Wird das Kremldach bald vergoldet?

„Die Struktur der Währungsreserven verändert sich und Russland reduziert die Anteile von US-Staatsanleihen sowie von US-Dollar und Euro“, sagen Experten. Foto: Getty Images/Fotobank

„Die Struktur der Währungsreserven verändert sich und Russland reduziert die Anteile von US-Staatsanleihen sowie von US-Dollar und Euro“, sagen Experten. Foto: Getty Images/Fotobank

54 Tonnen Gold erwarb Russland im ersten Halbjahr 2014 – mehr als jedes andere Land auf der Welt. Damit liegt Russland auf Platz sechs der Länder mit den größten Goldvorräten. Hintergrund des russischen Goldhungers ist die veränderte politische Lage: Russland will unabhängiger vom US-Dollar und dem Euro werden.

Russland hat nach Angaben der Branchenorganisation World Gold Council mit 1094,7 Tonnen die sechstgrößten Goldreserven der Welt. Damit hat Russland China überholt, dessen Goldreserven mit 1054,1 Tonnen auf dem Niveau des letzten Quartals blieben.

Nach Angaben des World Gold Council stockte Russland die Goldreserven im ersten Halbjahr 2014 um ganze 54 Tonnen auf. Mehr Gold hat kein anderes Land auf der Welt gekauft. Zum Vergleich: Kasachstan erwarb in diesem Zeitraum zwölf Tonnen Gold, Mexiko 0,8 Tonnen und die Philippinen 0,2 Tonnen. Die Besitzer der größten Goldreserven – USA, Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien – haben in diesem Zeitraum kein Gold gekauft. Deutschland hat im ersten Halbjahr sogar 2,9 Tonnen verkauft.

„Russland diversifiziert seine Anlagen“, sagt Pawel Simonenko, Verkaufsdirektor der Dukascopy Bank SA in den GUS-Staaten. So sollen Risiken, die bei einer weiteren Verschlechterung der politischen Lage im

Bereich von Devisengeschäften drohen, gemindert werden. Aleksej Koslow, Chefanalytiker bei UFS IC, stimmt ihm zu: „Die Struktur der Währungsreserven verändert sich und Russland reduziert die Anteile von US-Staatsanleihen sowie von US-Dollar und Euro“. Nach Angaben der russischen Zentralbank ging der Devisenanteil an den Währungsreserven innerhalb eines Halbjahres von 90 auf 87,5 Prozent zurück. Bis zum Jahresende könnte der Goldanteil an den Währungsbeständen von zurzeit zehn auf 15 Prozent steigen, schätzt Simonenko. Gold gelte zudem als krisensichere Anlage und empfehle sich daher auch im Hinblick auf Prognosen zu einer zweiten globalen Wirtschaftskrise, ist sich Simonenko sicher. Auch Koslow glaubt, dass der Goldanteil an den Währungsreserven nicht nur in Russland weiter wachsen werde.

 

Gold statt Devisen

Experten haben beobachtet, dass weltweit vermehrt auf Gold anstatt auf Devisen gesetzt wird. „Dies hängt mit einer hohen Volatilität auf den Währungsmärkten und einer liberalen Geld- und Kreditpolitik zusammen, die in den Ländern mit den größten Devisenreserven dominieren“, erklärt Dmitrij Bedenkow, Chef der Analyseabteilung des Investitionsunternehmens „Russ-Invest“. Seiner Ansicht nach bestehen die Währungsreserven in stark exportorientierten Schwellenländern vorwiegend aus Devisenbeständen. Zum Beispiel beträgt in China der Goldanteil an den Reserven nur ein Prozent, in Saudi Arabien zwei, in Japan drei und in Indien sieben Prozent. In Brasilien liegt der Anteil unter einem Prozent. In anderen Ländern wiederum bestünden die Währungsreserven überwiegend aus Goldvorräten, sagt Dmitrij Bedenkow. „Ein Beispiel dafür sind die USA mit 72 Prozent, Deutschland mit 68 Prozent und Frankreich mit 65 Prozent“, so Bedenkow.

 

Russische Goldproduktion nach Regionen

Klicken Sie das Bild an, um es zu vergrößern. Bild: Natalja Michajlenko


Außer der Erhöhung des Anteils an Goldreserven bei den Schwellenländern beobachten die Experten auch eine allgemeine Umorientierung der russischen Wirtschaft weg vom Dollar hin zu alternativen Reservemitteln. „Deswegen kann der Anstieg der Goldreserven im Hinblick auf die Diversifizierung der Reservenstruktur und die Stärkung ihrer Stabilität als eine positive Tendenz beurteilt werden“, so Bedenkow. „Der Prozess des Ausstiegs aus der US-Währung kommt in Russland langsam in Gang“, fügt Anton Soroko, Analytiker der

Investitionsgesellschaft „Finam“ hinzu. Aktuelle Entscheidungen in Politik und Wirtschaft stützen seine Beobachtungen. Zum Beispiel haben der russische Mobilfunkanbieter „Megafon“ und „Norilskij Nikel“, einer der größten Nickelproduzenten weltweit, ihre Geschäfte bereits auf Hong Kong Dollar umgestellt. „Dieser Prozess wird fortgesetzt“, ist Soroko überzeugt. Als nächsten Schritt rechnet er mit dem stufenweisen Ausstieg aus amerikanischen Staatsanleihen. Allerdings wird dieser Schritt nur dann sinnvoll sein, wenn die aktuelle Krise in der Ukraine weiter eskalieren und sich das Verhältnis Russlands zu den USA und der EU weiter verschlechtert. 

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