Die Moskauer Stadtverwaltung plant ein unterirdisches Shoppingparadies. Foto: Lori/Legion Media
Die Unterführungen der Moskauer U-Bahn sind seit vielen Jahren ein beliebter Standort für Händler. Die Moskauer Stadtregierung und die Moskauer Metro wollen davon profitieren und haben neue Rahmenbedingungen für die unterirdischen Geschäfte ausgearbeitet.
Erstmals galten die neuen Bedingungen ab 2013, als die Verträge mit allen Mietern der Einzelhandelsplätze in den Unterführungen neu verhandelt wurden. Die Miete wurde dabei um das 11,6-fache erhöht. Dies führte dazu, dass die kleinen Einzelhändler verschwanden und nun internationale Marken, Händler und Franchise-Unternehmen ihre Plätze besetzen können. „Es gab dort einmal 1 300 Ladengeschäfte und Verkaufsstände, jetzt sind noch ungefähr 360 übrig. Doch wir werden ihre Anzahl wieder auf 700 erhöhen", erklärte Anfang Juli Pjotr Birjukow, Vize-Bürgermeister Moskaus und Leiter der Wirtschaftsabteilung der Stadt. Auch die Bedingungen der Platzvergabe haben sich geändert. Nun werden die Einzelhandelsflächen in den Unterführungen, auf denen man Verkaufsstände und Reklameschilder aufstellen darf, in offenen Auktionen vergeben.
Nach den Berechnungen von Experten ist der Handel in den Unterführungen sehr lukrativ. Der hohe Verkehrsfluss führt zu einem hohen Prozentsatz an Laufkundschaft. „Wenn man den Handel in den Unterführungen organisiert, kann die Stadt damit hohe Einnahmen erzielen. So wie ich es sehe, könnte es hier um mehrere Milliarden Rubeln im Jahr gehen", schätzt Oleg Ryschow, Generaldirektor des Immobilienkonzerns Ross Group.
Pawel Anisimow, stellvertretender Direktor der Immobilienabteilung des Konzerns S.A. Ricci, ergänzt, dass dabei die Höhe der Miete sehr stark von
der Lage innerhalb einer Unterführung abhänge und nicht zuletzt vom Standort der Unterführung selbst. Durchschnittlich lägen die Preise von renovierten Unterführungen im Stadtzentrum und an den Verkehrsknotenpunkten zwischen 1 100 und 7 400 Euro pro Quadratmeter im Jahr.
Diese Zahlen übersteigen die höchsten Mieten für Straßenhandel in guten oberirdischen Lagen um ein Vielfaches. Nach Angaben des Konzerns Jones Lang LaSalle liegt die mittlere Miete pro Quadratmeter im Zentrum Moskaus bei etwa 4 400 Euro im Jahr. Etwas abgelegen, hinter dem Sadowoe Kolzo, liegt sie noch bei etwa 740 Euro pro Quadratmeter jährlich. Für die hohen Mieten bietet die Stadt renovierte Unterführungen mit erneuerten Bodenbelägen, moderner Beleuchtung und Plasmabildschirmen. Zurzeit sind bereits 13 Objekte renoviert, darunter auch die Unterführungen direkt im Zentrum Moskaus an den Stationen Nowy Arbat und Twerskaja. „Der Wert der Einzelhandelsflächen dort ist sehr stark gestiegen", bestätigt Pawel Anisimow. Die Renovierung der Unterführungen wird voraussichtlich noch bis 2016 andauern.
Auchan und Metro machen den Anfang
Die ersten, die diese Neuerungen begrüßt haben, sind die Konzerne Auchan und Metro. Ihre russische Dependance Metro Cash & Carry will hier Fasol-Läden in den Unterführungen eröffnen. Dabei handelt es sich um ein Franchise-Projekt des Metro-Konzerns mit kleinen Läden und Kiosken. Auch Cafés wie Starbucks oder andere Ketten wie Prime könnte es dorthin ziehen. Wahrscheinlich werden auch günstige Bekleidungsketten dort Geschäfte eröffnen. In jedem Fall müssten mehrere tausend Passanten täglich die Unterführung benutzen, damit sich die stattliche Miete auch rechnet.
Die Stadtregierung würde gerne auch Unternehmen wie die Unterwäschemarke Intimissimi oder die Sandwich-Kette Subway dort sehen, doch diese zeigen sich zunächst zurückhaltend. „Wir warten die Erfahrungen der anderen Händler ab", heißt es bei Intimissimi. „In den Unterführungen kann man die Mietdauer nicht langfristig festlegen. Vertraglich ist nur ein Jahr minus einen Tag festgelegt, das ist für uns zu unsicher", erklärte eine Beraterin des Unternehmens.
Insgesamt hätte der Handel in den Unterführungen aber eine gute Perspektive, glauben Experten. „Natürlich werden die Unterführungen niemals ein Ort für richtiges Shopping sein, doch Minimärkte und kleine Läden, in denen man Souvenirs, Geschenke, Modeschmuck oder
Backwaren kaufen kann, Apotheken oder Reinigungen können dort gut existieren", sagt Pawel Anisimow. Schwierigkeiten sieht er für gastronomische Betriebe. „Nicht in jeder Unterführung gibt es die nötigen Voraussetzungen für die Strom- und Wasserversorgung sowie die Kanalisation", führt er aus.
Die Moskauer Metro plant, die Einnahmen aus dem Handel in den Unterführungen bis zum Jahr 2020 um mehr als das 14-Fache zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten etwa 90 Verkehrsknoten mit Einzelhandelsflächen ausgestattet werden. Wenn diese in ihrer Qualität mit den großen Handelszentren mithalten können, stehen die Zeichen für die Moskauer Metro auf Erfolg.
Nach Angaben der Moskauer Stadtregierung betrieben im Jahr 2013 in den Unterführungen insgesamt 101 Firmen Handel, die 1 320 Arbeitsplätze bereitstellten. Die Einnahmen der Stadt aus diesen Handelsplätzen betrugen pro Jahr 160 Millionen Rubel (3,4 Millionen Euro). Diese Summe sollte laut Berechnungen der obersten Kontrollbehörde der Stadt eigentlich zwei Milliarden Rubel (42 Millionen Euro) betragen.
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