Russland und China haben 38 neue Abkommen beschlossen. Auf dem Bild: Chinas Staatsrat-Vorsitzender Li Keqiang und der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew während der Schlusspressekonferenz in Moskau am 14. Oktober 2014. Foto: AP
Bei einem Staatsbesuch von Li Keqiang, dem Vorsitzenden des Staatsrats der Volksrepublik China, in Moskau am Montag ist ein einflussreiches Paket an Dokumenten unterzeichnet worden. Insgesamt 38 Abkommen haben chinesische und russische Behörden und Unternehmen unterzeichnet. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew bemerkte, dies sei eine rekordverdächtige Zahl. Doch was werden diese Abkommen bringen?
Finanzen
Die grundsätzlich wichtigsten Abkommen bei der Unterzeichnung des Pakets waren finanzieller Natur. So erhielten beispielsweise russische Banken, die von den USA und der Europäischen Union sanktioniert worden sind, von der Export-Import Bank Chinas neue Kredite. Bei den Kreditnehmern handelt es sich um die WneschtorgBank und um die WneschenkonomBank, die im Rahmen der Abkommen Kredite in Höhe von je zwei Milliarden US-Dollar (rund 1,58 Milliarden Euro) erhalten werden. Dieses Geld könnte verwendet werden, um die Importe aus China zu finanzieren.
„Für die russischen Banken, denen vor Kurzem der Zugang zum EU-Kapitalmarkt verweigert wurde, bedeutet dies natürlich ein dickes Plus", sagt Michail Kusmin, Analyst bei Investcafé. Zwar könnten die Banken keine Fremdwährungskredite vergeben, dafür aber das neue Kapital für andere Zwecke verwenden, wie beispielsweise neue Projekte, erklärt Kusmin und fügt hinzu: „Es kann somit teilweise davon die Rede sein, dass dadurch die Trennung vom Kapitalmarkt in Europa kompensiert wurde."
Aleksandr Abramow, leitender Forschungsmitarbeiter am Zentrum für Finanzsystemanalyse an der Russischen Akademie der Wissenschaften, schränkt jedoch ein: „Diese Kredite, die insgesamt vier Milliarden US-Dollar (3,16 Milliarden Euro) betragen, sind natürlich keine gleichwertige Alternative zur Finanzierung der russischen Wirtschaft aus dem Westen, da es sich bei dem geliehenen Geld um Kredite handelt, die für den Ankauf von Waren aus China gedacht sind."
Ein weiteres Rahmenabkommen, das zur Vergabe von finanziellen Mitteln aus China gedacht ist, wurde auch von der Russischen Landwirtschaftsbank (RosselchosBank), die ebenfalls von westlichen Sanktionen betroffen ist, unterzeichnet. Zudem haben auch die Zentralbank Russlands und die Nationalbank Chinas ein Abkommen über die Realisierung von Währungsswaps über die Dauer von drei Jahren geschlossen. Die Swaps
sollen dabei insgesamt 150 Milliarden Yuan (etwa 19,35 Milliarden Euro) betragen. Wie es in einer Pressemitteilung der russischen Zentralbank heißt, wurde das Abkommen „mit dem Ziel unterzeichnet, günstige Bedingungen für die Erweiterung des bilateralen Handels und der gemeinsamen Investitionen zwischen Russland und China zu schaffen". Die beiden Zentralbanken haben sich darüber hinaus auf einen fixen Kurs geeinigt, mit dem die Währungsswaps in den nächsten drei Jahren getätigt werden.
Dies wird einerseits deswegen getan, um eine überflüssige Volatilität des Yuans zu verhindern, und um andererseits eine gewisse Stabilität im Handel zwischen Russland und China zu gewährleisten. „Der Vertrag mit China ermöglicht einen störungsfreien Ablauf im Handel. Die Unternehmer wissen nun, dass sie mit China beruhigt handeln können, ohne dass in nächster Zeit irgendwelche Schwierigkeiten auftreten werden", erklärt Anna Kokorewa, Analystin bei der Broker-Firma Alpari.
