Ölpreis auf Talfahrt bedroht russischen Staatshaushalt

Die Rubel-Abwertung soll den Export ankurbeln, um Defizite auszugleichen. Foto: AFP/East News

Die Rubel-Abwertung soll den Export ankurbeln, um Defizite auszugleichen. Foto: AFP/East News

Der Ölpreis fällt und fällt. Das hat Auswirkungen auf den russischen Staatshaushalt: Infolge des niedrigen Ölpreises droht ein Loch in der Kasse. Die Abwertung des Rubels soll die Verluste kompensieren.

Vergangene Woche fiel der Preis für ein Barrel der Marke Brent, nach dem sich auch der Preis für das russische Exportöl Urals richtet, auf 83 US-Dollar. Damit sank der Preis in den letzten drei Monaten um 24 Prozent oder 108,77 Dollar pro Barrel. Das ist der größte Abwärtstrend seit dem Krisenjahr 2008, als der Ölpreis ein Rekordtief von 38,4 Dollar pro Barrel erreichte. Experten gehen davon aus, dass die Preise aktuell noch auf 80 oder sogar 72 US-Dollar pro Barrel sinken könnten.

Michail Krutichin, Partner der internationalen Consultinggesellschaft RusEnergy, bezweifelt jedoch, dass der Preis unter 80 US-Dollar pro Barrel sinken wird. Wenn der Staat zudem die Steuern auf die Förderung von Bodenressourcen senke, werde sich der niedrige Ölpreis nicht negativ auf den Profit der Ölgesellschaften auswirken, glaubt er. Allerdings sind sich Krutichin und andere Experten einig, dass bereits im kommenden Jahr und nicht erst ab 2016 die Fördermengen zurückgefahren werden. Krutichin rechnet mit einem Rückgang von 15 bis 20 Prozent.

Der sinkende Ölpreis hat Auswirkungen auf den russischen Staatshaushalt, dessen Einnahmen etwa zur Hälfte aus dem Export von Öl und Gas bestehen. „Ein Dollar weniger pro Barrel bedeutet 70 Milliarden Rubel (etwa 1,3 Milliarden Euro) weniger in der Haushaltskasse", erklärte der russische Finanzminister Anton Siluanow. Dieser Verlust soll durch die Abwertung des Rubels kompensiert werden. Der Rubelkurs ist seit Jahresbeginn um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Dollar und um etwa elf Prozent gegenüber dem Euro gefallen. Das Sinken des Wechselkurses um nur einen Rubel wiederum bringt nach Angaben Siluanows Einnahmen von 180 bis 200 Milliarden Rubel (etwa 3,5 bis 3,8 Milliarden Euro).

 

Der Staat profitiert, die Bevölkerung hat Nachteile

„Die Schwächung des Rubels wirkt sich günstig auf den Staatshaushalt aus, denn das kurbelt den Export an und steigert den Gewinn der Exporteure", sagt der leitende Direktor der Unternehmensgruppe Alor, Sergej Chestanow. Experten schätzen das Wachstum auf 52 bis 55 Prozent. Der Währungsgewinn steigt, was die Gewinne der Exporteure erhöht und den Haushalt ausbalanciert.

Der Staat profitiert also vom Verfall des Rubels. Chestanow rechnet sogar mit einem Plus im russischen Staatshaushalt. Für die russische Bevölkerung hingegen ist die schwache Landeswährung eher von Nachteil. Nach Schätzungen von Experten sind 30 bis 40 Prozent aller Konsumgüter importiert oder unter Verwendung importierter Maschinen hergestellt. Ein Wertverlust des Rubels von 20 Prozent gegenüber dem US-Dollar verteuere

beispielsweise die Lebensmittel in Russland um 30 Prozent, erklärt Chestanow. Das trifft besonders die unteren Einkommensgruppen, deren Einkommen ohnehin überwiegend für den Kauf von Lebensmitteln verwendet werden muss.

Für die Zukunft gibt es zwei Szenarien. Im günstigen Falle, so Alexandr Baranow, Vize-Generaldirektor der Verwaltungsgesellschaft Pallada Asset Management, wird der Ölpreis wieder auf 95 bis 120 US-Dollar pro Barrel steigen. Baranow erinnert an das Jahr 2012, als der Ölpreis ebenfalls kurzfristig auf bis zu 90 US-Dollar gesunken war, um dann wieder auf bis zu 120 US-Dollar zu steigen. Der Wechselkurs des Rubels wird sich Schätzungen zufolge wieder auf einer Marke von 35 bis 38 Rubel für einen US-Dollar einpendeln. Chestanow geht zudem davon aus, dass eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein Wirtschaftswachstum von zwei bis vier Prozent zur Folge haben wird, weil unter anderem der Warenverkehr wieder steigen werde.

Sollte der Ölpreis aber weiter sinken, etwa auf 75 US-Dollar pro Barrel, bedeutet das einen Verlust von etwa 700 Milliarden Rubel (etwa 13,4 Milliarden Euro) für den russischen Staatshaushalt, erklärt Baranow. In diesem Falle würde der Rubel noch weiter entwertet werden, und zwar um acht bis neun Prozent, um diese Verluste zu kompensieren, glaubt er. Alternativ könnten die Ausgaben gesenkt werden. Kürzungen seien in der Verwaltung und bei den Renten vorstellbar, so Chestanow. Er geht davon aus, dass der Staat bei einem weiteren Preisverfall Ressourcen für ein Jahr habe und danach die „Geldmaschine" anwerfen müsse.

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