Die neuen Sanktionen der USA zielen auf den russischen Finanz- und Rüstungssektor. Foto: AP
In der Nacht vom 29. auf den 30. Juli gaben die USA die Einführung neuer, dieses Mal sektoraler Sanktionen gegen Russland bekannt. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama begründete diese Entscheidung damit, dass Russland trotz aller Aufrufe und Warnungen seine Politik gegenüber der Ukraine nicht verändert habe und weiterhin die Aufständischen im Osten des Landes unterstütze. Laut der offiziellen Mitteilung des US-Finanzministeriums betreffen die Sanktionen den Finanz- und Rüstungssektor.
Die Sanktionen erstrecken sich auf drei große russische Banken mit staatlicher Beteiligung: VTB (60,9 Prozent staatliche Beteiligung), Bank Moskwy (95,52 Prozent der Aktien im VTB-Besitz) und Rosselchosbank (zu 100 Prozent in staatlichem Besitz). Von nun an ist es US-amerikanischen Bürgern und Gesellschaften untersagt, diesen Banken und den mit ihnen verbundenen Personen Kredite für eine Laufzeit von über 90 Tagen zu gewähren. Alle übrigen Operationen mit den benannten Banken bleiben ohne Einschränkung. Zudem wurden Beschränkungen in Bezug auf die Vereinte Schiffsbaugesellschaft eingeführt.
Sanktionen sind ein Warnschuss
Die Beschränkungen gegen die Banken zielen auf ihre Finanzierung ab. Das heißt, dass sie sich in der nächsten Zeit auf dem westlichen Markt nicht werden refinanzieren können. Dabei geht es vor allem um den europäischen Markt. Denn russische Banken, so erklärten Experten gegenüber RBTH, haben auf dem amerikanischen Markt nur Kredite über geringfügige Summen aufgenommen. Hauptsächlich läuft die Anlockung von Krediten bei amerikanischen Investoren über den Eurobonds-Markt. Bei der Bank VTB stellen nur 5,2 Prozent ihrer Gesamtschuldenlast von 9,5 Milliarden Euro Eurobonds. Bei der Rosselchosbank fällt dieser Anteil bereits höher aus: 20 bis 22 Prozent der Gesamtschulden von 6,4 Milliarden Euro sind Eurobonds. Die Refinanzierung dieser Schulden auf Kosten von neuen Krediten auf dem westlichen Markt wird nun für diese Banken unmöglich werden. Doch Experten glauben nicht, dass sich dies auf die Arbeit der russischen Kreditgesellschaften negativ auswirken werde. Sie gehen davon aus, dass die Banken teilweise eine Refinanzierung auf dem Binnenmarkt erhalten können. Die russische Zentralbank hat bereits ihre Bereitschaft geäußert, notfalls die betroffenen Banken zu unterstützen.
Die aktuellen Sanktionen fielen noch relativ sanft aus, meinen Experten. Eine Schuldenfinanzierung sowie Gewinnung von Kapitalmitteln könne man auch aus anderen Währungen und Ländern heranziehen, unter anderem
auch aus dem Nahen Osten und aus Asien, dort speziell China. „Die staatlichen Banken werden in der Zeitspanne von 2015 bis 2017 eine Refinanzierung von insgesamt elf Milliarden Euro benötigen", sagt Alexandr Abramow, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für die Analyse des Finanzsystems an der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Das ist eine ernstzunehmende Summe, doch sie ist nicht mit der Größenordnung der Geschäftspraxis der Banken vergleichbar. Und diese Summe wird man auch teilweise durch interne Kredite und andere Quellen kompensieren können", wiegelt der Experte ab und fügt hinzu: „Diese Sanktionen werden noch nicht vollumfänglich für den gesamten Finanzsektor eingesetzt, sie sind eher eine Warnung."
Vergleicht man jedoch die lokale Auswirkung der Sanktionen für die Banken, so sieht es für die Rosselchosbank am schlechtesten aus. Im Gegensatz zur VTB ist deren Geschäft nicht so diversifiziert, zudem vergibt die Bank Kredite in relativ riskanten Bereichen, beispielsweise an die Landwirtschaft sowie an kleine und mittelständische Betriebe. Global werde die Bank zwar keine Probleme bekommen, glaubt Alexandr Abramow, doch sie könnte sich an die Zentralbank für Unterstützung wenden. Abramow nimmt an, dass die Rosselchosbank dort 750 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro jährlich erhalten könnte.
Indes haben die Banken selbst auf die Nachricht aus den USA reagiert. Alle meldeten, die Sanktionen würden ihre Arbeit nicht beeinflussen. In der offiziellen Meldung der Bank Moskwy beispielsweise heißt es, das Geschäft der Bank sei auf den Binnenmarkt orientiert. Die externe Finanzierung sei unerheblich und überschreite keine zwei Prozent der Währungsbalance der Bank.
Sanktionen zielen auch auf Rüstungsindustrie
Die neuen Sanktionen betreffen auch die Vereinte Schiffsbaugesellschaft, eine staatliche Gesellschaft, die 80 Prozent aller Schiffsbauprojekte in
Russland ausführt, einschließlich militärischer Projekte. Dem US-Finanzministerium zufolge sollen im Rahmen der Sanktionen alle Aktiva dieser Organisation in den USA eingefroren werden. Gleichzeitig sind privaten und juristischen Personen der USA Geschäfte mit ihr untersagt. Ein Sprecher der Vereinten Schiffsbaugesellschaft sagte gegenüber RBTH, die Gesellschaft besitze gar keine Aktiva in den USA. Wie Wadim Kosljun, Experte für Waffenhandel des PIR-Zentrums, erklärt, sei die russische Rüstungsindustrie immer abgesondert gewesen und es sei nicht im Interesse des Unternehmens, seine Daten nicht offen zu legen. „Das ist immer schlecht, denn fehlende Transparenz erschwert den Erwerb von Technologien und Baustoffen. Für die Entwicklung der heimischen Rüstungsindustrie sind interne Ressourcen nicht genug", so der Experte.
Was eine weitere große russische Bank betrifft, die Sberbank (50 Prozent im Besitz der Zentralbank), so meldeten Medien, dass gegen sie ebenfalls Sanktionen vorbereitet würden. Doch dies hat sich nicht bestätigt. Experten erklärten gegenüber RBTH, dass die Sberbank noch lange unangetastet bleiben würde.
„Alle Beschränkungen und Verbote in Bezug auf diese Kreditgesellschaft würden de facto Sanktionen gegen 75 Millionen Menschen bedeuten, die aktive Kunden der Bank sind", kommentierte Alexandr Abramow. „Das heißt, eine solche Sanktion würde sich nicht nur gegen die Finanzstruktur, sondern direkt gegen die Bevölkerung richten. Aus diesem Grund werden die Amerikaner und Europäer noch lange Zeit von Sanktionen gegenüber der Sberbank absehen", glaubt der Experte.
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