Russland drohen verschärfte Sanktionen der EU

Experten warnen, dass Sanktionen gegen Russland der Weltwirtschaft schaden könnten.Foto: AP

Experten warnen, dass Sanktionen gegen Russland der Weltwirtschaft schaden könnten.Foto: AP

Die EU berät, wieder einmal, über die Ausweitung der Sanktionen gegen Russland. Unter anderem sind ein Ausschluss russischer Banken vom europäischen Finanzmarkt und Handelsbeschränkungen für Schlüsseltechnologien für den Energiesektor in der Diskussion. Für die globale Wirtschaft könnte das dramatische Folgen haben, warnen Experten.

Die Europäische Union plant weitere Wirtschaftssanktionen. Die Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten forderten am vergangenen Freitag die Europäische Kommission auf, sektorale Maßnahmen auszuarbeiten. Diese sollen vor allem auf den Zugang zum europäischen Finanzmarkt sowie den Bereich der Rüstungs- und Technologieindustrie abzielen. Wie die „Financial Times" berichtet, schlug die Kommission unter anderem vor, den Kauf von Aktien und Anleihen russischer Banken zu verbieten, an denen der russische Staat mehr als 50 Prozent hält. Zu einem konkreten Beschluss jedoch kam es am Donnerstag nicht. Nach Auskunft der Nachrichtenagentur Bloomberg könnte über die Sanktionen allerdings noch in dieser Woche Einigkeit erzielt werden.

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Cbonds hat die größte russische Bank, die Sberbank, in unterschiedlichen Währungen nominierte Euroobligationen im Wert von etwa zwölf Milliarden Euro emittiert, eine andere staatliche Großbank, die VTB, handelt mit Obligationen im Wert von 13,4 Milliarden Euro. Zu den in Brüssel unterbreiteten Vorschlägen zählte außerdem ein Exportverbot von Technologien für den Energiesektor, die für das Erkunden und Erschließen von Lagerstätten in schwer zugänglichen Regionen notwendig sind.

„Am wahrscheinlichsten sind die Ausweitung punktueller Sanktionen gegen hochrangige russische Beamte und Unternehmer, eine Einschränkung der militärisch-industriellen Zusammenarbeit sowie das Schließen von Finanzierungskanälen russischer Unternehmen und Banken in Europa", sagt Anton Soroko, Analyst bei der russischen Investmentgesellschaft Finam. Die in Brüssel derzeit favorisierte Beschränkung sei ein Exportverbot von Schlüsseltechnologien für den Energiesektor, bemerkt der Experte.

Der Analyst Wassili Ucharski von der Investmentgesellschaft UFS teilt diese Ansicht: „Was die russische Wirtschaft am stärksten treffen könnte, wären sektorale Sanktionen, wie sie bereits die USA verhängt haben", sagt er. Dabei seien in erster Linie der Finanz- und der Erdgassektor besonders verwundbar, zudem seien sie von zentraler Bedeutung für die russische Wirtschaft. Die Schließung europäischer Kapitalmärkte für russische Unternehmen würde diese empfindlich treffen, vor allem angesichts der bereits vonseiten der USA verhängten Sanktionen, warnt der Experte.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) reagierte bereits auf die drohende Verschärfung der Situation und lehnte eine Finanzierung neuer Projekte in Russland ab. „Im Jahr 2013 investierte die

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in russische Projekte rund 1,9 Milliarden Euro", sagt Wassili Ucharski. Für die Bank selbst sei ein Verzicht auf Investitionen in Russland indes nicht weniger bedeutend wie für die russische Seite, so der Experte weiter. Im laufenden Jahr seien 19 Prozent des gesamten Investitionsvolumens der EBWE in russischen Projekten gebunden gewesen. Zu den jüngsten Russlandprojekten der Bank zählen die Finanzierung von Lieferungen für Landbautechnik des Unternehmens John Deere sowie der Modernisierung von Systemen der Strom- und Wasserversorgung in einigen russischen Regionen.

 

Worst Case Weltwirtschaftskrise

Wie eine in der russischen Wirtschaftszeitung „RBC-Daily" veröffentlichte Studie der britischen Unternehmensberatung Oxford Economics zeigt, träfen sektorale Sanktionen nicht nur die russische Wirtschaft. Auch die Weltwirtschaft würde Schaden nehmen. So weisen die Autoren der Studie darauf hin, dass eine Verhängung der schärfsten Sanktionen gegen Russland, unter anderem des Embargos für Öl- und Gaslieferungen, die Ölpreise auf über 200 US-Dollar je Barrel in die Höhe treiben würde. Dieses Szenario ließe das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone infolge eines Defizits an Energieträgern bis Anfang 2015 um 3,5 Prozent, in den USA um drei Prozent und in Japan um 2,4 Prozent sinken, in Russland wäre sogar mit einem Rückgang von bis zu zehn Prozent zu rechnen. Zum Vergleich: Während der globalen Finanzkrise 2009 ging das russische BIP um 7,8 Prozent zurück.

Um die Erdölpreise auf 200 US-Dollar je Barrel ansteigen zu lassen, müsste Russland seine Öllieferungen auf den europäischen Markt jedoch ganz einstellen, bemerkt Jegor Dwinjanin, Analyst bei der Wirtschaftsprüfungs- und Consultinggruppe Gradient Alfa. „Eine solche Entwicklung ist kurz- und mittelfristig sehr unwahrscheinlich. Die Ukraine-Krise wird die Preise wohl

kaum so in die Höhe klettern lassen. Das sind eher theoretische Einschätzungen der Analysten von Oxford Economics, die auf die hohe Abhängigkeit der entwickelten Länder von Russland hinweisen wollen", sagt der Experte. Sanktionen mit solchen Folgen müssten nicht nur hart, sondern außerordentlich drastisch sein. „Die Wahrscheinlichkeit eines Lieferembargos für Energieträger aus Russland in den Westen geht gegen Null", stimmt Anton Soroko zu. „Eine solche Sanktion könnte Länder wie Bulgarien, Tschechien oder die Slowakei, die derzeit sehr abhängig sind von russischem Gas, in eine tiefe wirtschaftliche Krise stürzen", führt er weiter aus. Der Lieferausfall ließe sich nicht schnell kompensieren. Verlierer wären somit nicht nur die russische Wirtschaft, sondern auch die europäische. Zudem zöge ein solches Embargo einen steilen Anstieg der Ölpreise nach sich, der für die Industrienationen, in erster Linie für die USA und Deutschland, äußerst ungünstige Folgen hätte, so der Experte.

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