Gasstreit: Gazprom reicht Ukraine die Hand

Foto: Reuters

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Im Gasstreit hat Gazprom der Ukraine vorgeschlagen, die ukrainischen Schulden mit den für den Gastransit fälligen Gebühren zu verrechnen. Experten sehen darin Vorteile für beide Seiten: Die Ukraine könnte so weitere Zahlungsausfälle vermeiden und Gazprom das Geschäftsergebnis verbessern.

Das russische Energieunternehmen Gazprom strebt eine Einigung mit der Ukraine im Gasstreit an. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, dass Gazprom bereit sei, die Schulden des ukrainischen Gaskonzerns Naftogas mit den Gebühren, die Gazprom für die Nutzung ukrainischer Pipelines für den Gastransport nach Europa entrichtet, zu verrechnen. Dazu müssten Anpassungen an Gesetzen vorgenommen werden. Gazprom hat sich daher laut Interfax direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gewandt.

 

Von einem Verrechnungsmodell könnten beide Seiten profitieren

Nach Angaben von Interfax ist der Vorschlag von Gazprom von allen zuständigen Behörden, darunter auch das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und die russische Zentralbank, positiv aufgenommen worden. Sollte dem Vorschlag entsprochen werden, könnte das Unternehmen seine Finanzlage verbessern – Gazprom fehlen 4,2 Milliarden Euro in der Kasse. Diesen Betrag schuldet die Ukraine dem russischen Energieriesen aus unbezahlten Rechnungen für Gaslieferungen.

Alexei Koslow, Chefanalyst bei UFS IC, sieht in dem Vorstoß von Gazprom einen großen Schritt in Richtung einer Einigung im Gasstreit. „Auf diese Weise kann die Ukraine endlich ihre Schulden zurückzahlen", sagt er. Denn die Finanzlage der Ukraine sei angespannt. Es sei dem Land kaum möglich, gleichzeitig die Schulden zu tilgen und Rechnungen für neue Gaslieferungen zu zahlen, so Koslow. „Wenn nun ein Teil der Schulden mit den Transitgebühren verrechnet wird, hat die Ukraine mehr Finanzmittel, um neue Lieferungen zu bezahlen", erklärt Koslow. Grigori Birg, Analyst bei Investcafé, sieht in dem Verrechnungsmodell eine Möglichkeit für Gazprom, die finanzielle Situation des Konzerns auf diese Weise zu verbessern.

 

Lösung der Schuldenfrage ist in Sicht

Bereits bei der Abrechnung für Gaslieferungen in die Ukraine im zweiten Quartal 2014 hatte Gazprom angesichts der hohen Schulden angeregt, „auf andere als geldliche Zahlungsformen" zurückzugreifen, doch konkrete Absprachen hatte es nicht gegeben. Die Transitgebühren wurden bisher von Gazprom im Voraus bezahlt. Die Kosten waren abhängig vom Gaspreis für die Ukraine. Je höher der Gaspreis ausfiel, desto höher waren auch die Transitgebühren.

In der Vergangenheit konnten sich Gazprom und die Ukraine jedoch nicht auf einen Preis einigen. Die Ukraine wollte maximal 268 US-Dollar pro 1 000 Kubikmeter bezahlen, Gazprom verlangte 485 US-Dollar pro 1 000 Kubikmeter. Entsprechend herrschte Uneinigkeit darüber, wie lange die Vorauszahlung der Transitgebühren ausreichte. Nach den Berechnungen von Gazprom wäre eine neue Vorauszahlung ab Mitte Juli fällig gewesen, doch nach den Berechnungen von Naftogas ist die vorab gezahlte Summe noch nicht aufgebraucht. Gazprom hatte bereits eine Nachzahlung geleistet, die von Naftogas zurückgegeben wurde.

Seit Juni 2014 verlangt Gazprom von der Ukraine wegen regelmäßiger Zahlungsausfälle Vorauszahlungen. Seitdem wird praktisch kein russisches

Gas mehr in die Ukraine geliefert. Bei der letzten Verhandlungsrunde im Gasstreit am 26. September in Berlin einigten sich Russland, die Ukraine und die Europäische Union auf eine Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen für die Ukraine.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger erklärte, es sei ein Preis von 385 US-Dollar pro 1 000 Kubikmeter Gas vereinbart worden, der für einen Zeitraum von sechs Monaten gelte. Danach werde neu verhandelt. Gazprom hat sich demnach verpflichtet, fünf Milliarden Kubikmeter Gas an die Ukraine zu liefern, die in zwei Raten bezahlt werden sollen. Oettinger sagte, dass die Ukraine bis Ende Oktober 1,6 Milliarden Euro für diese Lieferungen zahlen werde, bis Ende des Jahres würden noch einmal rund 873 Millionen Euro fällig. Bis zum Jahresende will die Ukraine nach Angaben Oettingers zudem 2,5 Milliarden Euro der Schulden zurückzahlen.

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