Der verstorbene Total-Chef Christophe de Margerie (links) war ein wichtiger Fürsprecher Russlands. Foto: AFP/East News
Anna Kokorewa: „Russland hat einen wichtigen Fürsprecher verloren"
„Der Tod de Margeries muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Zusammenarbeit mit Russland stark eingeschränkt wird – die weitere Ausrichtung steht und fällt mit dem neuen Chef des Konzerns. Doch der Verlust de Margeries als einen Fürsprecher der Zusammenarbeit mit Russland ist in diesen schweren Zeiten zweifellos bedauerlich. Schließlich war Christophe de Margerie einer der wenigen, der die Sanktionen gegen Russland nicht befürwortete und dafür eingetreten war, die Rohstoffpreise nicht mehr in Dollar festzulegen.
Das tragische Unglück ist nicht gänzlich spurlos am Aktienmarkt und Russland selbst vorübergegangen. Während die Aktien von Gazprom und Lukoil kaum auf das Unglück reagiert haben, sind die von Novatek um 3,1 Prozentpunkte gefallen. Der Preis der Total-Aktie ist am Montag von 43 auf 42 Euro gefallen.
Total arbeitet häufig mit russischen Konzernen zusammen. So ist vorgesehen, die Integration des Unternehmens auf dem Gas- und Ölmarkt in Russland in den nächsten Jahren zu verstärken. Auf der Grundlage des gemeinsamen Unternehmens mit Lukoil plant der Konzern, sich an der Erschließung des Erdölvorkommens Baschenowskaja Swita in Westsibirien zu beteiligen. Das wäre das erste Projekt zum Abbau von Ölschiefer in der Geschichte von Total. Am stärksten ist das französische Unternehmen jedoch im Gasbereich beteiligt: Der Konzern hält 18 Prozent der Aktien des größten unabhängigen Gasproduzenten Novatek und 20 Prozent an den Aktien des Gemeinschaftsprojekts Jamal SPG von Total und Novatek."
Anna Kokorewa ist Analystin bei dem Broker Alpari.
Alexander Frolow: „Der Tod wird sich nicht auf Geschäfte auswirken"
„In den letzten zwei Jahren hat sich die Position von Total auf dem russischen Markt stark verbessert. Der Konzern hat sich an dem Projekt Jamal SPG beteiligt und Total hat ein gemeinsames Projekt mit Lukoil und Gazpromneft.
Christophe de Margerie war ein konsequenter Befürworter der Vertiefung der Kontakte zu Russland. Er betrachtete die gemeinsamen Interessen Russlands und der Europäischen Union bei den Lieferungen von Gas und anderen Energieträgern eher nüchtern. Das hat bereits sein Interview mit Reuters Mitte dieses Jahres gezeigt, in dem er die Perspektiven der Europäischen Union aufzeigte, wenn sie auf russisches Gas verzichten würde: Die EU müsse dann zwangsläufig zu ihrem Nachteil teureres Gas kaufen.
Wir sollten nicht allein die Investitionen betrachten, die wir durch Total erhalten haben, sondern auch die Technologien. Gerade hier zeichnet sich
Total in allen Bereichen aus, zum Beispiel beim modifizierten Bitumen. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit Gazpromneft, das der Konzern mit der Ölverarbeitenden Fabrik Moskau durchführt. Es ist ein gutes Material zur besseren Festigkeit von Straßenbelägen.
Ich denke nicht, dass der Tod Christophes de Margeries sich stark auf diese gemeinsamen Projekte und auf die Entwicklung der Geschäfte von Total in Russland auswirken wird. Erstens laufen viele dieser Projekte bereits, sie abzubrechen hätte keinen Sinn. Außerdem sind diese Projekte interessant und profitabel für Total. Dazu zählt beispielsweise die Erforschung der Öllagerstätte Baschenowskaja Swita, die der französische Konzern gemeinsam mit Lukoil betreibt. Die Hauptarbeiten beginnen vertragsgemäß im nächsten Jahr. Ich bezweifle, dass der Konzern jetzt seine Pläne ändert."
Alexander Frolow ist stellvertretender Generaldirektor des russischen Instituts für nationale Energiewirtschaft. Die Aussagen stammen aus einem Interview mit dem Radiosender Kommersant FM.
Grigori Birg: „Russland ist für Total ein strategisch wichtiger Markt"
„Total ist einer der weltgrößten Ölkonzerne, die in Russland arbeiten. Bedenkt man die Komplexität und das Ausmaß der Gemeinschaftsprojekte mit russischen Konzernen, so wird sich wohl kaum etwas Grundlegendes nach dem Tod des Vorstandsvorsitzenden des französischen Konzerns ändern.
Russland ist für Total in erster Linie ein strategisch wichtiger Markt. Der Konzern wurde 2011 zum strategischen Partner des russischen Unternehmens Novatek im Joint Venture Jamal SPG, im Rahmen dessen
unter anderem der Bau einer Anlage zur Verflüssigung von Erdgas vorgesehen ist. Die traurige Nachricht wird sich wohl kaum auf dieses Projekt auswirken, die Hauptpunkte des Vertrags wurden bereits umgesetzt. Die französische Seite wurde zum Anteilseigner von Novatek, Ende des Jahres 2013 besaß Total 17 Prozent der Novatek-Aktien. In der letzten Zeit führten die Franzosen Verhandlungen darüber, ihren Anteil an Novatek zu vergrößern, und laut Angaben des „Forbes Magazines" hat Total bereits Aktien hinzugekauft, sodass das Limit von 19,9 Prozent erreicht ist.
Was das gemeinsame Unternehmen mit Lukoil angeht, so hat Total eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zur Erschließung der Öllagerstätte Baschenowskaja Swita in Westsibirien geplant. Wegen der Sanktionen hat die französische Seite jedoch entschieden, die Zusammenarbeit mit dem russischen Konzern in dieser Richtung abzubrechen."
Grigori Birg ist Analyst von Interfax und ein Experte für Energiewirtschaft.
Der französische Ölkonzern Total ist der viertgrößte Ölkonzern der Welt nach Royal Dutch Shell, British Petroleum und ExxonMobil, bezogen auf die Fördermenge. Der Konzern ist bereits seit 20 Jahren in Russland tätig. 2013 betrug die Förderleistung des Konzerns an Öl und Erdgas 207 000 Barrel Öleinheiten pro Tag.
In Russland ist Total an fünf Großprojekten beteiligt:
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!