Bei der Gasverflüssigung ist Russland auf ausländische Hilfe angewiesen. Foto: Reuters
Auf die zunehmend angespannten Beziehungen zur Europäischen Union reagieren russische Unternehmen mit der Entwicklung von Technologien zur Herstellung von Flüssiggas (LNG). Russland hat dadurch Aussichten auf neue Absatzmärkte für seine Energieträger; hier kämen vor allem China und Indien in Betracht. Ohne einen Technologieimport aus Europa und Japan sind diese Projekte jedoch nicht realisierbar.
Erschließung neuer Märkte
Der russische Gasgigant Gazprom plant Bohrungen im Tiefsee-Schelf vor dem ostafrikanischen Staat Tansania und hofft auf eine Lizenz für die Erschließung eines Blocks. Der Konzern hatte sich bei dem entsprechenden Vergabeverfahren beworben. Die tansanischen Behörden schätzen die Gasressourcen ihres Schelfs auf etwa 5,7 Milliarden Kubikmeter. Das Vorkommen soll überwiegend in einer Tiefe von 2 500 bis 5 000 Metern lagern. Ein Großteil dieses Gases soll verflüssigt und auf die Märkte des asiatisch-pazifischen Raums geliefert werden. Namentlich ist Ostafrika als Lieferant von LNG nach Indien im Gespräch. Gazprom verfügt jedoch bis heute über keine hinlänglichen Erfahrungen im Tiefsee-Schelf. Für eine weitere Entwicklung dieses Projekts ist das russische Unternehmen daher auf einen westlichen Partner angewiesen.
Ausländische Unternehmen kooperieren bereits mit dem russischen Erdgasproduzenten Novatek, einem Konkurrenten von Gazprom, bei dem wichtigsten Projekt „Jamal SPG" im Norden Russlands. Mit „Jamal SPG" soll russisches Erdgas nach Asien, Europa und, wenn nötig, bis nach Nordamerika befördert werden können. Im Rahmen dieses Projekts soll auch eines der größten Werke zur Herstellung von LNG entstehen. Der französische Anlagenbauer Technip schloss unlängst mit seinen japanischen Partnern JGC und Chiyoda einen Vertrag über 4,5 Milliarden Euro für den Bau eines Flüssiggas-Komplexes. In diesem Werk sollen jährlich 16,5 Millionen Tonnen Erdgas aus der Lagerstätte Juschno-Tambejsk verflüssigt werden. Die Gasvorräte dieser Lagerstätte wurden am 31. Dezember 2013 auf 927 Kubikmeter geschätzt. Insgesamt sollen drei Abschnitte für je 5,5 Millionen Tonnen LNG jährlich gebaut werden. Die Inbetriebnahme des ersten Abschnitts ist für 2017 geplant.
Die Entwicklung von LNG-Technologien soll die Suche nach neuen Abnehmern für russische Energieträger fördern. Der Grund für diese Neuorientierung sind die lauter werdenden Absichtserklärungen Europas, die Gasabhängigkeit von Russland zu reduzieren. Die Inbetriebnahme von „Jamal SPG" und das weitere Vordringen Russlands auf den Flüssiggas-Markt könnten die amerikanischen und europäischen Sanktionen gegen Russland erschweren. So etwa lehnten einige westliche Banken die
Finanzierung des Projekts ab, wie Christophe de Margerie erklärte, der Hauptgeschäftsführer der Total S.A., die mit 20 Prozent an dem russischen Projekt beteiligt ist. Die Export-Import-Bank of the United States hat sich bereits gegen eine Finanzbeteiligung entschieden, andere Kreditgeber könnten diesem Beispiel folgen. Die Umsetzung des Projekts droht damit, ins Stocken zu geraten. „Kurzfristig können uns Hindernisse bei der Finanzierung oder Beschaffung bestimmter Materialien treffen, aber jenseits dieser unbedeutenden Hinhaltetaktiken in der Anfangsphase kann unser Projekt nichts ernsthaft bedrohen", so Christophe de Margerie.
Die Technologie kommt aus Frankreich und Japan
Die Probleme bei der Mittelbeschaffung lassen sich durch chinesische Investoren lösen, die ein deutliches Interesse an der Umsetzung von „Jamal SPG" zeigen. Derzeit liegen 50 Prozent der Finanzierung in den Händen chinesischer Unternehmen, die andere Hälfte decken Darlehen von Aktionären des Projekts ab. Der Hauptaktionär Nowatek beteiligt sich mit 60 Prozent, weitere 20 Prozent halten jeweils die französische Total S.A. und der staatliche chinesische Ölkonzern CNPC. Insgesamt belaufen sich die Investitionen in das Projekt auf 20 Milliarden Euro, von denen 3,6 Milliarden Euro im Laufe des Jahres 2014 verfügbar sind. Wie im April 2014 bekannt wurde, sind die japanischen Unternehmen Mitsui und Mitsubishi aus den Verhandlungen über den Kauf von Anteilen an „Jamal SPG" bereits ausgestiegen. Man hatte sie zu den wichtigsten Käufern gezählt.
Gerade die französischen und japanischen Partner müssten für das Projekt „Jamal SPG" neue Technologien für die Verflüssigung von Erdgas bereitstellen, denn die gibt es in Russland noch nicht. So wird das Gasverflüssigungswerk von dem französischen Anlagenbauer Technip und seinen japanischen Partnern JGC und Chiyoda gebaut.
„Die Entwicklung in der Ukraine hat keinerlei Einfluss auf das Projekt", sagt Thierry Pilenko, Vorstandschef von Technip. „Ich glaube nicht, dass der
Energiesektor von den jüngsten Ereignissen in der Ukraine in Mitleidenschaft gezogen wird, dafür ist seine Bedeutung für Russland und für Europa zu groß", erklärte er. Pilenkos Worten zufolge wird das geplante Werk „eines der weltweit größten dieser Art". Technip hält trotz der vorübergehend schwer kalkulierbaren Entwicklung daran fest, die Arbeiten bereits 2017 abzuschließen.
Ernsthafte Hindernisse bei der Umsetzung des Projekts könnten nur weitere Sanktionen gegen Russland mit sich bringen. So etwa planen die Europäische Union und die USA angeblich Sanktionen gegen russische Unternehmen, die sich einem Technologietransfer im Erdöl- und Erdgasbereich in den Westen verweigern. Diese Nachricht wurde jedoch bisher noch nicht bestätigt.
Nach Materialen von RBC Daily, Kommersant und Prime.
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