Russland unterstützt Bau des Nicaragua-Kanals

Ein Großer interozeanischer Kanal in Nicaragua soll zu einer Alternative zum Panamakanal aufsteigen. Die Projektkosten werden auf knapp 30 Milliarden Euro geschätzt. Foto: AP

Ein Großer interozeanischer Kanal in Nicaragua soll zu einer Alternative zum Panamakanal aufsteigen. Die Projektkosten werden auf knapp 30 Milliarden Euro geschätzt. Foto: AP

Russland wird mit Nicaragua und China den Bau eines interozeanischen Kanals realisieren. Das Megainfrastrukturprojekt soll dem Panamakanal Konkurrenz machen und die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten bei der Kontrolle über internationale Wasserstraßen beenden.

Beim letzten Staatsbesuch des russischen Außenminister Sergej Lawrow in Nicaragua standen Gespräche über die zukünftige bilaterale Zusammenarbeit zwischen Russland und Nicaragua im Mittelpunkt. Das wichtigste Projekt der kommenden Jahre wird der Bau eines Großen interozeanischen Kanals in Nicaragua sein, der zu einer Alternative zum Panamakanal aufsteigen soll.

Die Regierung von Nicaragua rechne damit, die Bauarbeiten noch Ende dieses Jahres aufnehmen zu können, berichtet eine an den Verhandlungen beteiligte Quelle. Dieser Termin wird auch in dem trilateralen Abkommen genannt, das zwischen Nicaragua, Russland und China unterzeichnet worden ist.

 

Russland leistet Schützenhilfe

Ein Großteil des neuen Kanals wird durch den Nicaraguasee führen, was die Bauarbeiten erleichtert. Insgesamt wird sich der künstliche Wasserweg über 286 Kilometer erstrecken. Obwohl er damit mehr als dreimal so lang wie der Panamakanal (81,5 Kilometer) ist, stellen gerade diese großzügigen Abmessungen einen Wettbewerbsvorteil des neuen Kanals dar. Denn eine

Breite von 83 Metern und einer Tiefe von 27,5 Metern macht die Passage auch für sehr große Schiffe mit einer Wasserverdrängung von bis zu 270 000 Bruttoregistertonnen möglich. Neben dem Bau des Kanals ist zudem die Realisierung weiterer Infrastrukturprojekte geplant, unter anderem der Bau zweier Seehäfen, eines Flughafens und einer Erdölpipeline.

Die Projektkosten werden auf 40 Milliarden US-Dollar (knapp 30 Milliarden Euro) geschätzt. Damit würde der interozeanische Kanal um einiges weniger kosten als seinerzeit der Panamakanal. Hauptinvestor ist das chinesische Unternehmen HKND, das eine Konzession für den Bau und den Betrieb des Kanals erworben hat. Die Bauarbeiten sollen durch Arbeiter aus China und den Ländern Zentralamerikas ausgeführt werden. Russland beabsichtige nicht nur, wirtschaftliche und organisatorische Unterstützung beim Bau zu leisten, wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist. Vielmehr werde die Hauptaufgabe Russlands der Schutz der Bauarbeiten sein. Die Regierung Nicaraguas hat mit Moskau bereits ein Sonderabkommen unterzeichnet. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres leisteten russische Kriegsschiffe und Kampflugzeuge bereits Dienst in den Hoheitsgewässern Nicaraguas. Bis zum 30. Juni 2015 wird russisches Militär entlang der Ufer der Karibik und des Stillen Ozeans patrouillieren.

Die Idee für den Bau des Kanals ist nicht neu. Sie gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert.  Aber damals war die politische Situation in Zentralamerika äußerst angespannt. Lange Zeit stand Nicaragua unter amerikanischer Besatzung. Die Realisierung des Kanals war in den folgenden Jahren mal eine fast beschlossene Sache, um dann wieder für Jahre zu verschwinden. Im September 2013 verabschiedete das Parlament Nicaraguas schließlich einen Gesetzentwurf zur Errichtung des Kanals. Von dem Bau erhofft sich Nicaragua unter anderem ein größeres Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, mehr Arbeitsplätze, neue Chancen für die einheimische Geschäftswelt sowie Einnahmen durch den Betrieb des Kanals.

Die Betreiber des Panamakanals haben auf die drohende Konkurrenz bereits reagiert. Dieser wird verbreitert, zudem ist geplant, die Durchgangsleistung bis 2016 zu verdoppeln.

 

Politischer Vorteil oder Risiko?

Experten sind sich uneins, ob der interozeanische Kanal für Russland ein lohnendes Geschäft sein wird. Emil Dabagjan, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lateinamerikaforschung an der Russischen Akademie der Wissenschaften, sieht einen politischen Vorteil für Russland: „Nach längeren Überlegungen hat Russland sich endlich dazu entschlossen, am Bau des Kanals, der aller Wahrscheinlichkeit nach der größte Verkehrsweg von Amerika sein wird, teilzunehmen. Dadurch verlieren die Vereinigten Staaten einem Teil der Kontrolle über die Region, die sie die letzten einhundert Jahre dank des Panamakanals ausgeübt haben“, erklärte der Wissenschaftler gegenüber RBTH.

Sergej Prawosudow, Generaldirektor des Instituts für nationale Energiewirtschaft, bewertet Russlands Beteiligung am Kanalprojekt als „direkte Kampfansage an die USA“. Russland habe damit nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen geopolitischen Vorteil. „Die Vereinigten Staaten kontrollieren alle wichtigen Punkte auf der Welt, durch die Schifffahrtswege verlaufen – den Panamakanal und den Suezkanal – sowie die wichtigen Handelswege durch Singapur, Gibraltar und andere Knotenpunkte“, erklärt er. Der Bau des interozeanischen Kanals könnte seiner Meinung nach den USA einen harten Schlag versetzen.

Eine Reihe russischer Experten vertritt jedoch einen anderen Standpunkt. So glaubt zum Beispiel der Politologe Konstantin Simonow, dass das Projekt äußerst riskant sei. Seinen Worten nach habe weniger Russland als vielmehr China Bedarf an diesem Kanal. Damit könnte das Land seine Waren zukünftig auf bequemere Weise importieren und exportieren. Russland dagegen verfüge mit der Nordostpassage bereits über einen eigenen Schifffahrtsweg, der eine Schifffahrt durch den Arktischen Ozean nach Europa und Asien möglich macht.

Nach Meinung des Leiters des Zentrums für Branchenforschung am USA-

und Kanada-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexej Rej, läge die Ausdehnung der Möglichkeiten der Nordostpassage durchaus im unmittelbaren Interesse Russlands. „Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, wäre das sogar von größerem Vorteil als der Bau des Nicaragua-Kanals“, erklärte der Experte.

Die Aufnahme eines Teilbetriebs des Nicaragua-Kanals ist für das Jahr 2019 vorausgesehen. Der endgültige Abschluss des Objektes soll dann im Jahre 2029 erfolgen.

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