Von Exawatt-Laser bis künstlicher Erdölsynthese: Russische Forscher lösen Rätsel dieser Welt

Der IC-100 Teilchenbeschleuniger im Fljorow-Labor des Kernforschungszentrums in Dubna. Foto: RIA Novosti

Der IC-100 Teilchenbeschleuniger im Fljorow-Labor des Kernforschungszentrums in Dubna. Foto: RIA Novosti

Seit Anfang Juli steht es fest: Laut Angaben des Medienkonzerns Thomson Reuters zählen acht Russen zu den einflussreichsten Wissenschaftlern des Jahres 2014. Dennoch ist über die Errungenschaften russischer Wissenschaftler seit Zerfall der Sowjetunion nur wenig bekannt. RBTH stellt die bedeutendsten Entdeckungen russischer Forscher der vergangenen 20 Jahre vor.

Unendliche Energie durch superschwere Elemente

Eines der vielen Forschungsfelder für russische Wissenschaftler nach dem Zerfall der Sowjetunion war die Physik, insbesondere die Erforschung von schweren Elementen im Periodensystem. Von 2000 bis 2010 widmeten sich Physiker im Fljorow-Labor des Kernforschungszentrums in Dubna nahe Moskau erstmals der Synthese von sechs schweren Elementen, die im Periodensystem die Ordnungszahlen 113 bis 118 haben, beziehungsweise haben sollen. Denn zwei der sechs schweren Elemente wurden bereits von der Internationalen Union für reine und angewandte Chemie (IUPAC) anerkannt und unter den Namen Flerovium (114) und Livermorium (116) in das Periodensystem aufgenommen. Für die anderen vier Elemente (113, 115, 117 und 118) wurde bereits ein Antrag über ihre Entdeckung bei der IUPAC eingereicht, welcher derzeit von der Organisation überprüft wird.

„Im Grunde genommen geht es nicht nur darum, alle Lücken im Periodensystem zu füllen, sondern neue Formen von Materie zu erschaffen, deren Eigenschaften jener Stoffe, die in der Natur vorkommen, übersteigen", erklärt Sergej Dmitriew, Direktor des Labors für Kernreaktionen des Kernforschungszentrums in Dubna. Seiner Ansicht nach werden sich der Menschheit völlig neue Perspektiven eröffnen, wenn eine Synthese von schweren Elementen mit einer bestimmten Qualität durchgeführt wird. So könnte es beispielsweise stabile und gleichzeitig leichte Raumanzüge geben, erzählt der Wissenschaftler, gasförmige Computerbildschirme, Batterien und Treibstoffe mit unbegrenzter Leistung und Kapazität, Motoren aus Antimaterie und vieles mehr.

 

Der Exawatt-Laser

2006 wurde im Institut für angewandte Physik der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nischni Nowgorod die PEARL-Anlage (PEtawatt pARametric Laser) gebaut. Die Anlage ist imstande, den stärksten Lichtstrahl der Welt zu erzeugen. Die Konstruktion des Lasers basiert auf der parametrischen Verstärkung von Licht durch nichtlineare optische Kristalle, wodurch ein Impuls erzeugt wird, der eine Stärke von 0,56 Petawatt hat. Dieser Impuls ist hundert Mal stärker als die Kapazität aller existierenden Elektrizitätswerke.

Derzeit arbeitet man am Institut für angewandte Physik jedoch bereits an einem neuen Projekt, bei dem versucht wird, die Kapazität von PEARL auf zehn Petawatt zu erhöhen. Zudem soll das Projekt XCELS gestartet werden, im Zuge dessen ein Laser mit einer Kapazität von 200 Petawatt

und später sogar mit einem Exawatt gebaut werden sollen.

Laut Efim Chasanow, promovierter Physiker und Mathematiker sowie Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, ermöglichen es solche Laser, die fundamentalen Gesetze des Universums sowie extreme physikalische Prozesse zu erforschen. „Das elektrische Feld im Lichtimpuls ist um einiges stärker als jenes Feld, das ein Elektron an den Atomkern bindet. Die Strahlungsintensität kann sogar jene Stärke erreichen, bei der in einem Vakuum Materie und Antimaterie erzeugt wird", so der Forscher.

Der Exawatt-Laser wird aufgrund seiner derzeitigen Leistung vorwiegend zu Forschungszwecken verwendet. Sollte es jedoch gelingen, seine Leistungsfähigkeit wie geplant zu erhöhen, würde sich das Einsatzspektrum der Hochleistungsanlage laut Chasanow stark erweitern. „Man könnte ihn beispielsweise zur Behandlung von Krebserkrankungen einsetzen, wobei die Therapie mithilfe des Lasers nicht nur um vieles günstiger, sondern vor allem weniger gesundheitsschädlich wäre als mit Röntgenstrahlen. Zudem kann der Einsatz des Hochleistungslasers neue Perspektiven in der Schaffung von optischen Informationstechnologien mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von einem Terrabyte pro Sekunde sowie in der Entwicklung von Quantencomputern eröffnen", meint der Forscher.

