Klage: Stoppt die WTO die Sanktionen gegen Russland?

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Russland plant, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union wegen der gegen russische Unternehmen verhängten Sanktionen bei der Welthandelsorganisation WTO zu verklagen. Der Fall wird wohl in einem komplizierten und langwierigen Verfahren verhandelt werden.

Russland plant, bei der Welthandelsorganisation (WTO) Klage gegen die USA, Kanada und die Europäische Union einzureichen. Dies erklärte Maxim Medwedkow, Abteilungsdirektor für Handelsgespräche beim russischen Ministerium für Wirtschaftsentwicklung, gegenüber RBTH. Die Klage richte sich gegen die Sanktionen, die von diesen Ländern infolge der Ukraine-Krise gegen Russland verhängt worden seien, und könne gegebenenfalls auf weitere Staaten ausgeweitet werden. Die USA, Kanada und die EU hatten Sanktionen gegen Personen, die dem näheren Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin angehören, sowie gegen eine Reihe russischer Unternehmen verhängt. Von den Sanktionen betroffen sind unter anderem die Bank Rossija, das große russische Eisenbahnlogistikunternehmen Transoil und der Mineralwasserproduzent Akwanika. Der Antrag auf Klage zur Aufhebung der Sanktionen befinde sich zurzeit zur Ansicht bei der WTO-Generalversammlung.

 

Ein kompliziertes Verfahren

Über eine Klage wird in einem Schiedsgerichtsverfahren entschieden, das strengen Formvorschriften unterliegt, erläutert Luzius Wasescha, Sondergesandter der Schweiz bei der WTO, der schon oft an Schiedsgerichtsverfahren beteiligt war. „Russland muss als ersten Schritt die Aufnahme formeller Konsultationen mit den Ländern, die Sanktionen eingeführt haben, beantragen", erklärt Wasescha. „Wenn bei den Gesprächen keine Einigung erzielt werden kann, wird ein sogenanntes Panel eingerichtet, ein Gremium, das in der Regel aus drei Experten besteht. Diese beurteilen, ob die strittigen Maßnahmen konform mit den Bestimmungen der WTO sind", führt Wasescha weiter aus. Gegen den Bericht des Panels könne noch einmal Berufung eingelegt werden. Der Panelbericht oder der Bericht des Berufungsgremiums wird dem Allgemeinen Rat der WTO vorgelegt, der ein abschließendes Urteil fällt. Dieses muss von der unterlegenen Partei umgehend umgesetzt werden. „Das Verfahren ist sehr langwierig", betont Wasescha.

Maxim Medwedkow zufolge soll die Klage unter anderem mit den Gewinneinbußen begründet werden, die die von den Sanktionen betroffenen russischen Unternehmen zu verzeichnen hätten. Dies ist nach Ansicht Waseschas auch der einzig mögliche Ansatz, da Sanktionen gegen Privatpersonen keine Relevanz vor einem WTO-Gremium hätten. Igor Setschin, Vorsitzender des russischen Energieunternehmens Rosneft, beispielsweise stehe auf der Sanktionsliste der USA, Rosneft als Unternehmen hingegen nicht, daher könne Setschin keine Einbußen geltend machen.

 

Häufig wird eine frühe Einigung erzielt

Laut Jorge Castro, Berater des Departements für Rechtsfragen der WTO, sind derzeit 160 Länder Mitglieder der WTO und 98 Prozent des gesamten Welthandels werden durch die Regeln der WTO bestimmt. „Wenn sich ein

Land der WTO angeschlossen hat, nimmt es die Verpflichtung auf sich, auf Handelsbeschränkungen gegenüber anderen Mitgliedsländern zu verzichten. Ein Hauptziel der Organisation ist es, positive Lösungen von Handelsstreitigkeiten zu finden. Hier gibt es keinen Platz für die Stellung theoretischer Fragen, das ist ein praktisches System, das die Balance des Markts sicherstellen soll", meint er.

Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob im Falle Russlands die politischen Interessen anderer Staaten den freien Handel beeinträchtigen. „Russland kann einen Präzedenzfall im Hinblick auf politisch motivierte Sanktionen schaffen", sagt Wasescha. Die Erfahrung der WTO bei Fällen mit politischem Hintergrund sei beschränkt. Bei einem vergleichbaren Konflikt in der Vergangenheit, nämlich dem zwischen den USA und Nicaragua, hätte die WTO zwar zugunsten Nicaraguas entschieden, doch wegen bürokratischer Schwierigkeiten innerhalb der Organisation sei diese Entscheidung nie konsequent umgesetzt worden.

Maxim Medwedkow weist darauf hin, dass die WTO-Mitglieder durchaus Sanktionen zum Beispiel im Falle eines Kriegs oder einer ernsthaften Verschärfung der internationalen Beziehungen einsetzen könnten. „In diesem Fall werden die Einschränkungen durch die Interessen der

nationalen Sicherheit bestimmt", sagt er. Jedoch waren die USA, die EU und Kanada im Frühling 2014, als sie die Sanktionen einführten, nicht im Krieg mit Russland und die Beziehungen hatten sich nicht so verschlechtert, als dass man sie mit Kriegshandlungen gleichsetzen könnte, so Medwedkow. Der Begriff der nationalen Sicherheit sei dabei nicht klar definiert, merkt Jorge Castro an. Es hätte in der Vergangenheit auch Länder gegeben, die Importbeschränkungen für Schuhe oder Pferde mit nationalen Sicherheitsinteressen begründet hätten.

Wasescha erklärt, dass bei der Mehrzahl der Schiedsgerichtsverfahren meist vorzeitig eine Einigung erzielt werden konnte. Von 481 Verfahren wurden 268 im Panel weiterverhandelt, in nur 18 Fällen musste der Allgemeine Rat die abschließende Entscheidung treffen. Gegenwärtig sind hauptsächlich die USA Klägerin und Angeklagte bei der Regelung von Handelsstreitigkeiten, gefolgt von der EU. Russland klagt gegenwärtig in zwei Fällen und ist in dreien angeklagt.

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