Foto: ITAR-TASS
Seit die Sanktionen gegen die größten russischen Banken und Konzerne in Kraft getreten sind, sind mittlerweile mehr als zwei Monate vergangen. So lange haben die Unternehmen bereits keinen Zugang zu ausländischem Geld. Noch haben die staatlichen Banken keine großen Probleme, denn ihnen stehen die Einlagen ihrer Kunden zur Verfügung. Die Gebühren auf diese Einlagen sind bisher nicht gestiegen, durch sie haben die großen Banken daher stabile Einnahmen von Bargeld in Rubeln zu relativ geringen Zinsen. Dies bestätigen verschiedene Experten auf Anfrage von RBTH, doch sie merken gleichzeitig an, dass die größten Schwierigkeiten auf die Banken erst noch zukommen werden. Nicht eine der Banken, die von den Sanktionen betroffen sind, wollte sich auf Anfrage von RBTH dazu äußern.
Die Hauptfrage für die Banken ist die Tilgung ihrer Fremdwährungsobligationen. Zur Erinnerung: Der Bankensektor nahm auf den Anleihemärkten mehr als 14 Milliarden US-Dollar (elf Milliarden Euro) ein, 70 Prozent davon entfielen auf die Banken, die jetzt von den Sanktionen betroffen sind. Von September 2014 bis März 2015 müssen die Banken Auslandsschulden in Höhe von 34 Milliarden US-Dollar (27 Milliarden Euro) zurückzahlen. Wie Natalja Orlowa, Chefökonomin der privaten Alfa Bank, unterstreicht, bedeuten die von den USA und der Europäischen Union eingeführten Sanktionen, dass alle davon betroffenen Banken Schwierigkeiten bei der Refinanzierung auf den Weltmärkten haben werden.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist, Devisenkredite im Inland aufzunehmen. Die Banken, die nicht von den Sanktionen betroffen sind und Zugang zu ausländischem Geld haben, was in der Regel auf mittelgroße Banken zutrifft, können jedoch nicht zu den Bedingungen Geld aufnehmen wie die Marktführer. Außerdem möchte jede Bank Geld an Krediten verdienen, indem sie diese ein bis zwei Prozentpunkte teurer anbietet. Das Ergebnis ist dann alles andere als günstig.
Kredite winken nur noch im Inland und in Asien
Was die großen Konzerne angeht, die von den Sanktionen betroffen sind, so haben diese bislang ebenfalls keine Schwierigkeiten. „Viele zehren noch von ihren Ressourcen, die vom Anfang des Jahres übrig geblieben sind, und einige der größten Konzerne konnten sogar im Vorhinein einen Teil ihrer Kredite aus dem Westen abbezahlen", erklärt Igor Dmitrew, stellvertretender Vorsitzender der Bank für Zahlungsverkehr und Spareinlagen. Doch es gebe bereits eine Tendenz zur verstärkten Aufnahme von Krediten auf dem Binnenmarkt, wie der Ökonom ergänzt, wobei die Geschäftswelt sich eher den großen Privatbanken zuwende.
Wie die Online-Zeitung „RBC" unter Verweis auf anonyme Quellen mitteilte, haben Kreditverhandlungen zwischen den von den Sanktionen betroffenen
Ölkonzernen Rosneft und Gazpromneft sowie einigen anderen Konzernen mit einer Reihe russischer Privatbanken begonnen. „Seit für die größten russischen Kreditnehmer die westlichen Kreditmärkte nicht mehr zugänglich sind, wenden sich die hochrangigsten Konzerne, die uns traditionell nie beachtet haben, nun mit Kreditanfragen an uns", freut sich Alexej Petrow, Leiter der Syndizierungsabteilung der Alfa Bank, und fügt hinzu: „Wir haben bislang kein Geschäft abgeschlossen, noch sind wir in der Verhandlungsphase. Aber schon das ist beachtlich."
Alexej Kotlow, Leiter der Abteilung für die Finanzierung durch Syndizierung der Gazprombank, warnt, dass man nicht alle russischen Banken retten könne. Es sei nicht genug Kapital vorhanden, um alle ausländischen Investitionen zu ersetzen und noch dazu den Bedarf an Krediten und Investitionen zu decken, meint der Experte. „Außerdem ziehen es viele Banken vor, ihre Reserven aufzustocken, und möchten kein Kapital in Form von Krediten abgeben", sagt Kotlow.
Teilweise ist auch der russische Staat bereit, den Staatsbanken und großen Unternehmen zu helfen. Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation, hat auf dem Investitionsforum in Moskau Anfang Oktober
bestätigt, dass der russische Staat den Banken, gegen die von den westlichen Ländern Sanktionen eingeführt wurden, helfen werde, ihr Kapital zu erhöhen. Laut Anton Soroko, einem Analysten der Investment-Holding Finam, wird der Staat auf jeden Fall die von den Sanktionen betroffenen fünf größten Banken unterstützen.
Laut Kira Juchtenko, der führenden Analystin des Unternehmens FBS, werden die Staatsbanken in Zukunft ihre Präsenz auf den asiatischen Finanzmärkten ausbauen müssen, um ihren Währungsbedarf zu decken. „Auf den asiatischen Markt zu gehen, ist möglich und auch notwendig, doch dort gibt es das ernsthafte Problem, dass das Marktvolumen nicht so groß ist, wie es scheint. Es können wohl kaum alle Interessenten ihre benötigte Geldmenge zu einem Zinssatz erhalten, der den russischen Bankiers gefällt", merkt Anton Soroko an. Die asiatischen Kapitalmärkte sind daher wohl eher eine zusätzliche, aber vielversprechende Möglichkeit, relativ günstig Kredite zu erhalten.
Alternativer Ausweg aus der schwierigen Lage
Zwischenzeitlich ist es auf dem russischen Finanzmarkt zu einem richtungsweisenden Geschäft gekommen: Die VTB-Bank (Vneschtorgbank) hat 20 Prozent ihrer Anteile an dem zyprischen Tochterunternehmen RCB Bank Ltd., ihrem langjährigen Partner, an die Bank Otkrytie, die von den Sanktionen nicht betroffen ist, abgegeben. Laut Experten versucht die VTB-Bank auf diese Weise, die RCB-Bank vor den Sanktionen zu retten, von denen die zyprische Bank als ein von der VTB-Bank kontrolliertes Unternehmen betroffen sein könnte. Laut der Analystin Jelena Fedotkowa ist das Ziel der VTB möglicherweise der Wunsch, weniger als 50 Prozent der Aktien der RCB-Bank zu besitzen, denn so verliert das Unternehmen seinen Status als Tochterfirma.
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