Wintershall ist mit dem russischen Energiekonzern Gazprom stark liiert: Sie haben an der Nord-Stream-Pipeline zusammengearbeitet. Foto: Pressebild von www.wintershall.com
Knapp zwei Drittel der deutschen Firmen erwarten für 2014 trotz der Sanktionen ein gleichbleibendes oder sogar besseres Russland-Geschäft. AHK-Präsident Dr. Rainer Seele (Wintershall) schränkte auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin allerdings ein: „Wir können jedoch deutliche Abschwächungen erkennen“. Einige Branchen seien bereits jetzt schwer betroffen wie etwa der Maschinen – und Anlagebau oder zu 100 Prozent die Lebensmittelexporteure. Jedes dritte Unternehmen befürchte Einbrüche von bis zu 50 Prozent oder sogar mehr.
Erschwerend ist die Auslegung des „Dual Use“ – Begriffes. Fällt eine in Deutschland produzierte Pumpe, die für die Autoindustrie gedacht ist, unter
die Sanktionsregel? Diese Regel verbietet generell „Pumpen“ an Russland zu liefern. Gemeint sind aber ausschließlich Pumpen für die Ölindustrie. „Besonders stark ist daher der innovative deutsche, zumeist mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau betroffen", sagte der stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier.
Hinzu kommen unabhängig von den Sanktionen, die allgemeine Konjunktur – und Rubelschwäche in Russland, so AHK-Präsident Rainer Seele, der auch Vorstandsvorsitzender von Wintershall ist. Wintershall ist mit dem russischen Energiekonzern Gazprom stark liiert. „Wir spüren keine Auswirkungen in unserem Geschäft. Im Gegenteil: Wir freuen uns, 2015 eine Art „Silberne Hochzeit“ feiern zu können.“ Seele beklagte im Umgang mit den russischen Behörden derzeit eine sehr viel stärker zunehmende Bürokratisierung. „Da bleiben Anträge länger liegen, Genehmigungen werden nur zögerlich erteilt oder gar nicht. Das macht unseren Firmen im Russland–Geschäft schon zu schaffen.“ Immerhin ist Deutschland (noch) größter und wichtigster Handelspartner Russlands.
Der AHK-Präsident Dr. Rainer Seele (Wintershall) beklagte im Umgang mit den russischen Behörden derzeit eine sehr viel stärker zunehmende Bürokratisierung. „Da bleiben Anträge länger liegen, Genehmigungen werden nur zögerlich erteilt oder gar nicht." Foto: Olga Vaulina für RBTH
Die AHK hat errechnet, dass es 2014 wahrscheinlich zu einem Rückgang des Außenhandels um drei-fünf Prozent kommen werde. Das sind umgerechnet zehn Milliarden Euro weniger als 2013. AHK-Präsident Seele: „Wir beobachten, dass einige Geschäfte von Deutschland und der EU weg nach Asien verlagert werden. Aber noch steht Deutschland für oberste technische und innovative Qualität. Das dürfen wir nicht durch eine Sanktions-Spirale aufs Spiel setzen. Und wir müssen aufpassen, dass wir in dieser Phase nicht unsere Vertrauens – und auch unser politisches Kapital aufs Spiel setzen.
Die Umfrage, an der etwa 300 Unternehmen teilgenommen haben, zeigt, dass noch 54 Prozent der befragten Unternehmen sagen: Wir spüren keine
Veränderung im Verhältnis zu unseren russischen Partnern. Aber 58 Prozent sind der Ansicht, dass die Lage in der Ukraine direkte Auswirkungen auf deren Tagesgeschäft hat. 62 Prozent geben an, dass sie von den beiderseitigen Sanktionen nicht betroffen sind. 78 Prozent halten sie sogar für „nicht wirksam“. Wirksamer sind da schon die schwache Konjunktur in Russland (33 Prozent) und die Rubelschwäche (30 Prozent). Schließlich schätzen 53 Prozent der deutschen Unternehmer das langfristige Potential des russischen Marktes „als hoch“ ein.
Mehrheit hält Sanktionen für ungeeignet
Fazit der Studie: Die große Mehrheit der Unternehmen, 80 Prozent, hält Sanktionen für ungeeignet zur Erreichung langfristiger politischer Ziele. AHK-Präsident und Wintershall-Chef Rainer Seele: „Wir sollten nie vergessen, dass die Sanktionen Präsident Putin zum Umdenken in seiner Politik veranlassen sollen und nicht Strafmaßnahmen sein sollten.“
In einem Gespräch mit RBTH sagte Seele: „Präsident Wladimir Putin ist ein sehr ausdauernder Schachspieler. Und Schachspiele dauern lange. Wir Europäer verwechseln aber in diesem „Schachspiel“ den Spielzug „ Druck machen“ mit einer Provokation. Der Westen macht im Schwarzen Meer ein Manöver. Das ist eine Provokation für Putin. Darüber müssen wir mal nachdenken, ob wir unsere Drohungen nicht überziehen.
Klicken Sie das Bild an, um es näher anzusehen. Bild: Natalja Michajlenko
Frau Merkel sollte mehr mit Putin reden und zwar mindestens genauso viel wie mit dem ukrainischen Präsidenten. Und nicht den einen gegenüber dem anderen bevorzugen. Sie muss und sollte eine Moderatorenrolle einnehmen, muss beide zusammen bringen. Und wir müssen aufhören, immer über
Sanktionen gegen Russland als Strafmaßnahmen zu diskutieren. Wir müssen weg von der einfachen Schwarz-Weiß Denke: Da sind die Bösen, an der Spitze Putin und die Ost-Ukrainer, die für Russland sind, und auf der anderen, der „vermeintlich“ guten Seite, sind alle anderen. Wir müssen auch nachdenken, was wir eigentlich auf die Agenda setzen wollen: Wollen wir eine Lösung für den EU – Russland Konflikt, den wir auf die Agenda gesetzt haben? Oder wollen wir eine umfassende Lösung für den Konflikt insgesamt suchen? Ich denke, darum sollten sich alle kümmern. Dafür kann es nur eine diplomatische Lösung geben“.
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