis der Verhandlungen zufolge derzeit etwas mehr als 1,5 Milliarden Euro.

 

Internationaler Währungsfonds kann Rubelrechnung bezahlen

Ein klares Szenario, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, existiert noch nicht. Man sei bereit, Naftohas, entweder über die russische Regierung oder direkt von Gazprom, einen neuen Kredit in Höhe von 1,5 bis zwei Milliarden Euro zu gewähren. Die ukrainische Führung gab zu verstehen, dass sie mit diesem Geld rechne.

Parallel dazu führt sie Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen „Stützkredit" in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro zur Stabilisierung der ukrainischen Wirtschaft. Bis der Antrag bewilligt wird, können allerdings einige Wochen vergehen. IWF-Gelder könnten der Ukraine helfen, mindestens zwei Monate lang russisches Gas zu bezahlen.

Des Weiteren gibt die neue ukrainische Führung des Landes zu verstehen, dass sie kein nichtgenehmigtes Zurückhalten von Gas, welches für den Transit in die EU bestimmt ist, betreiben werde, weil sie eine Verschlechterung der Beziehungen mit Europa fürchte.

 

Die Ukraine und ihre Rolle als Transitland für Gas

Das russische Gas deckt ungefähr ein Drittel des Gesamtbedarfs der europäischen Verbraucher. Die Hälfte dieser Menge fließt durch das ukrainische Pipeline-System. Dessen Durchlasskapazität beträgt in der Einspeisung 288 Milliarden Kubikmeter und am Ausgang 178,5 Milliarden

Kubikmeter Gas. Davon werden 142,5 Milliarden Kubikmeter nach Europa weitergeleitet. Im letzten Jahr importierte die Ukraine 27,9 Milliarden Kubikmeter, das restliche Gas, 86,1 Milliarden Kubikmeter, wurde in Richtung Europa weitergeleitet.

Die europäischen Länder wollen weiterhin russisches Gas über die Ukraine beziehen. Der EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger sagte, dass das in Brüssel diskutierte Finanzhilfepaket für die Ukraine in Höhe von 610 Millionen Euro auch Mittel für eine teilweise Begleichung der Gasschulden beinhalten werde. Zudem sagte die US-amerikanische Führung der Ukraine einen Kredit von 700 Millionen Euro zu. Zugleich versucht die Ukraine, sich aus der Abhängigkeit vom russischen Gas zu lösen. Derzeit führt sie Gespräche über einen „virtuellen" Rücktransfer aus der Slowakei, im Zuge dessen die Ukraine rund zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas erhalten würde.

Der größte europäische Energiekonzern RWE sagte, man kenne Gazprom als zuverlässigen Partner. Zugleich hieß es aber: „Wir wollen keine Vorhersagen für die Zukunft treffen, die wir nicht kennen können." Die europäischen Abnehmer beschlossen daraufhin, sich zusätzlich abzusichern und Vorräte anzulegen. Wie die Statistik zeigt, stieg seit Anfang März die Nachfrage und dadurch die Entnahme von Gas über das ukrainische Gaspipeline-System. Die am stärksten abhängigen Länder, zum Beispiel Bulgarien, das 85 Prozent des importierten Gases über ukrainische Pipelines erhält, begannen sogar, die nationalen Gasspeicher zu füllen.

 

Alle Gaswege führen in die EU

Nahestehende Quellen von Gazprom beteuern, dass es im Moment keine Risiken für Europa gebe, was Lieferungen von russischem Gas durch das Staatsgebiet der Ukraine anbelangt: „Europa ist ein strategischer Partner von Gazprom. Russland ist jetzt nicht in der Verfassung, sich einen Streit mit Gazprom oder Europa leisten zu können, deshalb ist klar, dass es keine Risiken für westliche Verbraucher gibt", sagte ein hochrangiger Manager des russischen Gas-Monopolisten.

Im russischen Energieministerium erinnert man sich an die Transitsperre durch die Ukraine 2009, die für Gazprom zu zwei Milliarden Euro Strafzahlungen führten. „Die dringendste Frage für Gazprom momentan ist

die Frage nach der Reputation. 2009 wurde Gazprom von der Europäischen Kommission kritisiert und für die Sperre verantwortlich gemacht – jetzt investiert Gazprom aufgrund des Dritten Energiepakets der EU in die Erschließung von Fundstätten für den westlichen Markt. Eine Wiederholung dieses Blockade-Szenarios, auch in anderen Transitländern, ist unzulässig", sagte ein russischer Beamter.

Moskau treibt bereits die Diversifizierung der Lieferwege nach Europa voran: Die Lieferungen über die im letzten Jahr eröffnete „North Stream"-Pipeline soll in diesem Jahr über 20 Milliarden Kubikmeter betragen. Außerdem steht Gazprom in Verhandlungen über ein weiteres Projekt mit den europäischen Regierungen, der „South Stream"-Pipeline, welche es ermöglichen soll, das Gas über den Grund des Schwarzen Meeres in die EU-Region zu liefern.

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