Krim: Nur Bares ist noch Wahres

Auf der Krim funktioniert der Zahlungsverkehr nur noch mit Bargeld. Foto: Taras Litwinenko/RIA Novosti

Auf der Krim funktioniert der Zahlungsverkehr nur noch mit Bargeld. Foto: Taras Litwinenko/RIA Novosti

Die ukrainische Nationalbank hat ukrainischen Banken die Tätigkeit auf der Krim untersagt. Ausländische Banken schließen ihre Filialen. Die Bewohner der Krim können ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen und fürchten um ihre Spareinlagen.

Der Alltag auf der Halbinsel Krim ist für die Bewohner und Besucher seit dem Beitritt zur Russischen Föderation nicht einfacher geworden. Viele Fragen sind noch offen. Zwar müssen russische Staatsbürger bei der Ankunft auf dem Flughafen Simferopol ihren Pass nicht mehr vorzeigen, denn die Kontrollschalter sind längst geschlossen. Doch beispielsweise das Mobilfunknetz ist noch in den Händen ukrainischer Netzbetreiber. Inhaber russischer Rufnummern müssen somit Gebühren nach dem internationalen Roaming-Tarif zahlen.

Vor einem viel größeren Problem aber steht, wer auf der Krim Bargeld benötigt oder Überweisungen von seinem Konto tätigen will. Denn die ukrainische Nationalbank hat am 6. Mai 2014 die Tätigkeit ukrainischer Banken auf der Halbinsel verboten – ein Entschluss, der nicht ohne Folgen blieb. Noch gibt es Geld an der Wechselstube im Flughafen. Der dortige Mitarbeiter erklärt, dass die Wechselstuben auf der Krim gegenwärtig selbstständig arbeiteten, ohne Anbindung an eine Bank. „Es gibt ja keine Banken mehr", fügt er etwas ratlos hinzu. Auch die Kartenzahlung oder Abholung am Geldautomaten ist nicht mehr möglich: „Hier funktioniert kein einziger Geldautomat mehr", sagt der Mann.

„Die Bewohner der Krim gelten aus ukrainischer Sicht jetzt als Ausländer und dürfen daher nicht mehr von einer ukrainischen Bank bedient werden, ohne sich zu legitimieren, etwa durch eine Aufenthaltsgenehmigung", erklärt der Filialleiter einer der größten ukrainischen Banken gegenüber RBTH. Darüber hinaus hat die ukrainische Nationalbank die Auszahlung von Geld an Bewohner der Krim und sämtliche Geldtransfers mit der Halbinsel grundsätzlich untersagt. Die Guthaben auf den Konten der Krimbewohner wurden eingefroren. Die Banken sind nicht mehr berechtigt, die Einlagen zurückzuerstatten. Das führt dazu, dass die Krimbewohner ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können. „Dadurch ist insgesamt ein Rückstand in Höhe von etwa 50 Milliarden Rubel (etwa eine Milliarde Euro) aufgelaufen", sagt der Filialleiter. Diese Summe entspreche in etwa auch den durch die ukrainischen Banken eingefrorenen Guthaben von Privatpersonen.

 

Umsonst gespart

Hinter den Zahlen stehen menschliche Schicksale. Michail Andrianow aus Jewpatorija und seine Frau beispielsweise haben vier Jahre lang einen Teil ihres Gehalts auf einem Konto der ukrainischen Priwatbank gespart. 260 000 Hrywnia, rund 16 000 Euro, haben sie zusammenbekommen. Davon wollten sie sich in diesem Frühjahr eine Wohnung kaufen. Im März aber wurde ihr Konto gesperrt. Mitarbeiter der Bank erklärten Michail Andrianow, sie könnten ihm seine Spareinlage vollständig auszahlen. Allerdings müsse er vorher umziehen und sich auf ukrainischem Staatsgebiet beim Ministerium für Sozialpolitik melden, um dort den Status eines „vorübergehenden Umsiedlers" zu bekommen. Andrianow sah das nicht ein: „Das kommt für mich nicht in Frage. Ich lebe auf der Krim und habe nicht vor, an einen anderen Ort zu ziehen."

