Im Westen wird die Möglichkeit eines Ausfuhrverbots von modernster Technologie und Ausrüstung für die Erdöl- und Gasindustrie nach Russland diskutiert. Foto: Photoshot / Vostock-Photo
Nach Angaben der „Financial Times“ vom 12. Mai sollen die Sanktionen vonseiten der USA und Europa auf die russische Erdölförderung ausgeweitet werden. Diese sind für den Fall vorgesehen, dass nach Ansicht des Westens Moskau Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine auszuüben versucht.
Konkret wird auf höchster Ebene zurzeit die Möglichkeit eines Ausfuhrverbots von modernster Technologie und Ausrüstung für die Erdöl- und Gasindustrie nach Russland diskutiert. In den USA könnte das durch die Einführung einer zusätzlichen Exportlizenz umgesetzt werden. Die neuen Sanktionen könnten nach Expertenmeinung vor allem die Projekte der Energieriesen Rosneft und Gazprom im Schelf betreffen. Zwar werden wohl kaum laufende Projekte von den Sanktionen betroffen sein, dafür aber neue Vorhaben, speziell die schwer zu fördernden Lagerstätten wie die Baschenow-Formation in Westsibirien oder die Vorkommen im Schelf der Karasee.
Internationale Verflechtungen
Die Rosneft nahestehende Zeitung „Kommersant“ berichtete, dass solche Sanktionen insbesondere im Schelf zu einem ernsthaften Problem bei der Realisierung vieler zukünftiger Projekte führen könnten.
„Solche Arten an Vorkommen wie die schwer zu fördernden Reserven der
Die Baschenow-Formation ist das größte Schieferölvorkommen Russlands. Die Fördermenge wird nach Angaben der U.S. Energy Information Administration (EIA) auf 1,24 Milliarden Barrel geschätzt. Bis zum Jahr 2020 könnte der Ertrag 15 bis 18 Millionen Barrel pro Jahr betragen. Allerdings ist das Öl schwer zu fördern.
Das Schelf der Karasee gilt als zukunftsträchtiges gashaltiges Gebiet, unmittelbar angrenzend an die Jamal-Halbinsel. Der Erforschungsgrad der Region hinsichtlich Erdöl und Gaskondensat beträgt 15 Prozent, hinsichtlich Erdgas etwa zwei Prozent. Die Reserven an flüssigem Kohlenwasserstoff erreichen in dieser Region nach den Kategorien D1+D2 300 Millionen Tonnen, die Erdgasreserven nach denselben Kategorien 29,8 Trillionen Kubikmeter.
Baschenow-Formation und des arktischen Schelfs erfordern eine genaue wissenschaftlich-technische Erschließung und eine hochtechnologische Ausstattung“, sagte der Öl- und Gas-Analyst der Alfa-Bank Alexander Kornilov gegenüber „Gazeta.Ru“. „Dem hohen Anteil an westlicher Technik ist es geschuldet, dass das Land gerade erst anfängt, sich mit solchen Vorhaben auseinanderzusetzen. Bei der Förderung konventioneller Lagerstätten hingegen wird überwiegend russische Technik eingesetzt“, erklärte Kornilov.
Die überwiegende Mehrheit der russischen Unternehmen führt Projekte zu schwerförderbarem Erdöl in Kooperation mit ausländischen Investoren durch. So teilt sich Rosneft die Risiken im Schelf mit der US-amerikanischen ExxonMobil, der norwegischen Statoil und der italienischen Eni, außerdem diskutiert das Unternehmen die Einbeziehung von asiatischen Partnern in Offshore-Projekte, darunter die chinesische CNPC. Partner von Gazprom im Sachalin-Schelf ist die englisch-niederländische Shell – Gazprom kooperiert mit ihr im Rahmen zweier Joint Ventures auf dem Gebiet der Baschenow-Formation –, und Lukoil plant bereits in nächster Zukunft Partner der französischen Total zu werden.
Unter den Erdöl-Dienstleistern agieren amerikanische Giganten wie Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes auf dem russischen Markt. Der Jahresumsatz von Schlumberger auf dem russischen Markt beläuft sich auf ungefähr 2,1 Milliarden Euro, von Weatherford auf ungefähr 729 Millionen Euro sowie von Halliburton und Baker Hughes auf etwa 365 Millionen Euro.
Sanktionen als Anreiz
Russische Experten sind überzeugt, dass ein Hightech-Exportverbot eine Frage der langfristigen Perspektive für die Erdölgewinnung in Russland sei, denn die Unternehmen wollen bei vielen Vorhaben erst im Jahr 2020 einsteigen. Gerade deshalb würden die neu verhängten Sanktionen keinen sofortigen negativen Effekt auf den Markt haben.
„Bis die konventionellen Ölreserven zur Neige gehen und die ausländische Technik untauglich wird, wird Russland es schaffen, das entsprechende Niveau bei der Herstellung eigener hochspezialisierter Technik zu erreichen“, meint Agvan Mikaelyan, geschäftsführender Partner von FinExpertiza, gegenüber RBTH.
Diese Meinung teilt auch der Präsident der gemeinnützigen „Soyuzneftegazservis“, Igor Melnikow. Er sagte im Gespräch mit RBTH, dass die Entwicklung eigener computergestützter Technik für den Erdöl- und Gassektor zwei bis drei Jahre dauern werde, in deren Verlauf die Unternehmen bereits die neue Technologie anwenden könnten. Außerdem könnte Russland seiner Meinung nach die Kooperation mit westlichen Unternehmen sogar mithilfe von Vermittlern fortsetzen, ohne Rücksicht auf drohende Sanktionen nehmen zu müssen.
In jedem Fall heißt das aber, dass die inländischen Unternehmen in den nächsten 20 bis 25 Jahren ihre Investitionen in Forschung und technische Entwicklung deutlich erhöhen müssen. Nach Einschätzung von Grigori Birg, Chefanalyst von „Investcafé“, sind Investitionen in Milliardenhöhe
notwendig. Bislang sind die Summen noch um einiges bescheidener. Gazprom stellt für diese Zwecke ungefähr 0,16 Prozent seines Jahresumsatzes zur Verfügung, während das Investitionsbudget von PetroChina 0,7 Prozent des Jahresumsatzes beträgt und von Petrobras ein Prozent. In Zahlen werden die Ausgaben des chinesischen Unternehmens im Jahr 2011 auf 1,4 Milliarden Euro beziffert, des brasilianischen auf fast 1,09 Milliarden Euro. Die Ausgaben von Gazprom werden auf acht Milliarden Rubel (etwa 167 Millionen Euro) und die von Rosneft auf 9,2 Milliarden Rubel (etwa 193 Millionen Euro) geschätzt.
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