Gas
Was den Gassektor anbelangt, so wurden keine großartigen Abmachungen festgehalten. Es wurde im Rahmen der Staatsvisite lediglich das bereits seit Langem ausstehende bilaterale Gasabkommen unterzeichnet, das den schon längst abgeschlossenen Vertrag zwischen dem Gasriesen Gazprom und dem chinesischen Ölkonzern CNPC offiziell in Kraft treten lässt. Dieser Vertrag bezieht sich auf ein Gaslieferabkommen zwischen Russland und China, das Gaslieferungen im Ausmaß von 38 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr über die östliche Gaslieferroute Sila Sibiri (zu Deutsch: „Kraft Sibiriens") auf die Dauer von 30 Jahren vorsieht.
Dafür habe China Pläne über die Gründung eines gemeinsamen Joint-Venture-Unternehmens erwähnt, das Flüssigerdgas herstellen soll. Wie es in einer Pressemitteilung des staatlichen Erdölkonzerns Rosneft heißt, werde „Rosneft zusammen mit dem chinesischen Erdölunternehmen an der Möglichkeit arbeiten, gemeinsam Projekte im Bereich des Flüssigerdgases zu starten – unter anderem auch mögliche Flüssigerdgaslieferungen aus Russland nach China". Einzelheiten dazu konnten jedoch weder Beamte
noch Vertreter einzelner Unternehmen nennen. „Ich weiß nicht, ob hier konkret die Rede davon sein kann, dass China tatsächlich plant, eine Raffinerie zur Herstellung von Flüssigerdgas zu bauen. Wohl eher sind dabei Gaslieferungen von der Insel Sachalin aus gemeint, wo sich eine Gasraffinerie befindet, die gerade in Zusammenarbeit von Rosneft und Exxon Mobile gebaut wird", reflektiert Grigorij Birg, ein Analyst bei Investcafé. Seiner Ansicht nach stellt dies für China zum einen eine Diversifikation seiner Gaslieferanten dar – das heißt, dass neben dem Konzern Gazprom, der in Zukunft mittels Pipeline geliefertes Gas an China verkaufen wird, nun auch ein zweiter Gaslieferant verfügbar sein wird. Zum anderen biete dies China die Möglichkeit, die Methoden der Gaslieferung zu diversifizieren.
Leitungsnetz für den Gasexport aus Russland nach Europa
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Bahnbau
Ein weiterer Bereich, in dem China und Russland in Zukunft enger zusammenarbeiten werden, ist der Bau von Hochgeschwindigkeitszuglinien. So haben beide Seiten ein vielversprechendes Memorandum über die Zusammenarbeit in diesem Sektor unterschrieben. Genauer gesagt haben die chinesischen Partner dem russischen Eisenbahnunternehmen RZHD ihre Bereitschaft eingestanden, das Projekt über den Bau der Hochgeschwindigkeitslinie Moskau-Kasan, das insgesamt mehr als eine Trillion Rubel (etwa 19,3 Milliarden Euro) kosten werde, mitzufinanzieren.
Darüber hinaus werde China dabei helfen, die Produktion der dafür nötigen Hochgeschwindigkeitszüge in Russland zu lokalisieren.
An einer Teilnahme an diesem besonderen Projekt sind sowohl der deutsche Konzern Siemens als auch das französische Unternehmen Alstom interessiert. In China hingegen kämen gleich zwei große Firmen, die auf den Bau von Hochgeschwindigkeitszügen spezialisiert sind, in Frage: China CNR Corporation und China South Locomotive & Rolling Stock Corporation (CSR). Das Hightech-Projekt sieht dabei eine weitreichende Lokalisierung der Produktion vor, mindestens 50 Prozent. Die Produktionsstätte, in der die Hochgeschwindigkeitszüge Lastotschka (zu Deutsch: „Schwalbe") hergestellt werden, könnte dabei von Siemens gemeinsam mit dem russischen Unternehmen Sinara, einer Firma im Maschinen- und Anlagenbau, betrieben werden, so der Wirtschaftsnachrichtendienst von RBC, der sich auf eine Quelle im Bahnbauunternehmen RZHD bezieht.
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