Die erste Lieferung aus den USA in die EU könnte nach Angaben des Wall Street Journals bereits im August 2014 erfolgen. Foto: Alamy/Legion Media
Das US-Handelsministerium hat eine Reihe neuer Richtlinien ausgearbeitet, denen zufolge minimal verarbeitetes Rohöl, sogenanntes Ultraleichtöl, nicht mehr unter das seit 1973 geltende Exportverbot für amerikanisches Rohöl fällt. Vorerst haben die beiden US-Firmen Pioneer Natural Resources und Enterprise Product Partners die Erlaubnis bekommen, bis zu drei Millionen Barrel pro Tag ins Ausland zu verkaufen.
Für Experten kommt diese Wende in der amerikanischen Energiepolitik nicht überraschend. Mit dem Ultraleichtöl lassen sich auf dem inländischen Markt so gut wie keine Gewinne einfahren. Der derzeitige Verkaufspreis bewegt sich auf dem Niveau der Herstellungskosten.
Gefahr für russische Erdöllieferungen?
Die erste Lieferung aus den USA könnte nach Angaben des Wall Street Journals bereits im August 2014 erfolgen. „Zu Beginn wird der Umfang der Lieferungen aus den USA nicht allzu groß sein, langfristig aber wollen sie den Export auf bis zu drei Millionen Barrel pro Tag steigern“ sagt Iwan Kapitanow, stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für staatliche Wirtschaftsregulierung an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und den Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. Das wären 153,3 Millionen Tonnen pro Jahr, was in etwa dem jährlichen Volumen der Erdöllieferungen aus Russland nach Europa entspricht.
Glaubt man beim Consultingunternehmen Turner, Mason, Mason & Co. könnten im Jahr 2020 sogar bis zu neun Millionen Barrel der geförderten
Ölmenge zu Ultraleichtöl verarbeitet werden. Dazu müsste sich jedoch auch das Leistungsvermögen der Erdölraffinerien, die über die zur Verarbeitung notwendige Technik verfügen, entsprechend gesteigert werden. Zahlreiche Experten rechnen jedoch damit, dass die Kapazitäten der Raffinerien bei acht Millionen Barrel pro Tag ausgeschöpft sind.
„Auch wenn sich diese Prognose irgendwann einmal bewahrheiten wird, wird sich dies kaum auf die Weltmarktpreise auswirken“, glaubt Iwan Kapitanow. Seinen Worten nach wäre dies weder für die USA als Hauptabnehmer, noch für die Produzenten von großem Interesse. „Den Vereinigten Staaten bringen niedrigere Weltmarktpreise keinen Vorteil, weil dadurch die Projekte zur Förderung von Schieferöl unrentabel werden. Zudem würden niedrige Erdölpreise die Position Chinas und der Europäischen Union stärken, da diese sich im Wettbewerb mit den USA befinden“, erklärt er.
Auch schließen einige Analysten nicht aus, dass der Endpreis für Ultraleichtöl in Europa und Asien nicht wettbewerbsfähig sein könnte. „Wegen der für die Erteilung der Exporterlaubnis erforderlichen Verarbeitungsschritte liegen die Herstellungskosten deutlich über denen des normalen Erdöls. Rechnet man noch die Transportkosten hinzu, so wird es in Europa und Asien nicht konkurrenzfähig sein“, erläutert Alexej Koslow, Senior-Analyst der Investmentgesellschaft UFS.
Keine Konkurrenz für Russland
Die Experten gehen deshalb davon aus, dass die Vereinigten Staaten in Bezug auf den Erdölexport in absehbarer Zeit nicht mit Russland gleichziehen werden. Schon gar nicht werden sie Russland vom europäischen Markt verdrängen können. „Allerdings werden die USA auf dem Erdölweltmarkt eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Deshalb sollte Russland die Situation stets im Auge behalten und Präventivmaßnahmen ergreifen“, erklärte Alexander Passetschnik, Chef der Analyseabteilung des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit.
Russland hat den Rohöl-Export in die Europäische Union bereits leicht
gedrosselt und steigert stattdessen das Liefervolumen von veredelten Erdölprodukten. Das Rohöl wird nach China verkauft. Bereits im vergangenen Jahr sank der Export russischen Erdöls in die Länder außerhalb der GUS um 2,2 Prozent auf 207 Millionen Tonnen. Nach Europa wurden dabei sechs Prozent weniger Erdöl geliefert, insgesamt nur noch 164 Millionen Tonnen.Der Export von russischem Erdöl in Richtung Osten, über die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline und den Hafen Kosmino, nahm hingegen um nahezu 17 Prozent zu und erreichte einen Umfang von 43 Millionen Tonnen. „Russland baut gegenwärtig aktiv die Zusammenarbeit mit China und Indien als zukünftige Absatzmärkte aus“, sagt Alexej Koslow von UFS IC. Diese schnell wachsenden Volkswirtschaften bieten für den russischen Erdölmarkt größte Chancen.
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