Zwei von Siemens gebaute Sapsan-Züge auf dem Moskauer Bahnhof in St. Petersburg. Foto: RIA Novosi
Zwei von Siemens gebaute Sapsan-Züge auf dem Moskauer Bahnhof in St. Petersburg. Foto: RIA Novosti
Seinerzeit kündigte die Russische Staatsbahn (RZD) ein Projekt zum Bau einer Breitspureisenbahn bis nach Europa an. Wie ist der Stand dieses Projektes?
Das Projekt zum Bau der Breitspureisenbahn (1520 mm) bis nach Wien befindet sich – ungeachtet der angespannten internationalen Situation – in der Entwicklung, momentan läuft die Projektierung. Der Businessplan des Projektes soll bis Jahresende fertiggestellt sein. Übrigens setzen alle Partner der RZD beim Bau der Breitspureisenbahn von Košice in der Ostslowakei bis nach Wien – das sind die Eisenbahnen Österreichs, der Slowakei und der Ukraine – ihre Arbeit an der Realisierung des Projektes fort, weil ihnen dessen Bedeutung klar ist. Denn mit der Realisierung des Projektes entfällt das früher notwendige Umladen der Fracht auf dem Weg nach Europa. Dadurch sinkt der Anteil der Transportkosten am Endpreis der Waren und die Lieferzeit verkürzt sich auf zwölf bis 14 Tage. Der jährliche Frachtumsatz kann bis zum Jahr 2050 auf 16 bis 24 Millionen Tonnen gesteigert werden.
Russland ist geografisch gesehen ein Bindeglied zwischen Asien und Europa. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Wir arbeiten seit 2012 im Rahmen der Eurasischen Union an der Entwicklung eines Transportkorridors für Frachtcontainer zwischen China und den Ländern der Zollunion, der eine Alternative zu den Schifffahrtsrouten darstellen soll. Auch existiert das Konzept zum Bau der Trans-Europa-Asien-Trasse RAZVITIE. Hier sehe ich die Hauptaufgabe darin, auf der Grundlage
85.000 km
beträgt die Länge des russischen
Eisenbahnnetzes, das die staatliche RZD betreibt. Die Hälfte davon ist elektrifiziert.
7,5 Mrd. Euro
will die RZD im laufenden Jahr investieren. Davon fließen rund zwei Milliarden in neue Loks und Züge.
4,6 Mrd. Euro
hat die RZD seit 2006 in Siemens-Technik investiert, so in den Kauf von 16 Sapsan-Zügen, etwa 300 Lastotschkas und in langjährige Serviceverträge.
einer multimodalen Infrastruktur einschließlich Eisenbahn, Straße und der Energieversorgung ein System zu schaffen, das die Volkswirtschaften Europas, Russlands und asiatischer Staaten wie Kasachstan, China oder Japan weiter miteinander verknüpft.
Wie entwickelt sich das Logistikunternehmen GEFCO aus Frankreich, an dem RZD eine Mehrheit hält?
Im laufenden Jahr ist GEFCO Russland als Partner an unserem Logistik-Großprojekt, der Lieferung spanischer Hochgeschwindigkeitszüge TALGO, beteiligt. Ende März 2014 wurden die ersten TALGO-Waggons und -Lokomotiven nach Russland ausgeliefert. Russland wird von 2014 bis 2015 sieben Züge erhalten: Drei davon sollen auf der Strecke zwischen Moskau und Berlin (über Minsk und Warschau) eingesetzt werden, die restlichen vier sollen auf innerrussischen Strecken zum Einsatz kommen.
Die RZD steckt Milliarden in die Modernisierung. Welche Kooperationsmöglichkeiten bieten sich dabei insbesondere für deutsche Unternehmen?
Die RZD arbeitet bereits seit vielen Jahren mit Siemens zusammen. Ein Meilenstein dieser Zusammenarbeit war die Gründung von Uralskije Lokomotiwy, eines Gemeinschaftsbetriebes von Siemens und der
russischen Sinara Group, zur Fertigung moderner Züge. Im Herbst 2011 vereinbarten RZD und Uralskije Lokomotiwy die Lieferung von 1.200 Elektrotriebwagen des Typs Lastotschka, auf Deutsch Schwälbchen, in Russland besser bekannt als Desiro RUS, für den regionalen Passagierverkehr. Laut Vertrag sollen bis Ende 2017 mindestens 80 % der Lastotschkas in Russland gefertigt werden. Insgesamt aber beläuft sich das Investitionsprogramm der RZD auf 24 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre.
Suchen Sie dabei auch nach ausländischen Investoren?
