Der russische Energieminister Alexander Nowak: "Die europäischen Unternehmen selbst erklären, dass die Einführung von Sanktionen nicht zielführend sei." Foto: Sergej Kuksin / Rossijskaja Gazeta
Die Verschlechterung der Beziehungen zu der Europäischen Union veranlasst Russland dazu, nach neuen Märkten für den Export von Energieressourcen zu suchen. Welche Märkte für russische Energieexporte in Frage kommen und welche Schritte Russland zur Lösung der Energiekrise in der Ukraine unternehmen will, erzählt Alexander Nowak, Minister für Energiewirtschaft der Russischen Föderation, im Gespräch mit RBTH.
RBTH: Gerade ging der Besuch der russischen Delegation in China zu Ende, in dessen Rahmen ein Abkommen über die Lieferung von russischem Erdgas nach China in Rekordhöhe unterzeichnet wurde. Ist dieses Abkommen die Folge einer Abkühlung der Beziehungen zwischen Russland und Europa?
Alexander Nowak: Die Beziehungen zu China stehen in absolut keiner Beziehung zu den Ereignissen in Europa. Zu dem Reich der Mitte haben wir schon seit Langem ein stabiles Verhältnis. Es existiert eine Vielzahl zwischenstaatlicher Kommissionen, darunter für Energiefragen. Während des Besuchs in China wurden viele Abkommen unterzeichnet, die – so hoffe ich – einen Impuls für die kommende Entwicklung der bilateralen Beziehungen bilden werden.
Welcher Markt ist – vom Standpunkt der zunehmenden Lieferungen russischer Energieressourcen aus betrachtet – zum gegenwärtigen Zeitpunkt der lukrativste?
Wir haben unsere vertraglichen Verpflichtungen gegenüber unseren
traditionellen Kunden in der Europäischen Union immer eingehalten und beabsichtigen nicht, dies zu ändern. Allerdings wird der Bedarf in der asiatisch-pazifischen Region, in Ländern wie China, Indien, Japan, Südkorea und einer Reihe anderer Staaten, in nächster Zeit stärker wachsen als in Europa. Um diese Nachfrage zu befriedigen, erschließen wir neue Lagerstätten und schaffen die benötigte Infrastruktur. Aber ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, dass wir ungeachtet der Realisierung neuer Projekte in Asien weiterhin mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten wollen.
Konnten Sie eine Abkühlung bei der Zusammenarbeit mit westlichen Partnern feststellen?
Natürlich gibt es gegenwärtig großen politischen Druck auf US-amerikanische und europäische Unternehmen, die in Russland tätig sind. Jedoch handelt es sich dabei in erster Linie um einen politischen und nicht um einen ökonomischen Druck. Die Unternehmen selbst erklären, dass die Einführung von Sanktionen nicht zielführend sei.
Gibt es für die Europäer Ihrer Meinung nach eine objektive Alternative zu russischen Erdgaslieferungen? Und wie schätzen Sie das Versprechen der Vereinigten Staaten ein, Europa mit amerikanischem Erdgas zu versorgen?
Das ist eine vollkommen haltlose Erklärung seitens der USA. Ohne die russischen Energielieferungen kann Europa seinen Energiebedarf nicht decken. Zudem können unsere Lieferungen vertraglich erst in einigen Jahren gekürzt werden. Darüber hinaus wird sich das Niveau der Erdgasförderung in Europa bis zum Jahr 2020 um 100 Milliarden
Kubikmeter, das heißt um 20 Prozent verringern. Bei jedweder Kürzung unserer Lieferungen wird sich deshalb der Preis deutlich erhöhen. Über eine Abkehr von russischen Energielieferungen können deshalb nur Leute sprechen, die sich im System der internationalen Märkte nur schlecht auskennen. Wir können momentan mit jedem beliebigen Produzenten, der fossile Energiestoffe nach Europa liefern möchte, konkurrieren, jedoch kann bislang niemand, insbesondere in Bezug auf den Preis, mit uns konkurrieren. Es hat sich historisch nun mal so ergeben, dass Russland reich an natürlichen Ressourcen ist, Europa dagegen nicht.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügen die USA nicht über einen Gasüberschuss. Zudem besteht das Risiko, dass sich der Preis für Gas in den USA bei zu großen Gaslieferungen ins Ausland deutlich erhöhen könnte. Niemand, auch nicht die amerikanischen Lieferanten, wird Europas Erdgaspreis subventionieren wollen. Es gibt einige Leute, die den Anteil der russischen Gaslieferungen verringern möchten, aber vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet ist dies zurzeit nicht sinnvoll.
In welcher Phase befinden sich die Verhandlungen mit der Ukraine?
Gegenwärtig laufen gemeinsame Verhandlungen mit der EU-Kommission, wobei man anmerken muss, dass die Ukraine seit Anfang März ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachgekommen ist. Die Situation bleibt angespannt, und das beunruhigt uns wegen der Rückzahlung der Schulden und der Weiterleitung von Erdgas durch das Gebiet der Ukraine
nach Europa. Anfang Mai sind wir bei der Ukraine zum Prinzip der Vorauszahlung übergegangen, aber die Frage der Schuldentilgung muss zusammen mit der Europäischen Union geklärt werden. Die EU ist zum Teil für die Situation in der Ukraine mitverantwortlich, da sie die politischen Veränderungen in dem Land unterstützt hat. Im Großen und Ganzen ist unser Standpunkt absolut klar: Die ukrainische Seite hat vertragliche Verpflichtungen, die sie vor fünf Jahren eingegangen ist und denen sie nachzukommen hat.
Verfügt Russland über zukunftsfähige Technologien im Bereich der alternativen Energiequellen?
Gegenwärtig werden in Russland sehr aktiv Sonnenbatterien und Windkraftwerke entwickelt, unlängst wurde auch ein System ausgearbeitet, um die notwendigen Aufträge auf dem Binnenmarkt zu generieren. Dieser Markt entwickelt sich auf der Grundlage von Förderprogrammen, aber das Geld kommt nicht aus dem Staatshaushalt, sondern wird mithilfe höherer Tarife durch die Verbraucher selbst finanziert. Auf der Krim existieren bereits einige Sonnenkraftwerke, aber diese Technologie wird auch aktiv in der Region Krasnodar und in Jakutien weiterentwickelt. Auf Kamtschatka und auf den Kurilen werden zurzeit Projekte zur Gewinnung geothermaler Energie umgesetzt. Aber wie man es auch nimmt – der Anteil der regenerierbaren Energiequellen wird beim Energiekonsum in naher Zukunft keine große Rolle spielen.
Was halten Sie vom Gasstreit zwischen Russland und Ukraine? Nimmt er mit den Präsidentenwahlen sein Ende?
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