Andrei Sotow aus Simferopol hatte ein Konto mit einer Einlage von 5 000 US-Dollar (circa 3 600 Euro) bei einer ukrainischen Filiale der französischen Bank Credit Agricole. „Ich bin eine Woche vor dem Referendum bei der Bank gewesen", erzählt er. „Dort hieß es, ich solle mir keine Sorgen machen, die Filiale werde auch weiterbetrieben werden, wenn die Krim zu Russland gehört." Einen Monat später bekam er eine

SMS, in der man ihm ankündigte, dass die Bank auf der Krim geschlossen werde. Er konnte das Konto noch rechtzeitig auflösen und bekam auch sein Geld, allerdings zahlte man es ihm nicht in US-Dollar, sondern in der ukrainischen Hrywnja aus und das zu einem niedrigen Kurs und nur in kleinen Beträgen von weniger als 1 100 Euro täglich. Um an seine Einlage zu kommen, musste er eine Woche lang jeden Tag mehrere Stunden vor der Bank Schlange stehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der Krim nur noch diese einzige Filiale der Credit Agricole.

Oleg Skworzow belastete Ende Februar seine Kreditkarte der Priwatbank. Im März wollte er das Geld zurückzahlen, doch sämtliche Filialen seiner Bank auf der Krim waren geschlossen. Die Priwatbank indes berechnet für den Kredit weiterhin Gebühren. „Es sind schon über 300 Hrywnja (etwa 18 Euro) zusammengekommen", erzählt Skworzow. Niemand kann ihm sagen, ob er seine Gebühren erstattet bekommt. Es gebe zwar Gespräche mit Russland über entsprechende Regelungen, aber noch keine Einigung, teilte ihm eine Mitarbeiterin der Priwatbank mit.

 

Hoffnungen auf Entschädigung

Bis zum 6. Mai hielten einzelne Banken, hauptsächlich ukrainische Tochterunternehmen ausländischer Kreditinstitute, den Zahlungsverkehr notdürftig aufrecht, zum Beispiel die OTP Bank, eine ungarische Tochterbank. Doch die ausländischen Kreditinstitute ziehen sich mehr und mehr von der Krim zurück.

Auch Russland selbst hat ukrainische Banken auf der Krim geschlossen. Auf der Grundlage dieser Entscheidung sollte die russische Agentur für die Sicherung von Sparguthaben (ASW) sämtliche Verpflichtungen gegenüber den Kontoinhabern übernehmen. Für die Entschädigung von Verlusten bis 700 000 Rubel (etwa 14 000 Euro) ist auf der Krim der von der ASW

speziell eingerichtete Fonds für den Schutz von Gläubigern zuständig. Die Liste der Banken, deren Einleger die Dienste des Fonds in Anspruch nehmen, umfasst bislang ganze zehn Kreditinstitute, sie wird aber vermutlich länger werden. Über 75 000 Anträge sind bereits bei dem Fonds für Gläubigerschutz eingegangen, berichtet der erste Vizepremier der Regierung der Krim Rustam Temirgalijew. 6 500 Anträgen wurden stattgegeben und insgesamt eine Summe von insgesamt 880 Millionen Rubel (etwa 16 Millionen Euro) ausgezahlt.

Wer noch Bargeld braucht, sollte es am bislang wohl einzigen noch funktionierenden Geldautomaten versuchen. An diesem kann man auch mit russischen und sogar US-amerikanischen Kreditkarten Geld abheben. Er gehört einer Bank aus der Region Krasnodar, die direkt an die Krim angrenzt.

 

Die ungekürzte Vesion der Reportage erschien bei Kommersant-Dengi.  

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