Eines der Projekte, bei dem wir über die Akquisition ausländischer Investitionen nachdenken, ist der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Moskau–Kasan. Inzwischen ist dieses Projekt praktisch zur Umsetzung bereit. Französische Unternehmen haben ihre Bereitschaft erklärt, sich an der Realisierung des Vorhabens zu beteiligen und wollen auf jeden Fall an unserer Ausschreibung teilnehmen, mit der die endgültige Entscheidung getroffen wird. Ich möchte auch das große Interesse unserer Kollegen aus Deutschland an diesem Projekt erwähnen. Ein wichtiger Schritt war zu Beginn dieses Jahres die Gründung einer "Hochgeschwindigkeitsinitiative", in der sich deutsche Unternehmen zusammengeschlossen haben, die über das Potenzial zur Realisierung solcher Vorhaben verfügen, darunter die Deutsche Bahn, Siemens, Knorr-Bremse und viele andere.
Präsident der russischen Eisenbahn Wladimir Jakunin. Foto: Pressebild
Im Sommer dieses Jahres sprachen Sie über die Notwendigkeit, das Gleisnetz im Fernen Osten, darunter auch auf der Halbinsel Kamtschatka, auszubauen und einen Tunnel unter der Beringstraße zu errichten. Ist das in absehbarer Zukunft ein konkretes Vorhaben des Unternehmens?
Diese Idee gab es bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Während der Sowjetzeit wurde sogar ein entsprechendes Projekt erstellt. Sollte die
Realisierung dieses Vorhabens beschlossen werden, müsste es zweifelsohne grundlegend überarbeitet werden. Soweit mir bekannt ist, haben US-Fachleute bereits den Entwurf eines Businessplanes für eine Verbindung der amerikanischen Eisenbahn mit China – und zwar über die noch nicht existierende Eisenbahnlinie Kamtschatkas – ausgearbeitet. Vorauszusagen, ob und wann dieses Projekt realisiert werden wird, wäre Kaffeesatzleserei. Sie verstehen bestimmt, dass alles ganz allein vom politischen Willen der Führungen der an diesem Projekt beteiligten Länder abhängt, und natürlich auch von der finanziellen und ökonomischen Situation dieser Staaten. Soweit mir bekannt ist, wurde die russische Regierung bei der Erörterung des Projektes nicht einbezogen. Das ist eine Initiative der Amerikaner, und die Diskussion erfolgte bis zum heutigen Tag nur unter den Eisenbahnern. Bisher hat das Projekt nicht den Rang einer zwischenstaatlichen Angelegenheit erreicht.
Der Ausbau der Transsib und die Wiederbelebung der Baikal-Amur-Magistrale sind für die Entwicklung des Fernen Ostens wichtig. Wann werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein?
Die Arbeiten zur Rekonstruktion der Baikal-Amur-Magistrale und der
Transsibirischen Eisenbahn sind bereits im vollen Gange. Bis zum Jahresende werden insgesamt 16 Kilometer Stationsgleise verlegt. Am wichtigsten für den Frachtverkehr der Transsibirischen Eisenbahn sind die Güter aus Nord- und Nordost-China, Korea und Japan. Dabei schlägt sich der Anstieg des europäisch-asiatischen Güterverkehrs um ein Prozent immerhin in einem Plus von ungefähr vier Milliarden Euro bei den Einnahmen aus dem Frachttransport nieder. Dieses Projekt wird die Industrie in der Region ankurbeln, es wird Arbeitsplätze schaffen und zu einer nachhaltigen Entwicklung Sibiriens und des russischen Fernen Ostens beitragen.
Die Zusammenarbeit zwischen der RZD und Siemens begann mit der Bestellung von acht Hochgeschwindigkeitszügen Sapsan vom Typ Velaro RUS, in Deutschland besser bekannt als ICE. Die russische Variante des Zuges ist wegen des größeren Gleisabstandes um 30 cm breiter als die Züge, die bei der Deutschen Bahn zum Einsatz kommen.
Der im Jahr 2006 unterzeichnete Vertrag belief sich auf 600 Millionen Euro. Er läuft über 30 Jahre, Wartungsarbeiten sind eingeschlossen. 2011 bestellte die RZD acht weitere Sapsan-Züge. Ein nächster Großauftrag war 2009 die Bestellung von 54 Desiro-RUS-Zügen im Wert von 500 Millionen Euro im Vorfeld der Winterolympiade in Sotschi.
2011 stockte die russische Eisenbahn ihre Bestellung um weitere 1.200 Wagen im Wert von zwei Milliarden Euro auf. Diese sollen in einem Gemeinschaftswerk von Siemens und der russischen Sinara Group im Ural gefertigt werden, wobei die Lokalisierung bis 2017 auf 80 Prozent steigen soll. Außerdem wird das Gemeinschaftsunternehmen bis 2016 221 Loks an die RZD liefern.
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