Durch ein neuen Monitoring-System soll die Inflationsrate beobachtet werden. Foto: ITAR-TASS
Der russische Premierminister Dmitri Medwedjew hat die Regierung am 12. August beauftragt, ein Monitoring-System für den Lebensmittelmarkt in Russland zu entwickeln. Das geschieht vor dem Hintergrund des Importstopps von Agrarerzeugnissen aus der EU, den USA, Norwegen und anderen Ländern, die ihrerseits Sanktionen gegen Russland eingeführt haben. Außer den zuständigen Behörden wie dem Ministerium für Landwirtschaft, dem Ministerium für Industrie und dem Föderalen Zolldienst der Russischen Föderation sollen an dem Monitoring auch die Herstellerverbände und Handelsketten mitarbeiten.
Auf der Liste für das Monitoring stehen insgesamt 40 Warenkategorien, deren Einzelhandelspreise von den Beamten beobachtet werden. Dazu gehören zum Beispiel Weizenmehl, Buchweizen, Nudeln, Sonnenblumenöl, Zucker, Salz, Tee, Wasser, Rindfleisch, Schweinefleisch und Fisch. Laut der russischen Zeitung „Kommersant" hat einer der größten russischen Einzelhändler, die X5 Retail Group, den zuständigen Behörden bereits mitgeteilt, dass die Lieferantenpreise für Garnelen und Lachs um 20 bis 30 Prozent gestiegen seien.
Maxim Kljagin, Analyst der Investmentgesellschaft Finam Management, rechnet dennoch nicht mit langfristigen Folgen für den russischen Markt. Die Importbeschränkungen könnten seiner Ansicht nach kurzfristig durch eine Ausweitung der Produktion im Inland und alternative Einkäufe ausgeglichen werden.
Die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS berichtete, dass der russische Landwirtschaftsminister Nikolai Fjodorow am 12. August darauf hingewiesen habe, dass gegen Hersteller, die die Lebensmittelpreise unangemessen erhöhen, administrative und strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden könnten. So will die Behörde einen Preisanstieg durch Spekulationsgeschäfte verhindern. Die Regierung kann per Gesetz den Preis für bestimmte Lebensmittel in einer Region für einen Zeitraum von drei Monaten festlegen, wenn die Preise im Laufe von 30 Tagen um mehr als 30 Prozent gestiegen sind.
Inflationsrisiko steigt
Ungeachtet der von der Regierung eingeleiteten Maßnahmen könnte das Embargo zu einem Anstieg der Inflationsrate führen. „Die Inflationsrate könnte um etwa einen Prozentpunkt ansteigen und Ende 2014 ungefähr sieben Prozent erreichen", schätzt Roman Gritschenko, Analyst von Interfax.
Pawel Simonenko, Verkaufsdirektor der Dukascopy Bank SA in den GUS-Staaten, erwartet hingegen keine rasante Inflation. „Im besten Fall könnte die Inflationsrate um 0,1 bis 0,2 Prozent ansteigen, im schlimmsten Fall um
0,5 bis 0,6 Prozent", sagt Simonenko. Denn die importierten Waren hätten zwar einen Wert von etwa 7,5 Milliarden Euro jährlich, doch es sei nicht allzu schwierig, sie durch russische Produkte oder Importware aus anderen Ländern zu ersetzen, ist Simonenko überzeugt. Zudem hätten die Lieferanten noch Vorräte gelagert, die für mindestens einen Monat ausreichen würden. Wenn die Regierung nun die richtigen Maßnahmen ergreife, sei das ausreichend Zeit, neue Importeure zu finden, die Lieferungen zu organisieren und die eigene Produktion neu zu strukturieren, so Simonenko. Er teilt allerdings die Befürchtungen der russischen Regierung, dass sich für eine Übergangszeit von ein bis zwei Monaten Spekulationsgeschäfte negativ auf die Preise auswirken könnten.
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Dagegen geht Maxim Kljagin von einem Anstieg der Inflationsrate von einem bis anderthalb Prozent aus. Höhere Preise seien wahrscheinlich, jedoch nicht als Folge des eingeschränkten Warenangebots. „Die Importe, die unter das Verbot fallen, können problemlos durch Lieferungen aus
anderen Ländern ersetzt werden" ist auch Kljagin zuversichtlich. Die Kosten entstünden vielmehr durch eine notwendige Umstrukturierung und den Neuaufbau der Logistik". Wenig optimistisch schätzen auch Analysten von Raiffeisen Research die Folgen des Embargos ein. Nach ihren Berechnungen könnte die Inflationsrate Russlands um bis zu drei Prozentpunkte auf 7,5 Prozent ansteigen. Vom Embargo seien 25 Prozent des gesamten russischen Lebensmittelimports betroffen.
Im russischen Wirtschaftsministerium bleibt man dagegen gelassen. Eine Korrektur der Inflationsprognose gibt es nicht, sie bleibt bei sechs Prozent.
Die Gewinner des Embargos stehen für Maxim Kljagin schon jetzt fest: „Am meisten profitieren werden die Außenhandelspartner aus der Zollunion und den GUS-Staaten, die Länder des Nahen Ostens sowie Lateinamerikas und des Pazifikraums".
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