Heute gibt es in Russland neben den internationalen Kreditkarten wie Visa oder MasterCard ungefähr zwanzig russische, zumeist kleine elektronische Zahlungssysteme. Die besten Aussichten hat zurzeit das von der Sberbank entwickelte Zahlungssystem PRO100. Foto: Stutterstock
Nachdem die Kreditkartenunternehmen Visa und MasterCard vorübergehend ihre Transaktionsdienste für die Kunden einiger russischer Banken gesperrt hatten, denken russische Kreditorganisationen jetzt über Maßnahmen zum Schutz ihrer Kunden nach. Möglich wäre eine Umstellung aller in Russland getätigter Kartenzahlungen auf ein eigenes russisches System. Zudem könnte das chinesische Zahlungssystem Union Pay an Bedeutung gewinnen.
Gute Chancen für PRO100
Heute gibt es in Russland neben den internationalen Kreditkarten wie Visa oder MasterCard ungefähr zwanzig russische, zumeist kleine elektronische Zahlungssysteme. Nur zwei von ihnen haben einen großen Kreis von Nutzern. Das ist seit 1993 Union Card, eines der ersten russischen Zahlungssysteme, das von rund 300 Finanzinstituten unterstützt wird. Das zweite ist das Bezahlsystem „Solotaja Korona", das über 500 Banken in Russland und in den GUS-Staaten vereint.
Die besten Aussichten hat zurzeit das von der Sberbank entwickelte Zahlungssystem PRO100. Für den Anfang könnten die Karten Beschäftigten staatlicher Organisationen als Lohnkarten ausgehändigt werden. „Der große Vorteil dieses Systems ist, dass es auf der Basis des von MasterCard entwickelten Prozessorchips M/Chip funktioniert. Die Banken müssen also bei einer Umstellung auf dieses System keine neue Technik anschaffen. Erforderlich wird nur eine Erweiterung der Software", erklärt Jelena Orlowa, Vorstandsvorsitzende der nicht-kommerziellen Organisation (NKO) PayU.
„Um sich dem Zahlungssystem PRO100 anzuschließen, wird eine Bank durchschnittlich 1,5 Monate einplanen müssen", sagt Andrej Nesterow, Direktor des Departments für strategische Kommunikation UEK. Für den Karteninhaber soll die Nutzung von PRO100 kostenlos sein, er benötigt lediglich eine universelle elektronische Karte. Eine Bank wird die Integration in das System etwa 30 000 Euro kosten, so Nesterow. Die von
diesem System bereitgestellten Dienste seien zudem kostengünstiger als die Alternativen aus dem Ausland.
Die Vorstandsvorsitzende der nicht-kommerziellen Partnerschaft (NP) Nationaler Zahlungsrat Alma Obajewa geht davon aus, dass ein lokales Zahlungssystem innerhalb eines halben Jahres auf ein landesweit einsetzbares System umgestellt werden könne. Bis die Zahl der Karteninhaber ein Niveau erreicht habe, die es zu einem mit Visa und MasterCard vergleichbaren System machen, werde wohl ein Jahr vergehen, schätzt die Expertin. Man müsse eine Übergangszeit einkalkulieren. „In vielen Ländern werden Lohnkarten auf der Basis eines lokalen Zahlungssystems und Kreditkarten auf der Basis von Visa und MasterCard emittiert", erklärt sie. „Ein solches Modell kann sich durchsetzen. Auch in Russland sollte die Umstellung auf ein nationales System reibungslos ablaufen".
Russische Zahlungssysteme haben jedoch noch einen gravierenden Nachteil. „Die Verbraucher bekommen Probleme, wenn sie ihre Karten im Ausland nutzen wollen, wo das russische System nicht unterstützt wird. „In der gegenwärtigen Situation wird es wohl schwierig, irgendwelche eigenen Entwicklungen international zu etablieren", bemerkt Tamara Kassjanowa, erste Vize-Präsidentin des Russischen Clubs der Finanzdirektoren.
Es sei aber nur eine Frage der Zeit bis PRO100 auch im Ausland akzeptiert werde. Das zeigt die Erfahrung in anderen Ländern, in denen es bereits nationale Zahlungssysteme gibt, etwa China und Indien, so die PayU-Vorsitzende Jelena Orlowa.
Alternative aus China
Bis zur Umsetzung eines russischen Zahlungssystems, könnte UnionPay, ein im Herbst 2013 auf den russischen Markt eingeführtes chinesisches System, Visa und MasterCard ersetzen. Das nationale Zahlungssystem
Chinas gibt es seit 2002 und erlangte innerhalb weniger Jahre eine große internationale Verbreitung.
„In China schuf man ein nationales Betriebs- und Rechenzentrum und blockte alle Kreditkarten-Anbieter, einschließlich Visa und MasterCard auf dem heimischen Markt. Sämtliche Zahlungstransaktionen unterstehen ausschließlich der chinesischen Rechtshoheit. Das ist zuverlässiger und um ein Vielfaches kostengünstiger", so Sergej Glasjew, Berater des russischen Präsidenten.
Dass die von den US-Sanktionen betroffenen russischen Banken bei Bedarf zum System UnionPay wechseln können, bemerkt auch Anatoli Aksakow, Vorsitzender der Assoziation regionaler Banken und Abgeordneter der Staatsduma.
Nach Materialen von Wsgljad, Kommersant und RIA Novosti.
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