2013 bekam die größte russische Erdölunternehmen Rosneft einen Kredit von China in Höhe von 11,1 Milliarden Euro. Foto: Grigori Sysojew/RIA Novosti
Nach Angaben der Agentur Bloomberg haben russische Erdöl- und Erdgasunternehmen im ersten Halbjahr 2014 bei westlichen Banken Kredite in Höhe von 2,6 Milliarden Euro aufgenommen – das sind 82 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Das Unternehmen spricht von einem absoluten Tiefstwert der Kreditaufnahme für die letzten fünf Jahre. Im Vergleich dazu sei das Kreditvolumen für den Rohstoffsektor im gleichen Zeitraum lediglich um zwei Prozentpunkte auf 254 Milliarden Euro zurückgegangen, und das Zeichnungsvolumen für Obligationen einheimischer Unternehmen auf den internationalen Märkten von 11,7 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro gesunken. Wie man bei Bloomberg dazu bemerkte, stehe dieser Rekordrückgang bei der Kreditvergabe mit der möglichen Verabschiedung neuer Sanktionen vonseiten der USA und der Europäischen Union wegen der Situation in der Ukraine im Zusammenhang. Unter anderem seien russischen Unternehmen Kredite verweigert worden. So hat zum Beispiel das Unternehmen Sibur im April 2014 einen Konsortialkredit in Höhe von 750 Millionen Euro nicht ausgezahlt bekommen und Lukoil schob den Verkauf von Obligationen in einem Umfang von 1,1 Milliarden Euro auf.
„Der Rückgang der Kreditaufnahmen durch russische Erdöl- und Erdgas-Unternehmen im ersten Halbjahr hat eine Reihe von Gründen", sagt Chef-Analytiker von UFS IC Alexej Koslow, der weiter ausführt: „Einer von ihnen könnte der Rückgang des Kreditbedarfs sein, da die Zahl neuer Projekte aufgrund des schwachen Wachstums der Weltwirtschaft sehr stark zurückgegangen ist." Als Beispiel führt er die im Vorjahr gescheiterte Übernahme des Unternehmens TNK-BP durch Rosneft mithilfe internationaler Anleihen an. Im laufenden Jahr seien solch großangelegte Geschäfte gar nicht erst vereinbart worden, erklärt der Experte. Das Unternehmen habe unter anderem aus diesem Grund 12,4 Milliarden Euro bei einem Konsortium ausländischer Banken aufgenommen. „Vor dem Hintergrund der zunehmenden geopolitischen Risiken muss gleichzeitig auch die Abhängigkeit einer der bedeutendsten russischen Industriezweige vom Einfluss ausländischen Kapitals verringert werden", ergänzt Koslow.
Investoren aus China und dem Persischen Golf
„Die Herkunft der Kreditgeber wird von der aktuellen Geopolitik diktiert", sagt Alexej Koslow und führt aus: „Gegenwärtig verringern die russischen Unternehmen ihre Abhängigkeit von jenen Ländern, die sich im Einflussbereich der USA befinden. Deshalb kann man sich leicht vorstellen, in welchen Regionen der Welt die neuen Kapitalmärkte für die russischen Unternehmen zu finden sind." Der Analytiker von Investcafé Grigorij Birg konkretisiert: „Man kann davon ausgehen, dass in dem Maße, wie Russland seine Absatzmärkte diversifiziert und das Handelsvolumen seiner Erdöl- und Erdgaslieferungen in die Länder der asiatisch-pazifischen Region vergrößert, ein gewisser Anteil der Finanzierung von Banken aus eben dieser Region kommen wird." Doch Birg glaubt, dass für die russischen Erdöl- und Erdgasunternehmen für eine langfristige Finanzierung auch weiterhin die europäischen und US-amerikanischen Banken und Investoren die wichtigsten Quellen bleiben werden.
So bekamen Rosneft 2013 von China im Austausch für langfristige Erdöllieferungen einen Kredit in Höhe von 11,1 Milliarden Euro und
Transneft einen Kredit in Höhe von 7,4 Milliarden Euro erteilt. Dabei sind die chinesischen Kredite für die russischen Unternehmen nicht einmal teurer als die westlichen. Der chinesische Kredit für Rosneft wurde mit einem jährlichen Zinssatz von 2,645 Prozent gewährt. Im Vergleich dazu muss Rosneft für den Kredit zum Kauf von TNK-BP von internationalen Banken nach eigenen Angaben einen Jahreszins von ungefähr drei Prozent zahlen. Anfang Juli 2014 wurde zudem bekannt, dass die Polyus Gold International Ltd., das größte russische Goldförderunternehmen, Verhandlungen mit chinesischen Unternehmen zur Aufnahme eines Kredites führt. Einzelheiten des Geschäfts sind noch nicht veröffentlicht worden.
An der Finanzierung russischer Unternehmen beteiligen sich auch arabische Investoren: Aufgrund ihrer spezifischen Situation ziehen diese es jedoch vor, mithilfe internationaler Fonds zu agieren. So unterzeichnete zum Beispiel im Juni 2013 der souveräne Fonds der Vereinigten
Arabischen Emirate Mubadala ein Abkommen mit einem russischen Direktinvestitionsfonds über gemeinsame Investitionen in die russische Infrastruktur. Im Rahmen dieses Projekts soll ein gemeinsamer Investmentfond mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro gegründet werden.
Wie der Analytiker der Investmentholding Finam, Anton Soroko, anmerkt, könnten die westlichen Investoren allerdings auch wieder zurückkehren: Nach Beginn der Ukraine-Krise konnten einige der größten Finanzinstitute aus Russland – die Alpha-Bank, die Sberbank und die VTB-Gruppe, Euro-Obligationen ausgeben. „Dabei war das Volumen der Kreditaufnahme gar nicht so umwerfend. Im Zusammenhang mit anderen Faktoren können diese Anleihen jedoch ein Anzeichen dafür sein, dass die einheimische Geschäftswelt wieder dazu in der Lage ist, Geld im Ausland zu leihen", gibt der Experte sich optimistisch.
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