Die Zollunion wurde 2009 gegründet, zunächst zwischen Russland und Kasachstan, 2011 trat Belarus bei. Foto: Pawel Palamartschuk / RIA Nowosti
Ende Juni 2014 unterzeichnete die Ukraine den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union sowie weitreichende Freihandelsabkommen. Damit entfallen zukünftig Zölle auf Waren, die aus der Ukraine in die EU importiert werden. Die Ukraine ist ebenso wie Russland auch Mitglied der Freihandelszone der GUS. In Russland gab es daher Befürchtungen, dass über den Umweg Ukraine zollfrei billige europäische Waren ins Land fließen könnten. Die russische Regierung wollte daraufhin die Einfuhrzölle für ukrainische Waren erhöhen. Doch auf der Sitzung des Rats der Wirtschaftskommission wurde der Vorschlag abgelehnt.
Interessen der Mitgliedstaaten kollidieren häufig
Es ist nicht das erste Mal, dass die Interessen Russlands und seiner Partner in der Zollunion auseinandergehen. Im vergangenen Monat legte das russische Finanzministerium einen Beschlussentwurf vor, der vorsah, die Schwelle für zollfreie Sendungen bei Internetkäufen in ausländischen Online-Shops von 1 000 Euro und 31 Kilogramm pro Monat auf monatlich 150 Euro und zehn Kilogramm pro Sendung zu senken. Auf alle Lieferungen mit einem größeren Gewicht und Preis sollten Zölle von 30 Prozent erhoben werden.
Sollte sich dieser Beschluss durchsetzen, stehen bereits jetzt
Unternehmen, vorwiegend aus Kasachstan, in den Startlöchern, um die russischen Käufer zu unterstützen. Das kasachische Unternehmen Altyn-Express könnte zum Beispiel nach Angaben der russischen nationalen Wirtschaftszeitung „RBK-Daily“ als Vermittler bei der Zustellung von Sendungen nach Russland auftreten. Auf diese Weise kann die Beschränkung ganz legal umgangen werden. Im Moment leitet das Unternehmen bereits Warenlieferungen aus ausländischen Online-Shops nach Belarus, wo die Einfuhrgrenze schon jetzt bei 120 Euro liegt. Partner der Gesellschaft sind unter anderem die Online-Handelsriesen Amazon und eBay sowie Disney, Barnes & Noble und Apple.
Die Zollunion wurde 2009 gegründet, zunächst zwischen Russland und Kasachstan, 2011 trat Belarus bei. Binnenzölle und Handelsbeschränkungen entfielen, ein für alle gemeinsamer Außenzolltarif trat in Kraft. In der nächsten Zeit planen auch weitere Republiken der ehemaligen UdSSR, sich der Union anzuschließen, so etwa Armenien und Kirgisistan.
Alexandr Dorofejew, Generaldirektor des Beratungsunternehmens Arkaim, sieht die Gründung der Zollunion als Folge des Zerfalls der UdSSR und als Versuch, einen Platz im internationalen Warenverkehr zu finden. „Der Vorteil einer Zollunion liegt darin, dass innerhalb des gemeinsamen Marktes Waren aus den Mitgliedsländern günstiger angeboten werden können. Höhere Zölle für Waren außerhalb dieses Wirtschaftsraumes schützen die heimische Wirtschaft zusätzlich“, erklärt er.
Russland kann einen Sonderweg gehen
Russland hat nach der Ablehnung seiner Pläne zur Erhöhung der Einfuhrzölle für Waren aus der Ukraine zwar durch die Partner das Recht zugestanden bekommen, einseitig vorzugehen, doch das wäre ein Präzedenzfall. Maxim Kljagin, Analytiker bei Finam Management, sagte, dass die Regelungen der Zollunion durchaus genügend Spielraum für solche einseitigen Maßnahmen ließen, auch für die Einführung einseitiger Beschränkungen und die Re-Exportkontrolle. Weitere Abstimmungen zwischen den Zollunions-Staaten werden wohl folgen. „Dabei werden wohl alle Mitgliedsländer die für sich günstigsten Bedingungen durchsetzen wollen“, glaubt Kljagin.
Kasachstan hat möglicherweise gegen die russischen Pläne gestimmt, weil das Land gegenwärtig in Verhandlungen über einen Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) steht. Die Ukraine könnte den Beitritt Kasachstans blockieren.
Nach Aussage von Wasilij Ucharowskij, Experte für Makroökonomie von UFS IC, hat jedes Land unabhängig von der Mitgliedschaft in der Zollunion eigene Nationalinteressen, und diese stünden über den Interessen der Union. Das sei nicht ungewöhnlich und gebe es auch innerhalb der Europäischen Union. Als Beispiel führt der Experte die aktuelle Diskussion
um einen Baustopp der russischen Pipeline „South Stream“ an: „In den westeuropäischen Ländern werden heftige Debatten über die Sinnhaftigkeit einer solchen Entscheidung durch die Kommission geführt“, sagt Ucharowskij. Die Absage von Belarus und Kasachstan an die russischen Pläne sei ebenso wenig ein Grund für Pessimismus wie die Bereitschaft Kasachstans, als Transitland für europäische Warensendungen in die Russische Föderation zu funktionieren. Die Zollunion werde weiter Bestand haben.
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