Russland drohen neue Sanktionen, die russischen Börsen gehen auf Talfahrt. Foto: Reuters
Der Absturz von Flug MH17 der Malaysia Airlines am 17. Juni hat Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. In der internationalen Staatengemeinschaft und in den internationalen Medien geht man mehrheitlich davon aus, dass die Maschine von einer durch die Volksmilizen in der Ostukraine abgefeuerten Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Russland wird, insbesondere von den USA und Europa, beschuldigt, den Aufständischen den entsprechenden Raketenwerfer geliefert und sie in der Bedienung des anspruchsvollen Waffensystems geschult zu haben. Der Westen droht Russland daher mit weiteren massiven Sanktionen. Das hat Investoren aufgeschreckt und die russischen Märkte negativ beeinflusst. „Die Investoren schätzen die Risiken möglicher neuer Sanktionen ab, die die ohnehin eher kritische wirtschaftliche Gesamtlage noch verschlechtern könnten", erklärt Timur Nigmatulin, Analyst bei der Unternehmensberatung Investcafé.
Negativrekorde an der Börse
Im Zeitraum 18. bis 21. Juli verloren die russischen Indizes MICEX und RTS im Schnitt sechs bis acht Prozent. Am vergangenen Montag, den 21. Juli, schloss die Moskauer Börse Micex unterhalb der psychologischen Marke von 1 400 Punkten – ein Negativrekord der vergangenen zwei Monate. Der RTX-Index verzeichnete bei Börsenschluss mit 1 349,79 Punkten ein kaum besseres Ergebnis und den niedrigsten Stand seit dem 13. Mai.
Analysten stellten dabei eine Gesetzmäßigkeit fest: „Als bekannt wurde, dass die USA neue Sanktionen gegen Russland verhängen wollen, verzeichneten vor allem die Aktienkurse der Energiekonzerne wie etwa
Rosneft und Novatek, beides Unternehmen auf der Sanktionsliste, Verluste", so Timur Nigmatulin. Nach dem Flugzeugunglück vom vergangenen Donnerstag wiederum hätten die an den amerikanischen und britischen Börsen gehandelten Aktien von Yandex, Qiwi und anderen russischen IT- und Medienkonzernen mit Kursverlusten von sechs bis 13 Prozent zu kämpfen, berichtet Nigmatulin weiter. „Yandex und Qiwi werden an der Nasdaq gehandelt, sie sind in hohem Maße kapitalisiert und hoch bewertet nach der Multiplikatormethode", sagt er. Mit Börsenschluss vom 21. Juli betrugen die Verluste von Yandex noch drei Prozent, die von Qiwi 6,5 Prozent.
Am 22. Juli ließ der Aktienmarkt Anzeichen einer Erholung erkennen. Zur Mitte des Handelstages (15:00 Uhr Moskauer Zeit) legte der MICEX-Index um 1,85 Prozent zu und kehrte so zu einem Stand von 1 400 Punkten zurück, der RTS-Index stieg um 2,66 Prozent. Nach Meinung von Experten hatte sich die Nachricht über die Übergabe der Flugdatenschreiber der verunglückten Boeing an eine Delegation der malaysischen Regierung positiv auf den Börsenstand ausgewirkt. Später wurde der Flugdatenschreiber an Großbritanien übergegeben. „Der Börsenhandel reagierte mit einer Stabilisierung. Innerhalb der ersten Stunden konnten die russischen Indizes die Talfahrt der vergangenen Tage wieder ausgleichen", erklärte ein Analyst der Investment Company UFS in einem Gespräch mit RBTH.
Auf den Rubel haben sich die Sanktionen bislang praktisch nicht ausgewirkt.
Das ist nach Einschätzung von Experten auf die konsequente strenge Geldpolitik der russischen Zentralbank, die hohen Ölpreise und die in dieser Woche begonnene Steuerperiode zurückzuführen, die die Unternehmen zum Rubelkauf für die Begleichung ihrer Steuerschuld zwingt.
Höhere Kosten für die Fluggesellschaften
Die Flugzeugkatastrophe in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf die Fluggesellschaften. Nach dem Absturz der Maschine der Malaysia Airlines wurde der Luftraum über Donezk, Lugansk und den angrenzenden ukrainischen Regionen für alle zivilen Flüge gesperrt. Das zwingt die Fluggesellschaften dazu, auf gegebenenfalls deutlich längere Alternativstrecken auszuweichen. Wie Brian Flynn, ein Vertreter der europäischen Organisation für Flugsicherheit Eurocontrol, erklärte, sind von dem Verbot mindestens 30 bis 40 russische und internationale Unternehmen betroffen. Ungefähr 350 Flugrouten müssen nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA Novosti nun täglich angepasst werden. Im Luftraum über Polen, Bulgarien und der Türkei werde sich dadurch das Flugaufkommen erhöhen.
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Auch die russischen Fluggesellschaften Aeroflot, Transaero und UTair meiden den ukrainischen Luftraum. Damit habe man dem „massiven Drängen der Fluggäste" nachgegeben, heißt es bei den Fluggesellschaften. Die durchschnittliche Flugzeit für Ziele außerhalb der Ukraine verlängere sich dadurch um durchschnittlich 20 bis 30 Minuten. Aeroflot fliegt vorerst auch Kiew und andere ukrainische Städte nicht mehr an.
Die Treibstoffkosten infolge der Sperrung des ostukrainischen Luftraums werden nach Schätzungen um etwa 750 Euro pro Strecke steigen. Es
kommen nach Berechnungen von Experten zudem erhöhte Ausgaben für das Bordpersonal und die Flugnavigation hinzu. Wie sich diese zusätzlichen Kosten der Fluggesellschaften auf den Ticketpreis auswirken werden, lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. „Die Ticketpreise dürften von dieser Situation nicht beeinflusst werden", glaubt Janis Dzenis von Aviasales, der größten Flug-Suchmaschine im russischen Internet. Zwar stelle die Entwicklung eine finanzielle Belastung für die Flugunternehmen dar, sie werden bei der gegenwärtigen Stimmungslage ihre Kosten aber kaum auf ihre Kunden abwälzen", so Dzenis. Die Schwankungen des Wechselkurses und des Aktienmarktes hingegen würden für den Endkunden eher spürbar werden.
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