Die ukrainische Regierung kündigte an, im Falle einer Unterversorgung mit Energie in der Ukraine die Versorgung der Krim für sechs Stunden pro Tag einzustellen. Foto: RIA-Novosti / Taras Litvinenko
Der Eigentümer des Stromversorgungsnetzes auf der Krim, das ukrainische Unternehmen Ukrenergo, benachrichtigte am 4. September die Einwohner der Halbinsel über eine Einschränkung der Versorgung mit Elektrizität. Wie es in einer Stellungnahme der Presseabteilung des Unternehmens heißt, erfolge die eingeschränkte Versorgung aufgrund des Energiedefizits in der Ukraine: Wegen offener Rechnungen hat der russische Energiekonzern Gazprom die Gaslieferungen für die Ukraine eingestellt, die Kohleförderung im Südosten des Landes ist wegen der militärischen Auseinandersetzungen unterbrochen.
Die ukrainische Regierung kündigte an, im Falle einer Unterversorgung mit Energie in der Ukraine die Versorgung der Krim für sechs Stunden pro Tag, von 9 bis 11 Uhr und von 19 bis 23 Uhr, einzustellen sowie ganze Wohngebiete und Betriebe in Sewastopol, der größten Stadt der Halbinsel, abzuschalten. Ende August hatte die Ukraine die Stromversorgung der Krim schon einmal eingestellt: Am Abend des 31. August blieben die Städte Simferopol, Sewastopol und Kertsch ohne Strom. Später wurde die Versorgung wieder aufgenommen.
Versorgung mit Notstrom reicht im Winter nicht aus
„Sollte die Stromversorgung auf der Krim durch die Ukraine auch weiterhin unterbrochen werden, werden ganz offensichtlich wieder die gleichen Notstromaggregate wie bereits Ende August zum Einsatz kommen“, sagt Dmitrij Baranow, Senior-Experte von Finam Management. Außerdem könne
seinen Worten nach der Anteil der Elektroenergie aus der eigenen Erzeugung der Krim vergrößert werden. Die russische Regierung stellte für die Versorgung der Halbinsel zu diesem Zwecke bereits 15 mobile Gasturbinengeneratoren mit einer Kapazität von je 22 Megawatt zur Verfügung. Von diesen befinden sich sechs Generatoren in Simferopol, fünf in Sewastopol, und vier im Gebiet der Unterstation West-Krim. „Insgesamt generieren diese Anlagen 330 Megawatt bei Spitzenbelastung“, sagt der Chef-Analyst von UFS IC, Ilja Balakirew. Der aktuelle Tagesbedarf der Krim liege bei gegenwärtig ungefähr 500 bis 540 Megawatt. In den Wintermonaten könne der Bedarf jedoch auf bis zu 850 Megawatt ansteigen. Das heißt, dass die Krim ihren Bedarf an Elektroenergie ohnehin nicht aus eigener Kraft decken können wird.
Darüber hinaus liegen die Erzeugungskosten für die Energie, die durch die mobilen Generatoren erzeugt wird, deutlich über denen des aus der Ukraine eingeführten Stroms. So kostet der eigene Strom nach offiziellen Angaben bis zu fünf Rubel (0,10 Euro) pro Kilowattstunde, die Stromlieferungen aus der Ukraine hingegen nur 3,42 Rubel (0,07 Euro). Im Vergleich dazu kostet die Erzeugung von Solarstrom in der Region ungefähr drei Rubel (0,06 Euro) pro Kilowattstunde. Russland plant, das Energiesystem der Halbinsel zu stärken und es mit den Netzen des russischen Festlandes zu verbinden. Doch gegenwärtig werden noch die Betriebsbedingungen für die neuen Netze ausgearbeitet, und die Investoren für die Stromerzeugung wurden bisher auch noch nicht ausgewählt.
Die Krim muss energetisch unabhängig werden
Ende April stellte das russische Energieministerium Pläne vor, auf der Halbinsel Wärmekraftwerke auf Erdgasbasis mit einer Gesamtkapazität von mindestens 700 Megawatt zu errichten. Die neuen Kraftwerke sollen in unmittelbarer Nähe Simferopols und Sewastopols entstehen. Die Gesamtkosten für den Aufbau einer neuen Elektrizitäts-Infrastruktur auf der Halbinsel werden auf 71 Milliarden Rubel (1,48 Milliarden Euro) geschätzt. Die russische Regierung strebt die elektroenergetische Unabhängigkeit der Krim für das Jahr 2017 an. „Die Ukraine hat über einen langen Zeitraum ganz bewusst diese Abhängigkeit aufrechterhalten. Wir können uns mit diesem Zustand nicht abfinden“, erklärte der kommissarische Gouverneur der Halbinsel, Sergej Aksjonow, gegenüber der Nachrichtenagentur Itar-Tass.
„Es gibt mehrere Szenarien, das Problem der energetischen Abhängigkeit der Krim von der Ukraine zu lösen, aber leider sind sie alle sehr
zeitaufwändig oder können die Unterversorgung nur teilweise kompensieren“, sagt Ilja Balakirew. Den Großteil des Bedarfs müsse die Krim auch weiterhin über Energielieferungen aus der Ukraine decken, solange die Krim nicht direkt an das russische Netz angeschlossen sei. Das könne der Fall sein, sobald die Krim durch eine Brücke oder einen Tunnel mit dem russischen Festland verbunden wäre. Die Krim plane auch, eigene Kapazitäten auszubauen, etwa durch im Schwarzmeerschelf gefördertes Erdgas. Balakirew glaubt, dass die Versorgung der Krim wieder sichergestellt werde, wenn der Gas-Streit geklärt sei. „Für den arg gebeutelten Staatshaushalt der Ukraine ist die Energieversorgung der Krim eine nicht zu verachtende Einnahmequelle“, erklärt Balakirew.
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