Ukraine-Konflikt: Sorgen um das Russland-Geschäft

Leiterin des Russland-Kompetenzzentrums von IHK Dr. Andrea Gebauer. Quelle: Pressebild

Leiterin des Russland-Kompetenzzentrums von IHK Dr. Andrea Gebauer. Quelle: Pressebild

Es gibt eine Reihe von Firmen in Nordrhein-Westfalen, die derzeit in Russland Investitionen tätigen und denen sich angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine die Frage aufdrängt, wie tragfähig diese Projekte noch sind. Daher lud die IHK Düsseldorf Anfang April zu der Diskussionsveranstaltung „Ukraine-Konflikt: Mögliche Auswirkungen auf das Russland-Geschäft“ ein.

Deutsche Unternehmen sind verunsichert über ihr Geschäft in Russland, denn mehr als 50 000 Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen hängen direkt vom Russlandgeschäft ab. „Wenn man sich nur über die deutschen Medien informiert, entsteht ein unvollständiges Bild. Deshalb haben wir verschiedene Russland-Experten eingeladen, um den Unternehmen eine aktuelle Lageeinschätzung aus erster Hand zu geben“, erklärte Dr. Andrea Gebauer, Leiterin des Russland-Kompetenzzentrums.


Keine Panik und Ruhe bewahren

„Der Zuspruch war sehr groß, weil der Bedarf da war“, sagte Dr. Gerhard

Eschenbaum, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft, und erklärte: „Für die meisten Mittelständler ist das Geschäft noch stabil, und sie haben großes Interesse daran, dass es auch so bleibt. Aber einige haben Sorgen wegen der allgemeinen Abschwächung der russischen Wirtschaft.“ Auch die Unternehmen aus Russland wüssten, was sie zu verlieren haben. Beide Seiten seien daran interessiert, den politischen Entscheidungsträgern klar zu machen, dass einiges auf dem Spiel stehe. Daher findet Eschenbaum es auch nicht gut, dass auf russischer Seite von ‚Enteignung‘ gesprochen wurde: „Wer überlegt, sein Geld in Russland zu investieren, ist natürlich nicht mehr motiviert, wenn er so etwas liest.“

Die Empfehlung der IHK laute daher: „Man sollte ganz pragmatisch mit den Problemen umgehen und schauen, wie man ein adäquates Risikomanagement organisieren kann. Außerdem sollte das Gespräch mit den Partnern gesucht werden, aber auf keinen Fall darf man in Panik geraten.“

Laut einer aktuellen Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer ist Personalabbau bei der Mehrzahl der deutschen Firmen in Russland noch kein Thema. „Uns ist bisher nicht zu Ohren gekommen, dass langfristig orientierte deutsche Investoren ihr Kapital aus Russland abziehen“, sagte Andrea Gebauer. „Immerhin wurden in den letzten zehn Jahren mehr als 20 Milliarden Euro Direktinvestitionen von deutschen Unternehmen in Russland getätigt. Das Kapital wieder zurückzubringen, ist viel schwieriger“, gab Gebauer zu bedenken. „Die bisher verhängten Sanktionen sind nur Nadelstiche. Vieles hängt davon ab, wie die weiteren Entwicklungen verlaufen. Es gibt noch viele unbekannte Faktoren: Wie verläuft die Wahl in der Ukraine, wie geht es mit der Sanktionspolitik weiter? Nicht alles hängt von Russland ab.“


Krisenzeiten, Chancenzeiten?

Die meisten deutschen Firmen haben jedoch schon in der Vergangenheit gute Nerven in Krisenzeiten gezeigt. Ob die Rubelkrise 1998 oder die Wirtschaftskrise von 2008: Deutsche Unternehmen haben immer versucht, die Probleme mit ihren russischen Geschäftspartnern gemeinsam zu lösen.

Dr. Gerhard Eschenbaum, Leiter der

Abteilung Außenwirtschaft von IHK.

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„Eine Partnerschaft bewährt sich in schwierigen Zeiten, und die Russen haben es den deutschen Investoren hoch angerechnet, dass sie weiter auf Dialog setzten“, meinte Gebauer. Schließlich umfasse die Geschichte deutsch-russischer Wirtschaftsbeziehungen mehr als 800 Jahre, die setze man nicht so schnell aufs Spiel.

Kann man diese Krise sogar als Chance sehen? „Der russische Markt ist sehr krisensensibel. Wir haben niedrige Frachtraten, Mieten und Gehälter werden moderater, das Interesse russischer Firmen an seriösen Partnern ist groß. Das kann auch eine Chance für einen antizyklischen Markteinstieg bieten“, sagte Gebauer. „Wenn Russland jetzt mit der verschleppten Modernisierung beginnt, dann liegt in dieser Krise tatsächlich eine Chance“, glaubt auch Eschenbaum. Denn nicht die Sanktionen seien das Hauptproblem, sondern die schwierige wirtschaftliche Lage, die durch die Krise verstärkt worden sei. „Aber wir haben schon häufig erlebt, dass sich Russland entgegen aller Vorhersagen sehr schnell nach der Krise erholt hat“, betonte Gebauer und fügte hinzu: „Wie man so schön sagt: Russland ist das Land, wo das Vorhersehbare nie und das Unvorhersehbare täglich eintritt.“

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