 

Hochleistungsmagnetfelder lösen die Mobilitätsfrage

Anfang der 1990er-Jahre erarbeiteten Physiker am Russischen Nuklearzentrum in Sarow unter der Leitung von Aleksandr Pawlowskij eine Methode, um Magnetfelder mit einer Rekordstärke zu erzeugen. Mithilfe von explosiv betriebenen Magnetkumulationsgeneratoren, in denen eine Druckwelle ein Magnetfeld „zusammenpresst", gelang es den Wissenschaftlern, ein Magnetfeld im Ausmaß von 28 Megagauss zu

erzeugen. Diese Größe stellt für künstlich geschaffene Magnetfelder einen absoluten Rekord dar, übersteigt die Kraft des Feldes doch jene des Magnetfeldes der Erde um das Millionenfache. Mithilfe dieser extrem starken Magnetfelder kann man das Verhalten von Materie, vor allem aber von Supraleitern, unter extremen Bedingungen, erforschen.

„Mittels supraleitenden Magnetsystemen werden modernste Teilchenbeschleuniger gebaut. Die extrem starken Magnetfelder werden dabei bei der Erzeugung von gesteuerten Kernfusionen benötigt", erklärt Wladimir Pudalow, promovierter Physiker und Mathematiker am Institut für Physik der Akademie der Wissenschaften. Seiner Ansicht nach kann mittels Hochleistungsmagneten das Verhalten von Supraleitern kontrolliert werden, was bedeutet, dass in Zukunft Kabel elektrische Energie über weite Distanzen ohne Verluste übertragen sowie Hochleistungsakkumulatoren Energie auf unbegrenzte Dauer speichern können. Extrem starke Magnetfelder werden zudem in der Konstruktion von modernsten Transportmitteln, die auf einer Art Magnetkissen schweben, im Bau von Magnetlagern und in Zukunft in der Erzeugung von einer Vielzahl an Schwebetechnologien benötigt.

 

Millennium-Probleme der Mathematik

Grirogij Perelman. Foto: ITAR-TASS

2002 gelang es dem russischen Mathematiker Grigorij Perelman, die Poincaré-Vermutung zu lösen – eines der sieben Millennium-Probleme aus der vom Clay Mathematics Institute in Cambridge erstellten Liste ungelöster Probleme in der Mathematik. Die Annahme wurde bereits 1904 verfasst. Sie behauptet, dass ein dreidimensionales Objekt ohne Loch topologisch äquivalent mit einem Kreis ist. Grigori Perelman gelang es, diese Hypothese zu beweisen, doch trotz dieser herausragenden wissenschaftlichen Leistung setzte der Medienruhm für den Forscher erst ein, als er das ihm zustehende Preisgeld von einer Million US-Dollar des Clay Mathematics Institute ablehnte.

Die Lösung dieser mathematischen Probleme ist nicht einfach nur eine intellektuelle Übung: Ihre Auflösung ist von außerordentlicher Bedeutung für die Praxis der modernen Wissenschaft und Technik – insbesondere die Navier-Stakes-Gleichung, welche die Strömung von newtonschen Flüssigkeiten und Gasen beschreibt, weshalb sie auch in die Liste der schwierigsten mathematischen Probleme aufgenommen wurde. Die Lösung des ersten dieser sieben Probleme gebührt dabei einem Russen.

 

Unerschöpfliche Ressourcen an Erdöl und Erdgas

In den Medien werden wir von Umweltforschern regelmäßig darüber aufgeklärt, dass die Erdöl- und Erdgasvorkommen in etwa 50 bis 100 Jahren erschöpft sein werden. Dies führe dann zu einem Zusammenbruch der modernen Zivilisation. Russische Wissenschaftler an der Gubkin-Universität für Erdöl und Gas konnten nun beweisen, dass dem nicht so ist.

Durch Experimente und Berechnungen fanden die Forscher den Beweis dafür, dass Erdöl und Erdgas nicht nur durch die Umwandlung von

Biomasse entstehen können, wie die allgemeine Theorie besagt, sondern auch auf abiogene, also nichtbiologische Weise. Die Wissenschaftler haben nämlich festgestellt, dass im oberen Erdmantel, genauer in einer Tiefe von 100 bis 150 Kilometern, Bedingungen vorherrschen, unter denen eine Synthese von komplexen Kohlenwasserstoffen möglich ist.

„Diese Erkenntnis ermöglicht es zumindest, Erdgas als eine erneuerbare und unerschöpfliche Energiequelle anzusehen", erklärt Wladimir Kutscherow, Professor an der Gubkin-Universität. „Die russische Wirtschaft hängt wie auch die Weltwirtschaft zu einem großen Teil von den Kosten für Energieträger ab. Dabei wird die Förderung von Erdöl in Russland in großem Maße von den vorherrschenden klimatischen Bedingungen erschwert, was die Förderkosten stark in die Höhe treibt. Die künstliche Synthese von Erdöl könnte so in Zukunft eine Vielzahl an wirtschaftlichen und auch ökologischen Problemen lösen", erklärt der Wissenschaftler abschließend.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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