Die Gegner des neuen Gesetzesprojekts nennen die Initiative „Rotenberg-Gesetz" nach dem Unternehmer Arkadi Rotenberg (R), gegenüber dem die Europäische Union und die USA Sanktionen verhängt hatten. Foto: PhotoXPress
Das Unterhaus im russischen Parlament, die Staatsduma, hat eine Gesetzesvorlage gegen ausländisches Unrecht in erster Lesung verabschiedet. Diese beinhaltet, dass Aufwendungen oder Strafzahlungen aufgrund von rechtswidrigen Entscheidungen von ausländischen Gerichten gegenüber Privatpersonen oder Firmen aus Russland oder dem russischen Staat aus dem Staatshaushalt kompensiert werden sollen. Das Gesetz hat bereits einen ersten Skandal in der Regierung ausgelöst: Gegen das Dokument hat sich Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew öffentlich ausgesprochen. Die Gegner des neuen Gesetzesprojekts nennen die Initiative „Rotenberg-Gesetz" nach dem Unternehmer Arkadi Rotenberg, gegenüber dem die Europäische Union und die USA Sanktionen verhängt hatten.
Um an eine Kompensationszahlung zu kommen, muss die geschädigte Partei die Prüfung eines russischen Gerichts abwarten, ob das von dem ausländischen Gericht gefällte Urteil rechtswidrig ist. Experten meinen, dass die neue Gesetzesvorlage den russischen Firmen eine Hilfe sein kann, um sich vor einer eventuellen Beschlagnahme ihres Vermögens im Ausland finanziell abzusichern.
„Firmen oder Banken, die in internationale Verbindungen involviert sind, können ernstzunehmende Verluste aufgrund von Sanktionen erleiden. Sie haben nicht mal Einfluss auf die dafür bestehenden Ursachen. Dieses Gesetz setzt den Schlusspunkt unter die Form einer Rückversicherung für ausländische Geschäftsvorgänge russischer Firmen. Unter dem Aspekt des Aktienerwerbs und der Erhaltung des Vertrauens zu den russischen Wertpapieren seitens potentieller Investoren ist es enorm wichtig", meint Alexander Safonow, Prorektor der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsführung. Dabei haben die Abgeordneten der Staatsduma, indem sie die Gesetzesvorlage mit der ersten Lesung verabschiedeten, eine Maximalfrist von 30 Tagen für die Nacharbeitung des Dokuments zur zweiten Lesung bestimmt. Insgesamt muss das Unterhaus des Parlaments das Dokument nach drei Lesungen verabschieden, danach kommt es zur Abstimmung in das Oberhaus – den Föderationsrat, und dann unterzeichnet es der Präsident.
Fragen in der Umsetzung noch ungeklärt
Safonows Ausführungen zufolge könne das neue Gesetzesprojekt eine Hilfe sein, um eventuelle Verluste aus Versuchen der ehemaligen Aktionäre der Erdölgesellschaft Yukos, russische Vermögenswerte gerichtlich einzutreiben, zu kompensieren. Am Vortag hat Tim Osborn, Klägeranwalt, dem deutschen Magazin „Der Spiegel" gegenüber erklärt, dass die Kläger der Yukos-Seite, nachdem sie nun eine für sie positive Entscheidung vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag über eine Milliardensumme, die Russland an sie zahlen soll, erstritten haben, nun alles daran setzen, dass Vermögen des russischen Staates konfisziert werde. Bereits in den nächsten Wochen werden die ehemaligen Besitzer von Yukos Gerichte in Deutschland anrufen,
und danach planen sie analoge Prozesse in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und den USA. Anfang der 2000-Jahre sind auf Konten der Bank Rossii und von fast 70 russischen Einrichtungen und Firmen auf Antrag der Schweizer Firma Noga 23 Millionen US-Dollar beschlagnahmt worden. Auch Sachwerte, wie Gemälde aus dem Moskauer Puschkin-Museum und russische Flugzeuge auf dem Luftfahrtsalon Le Bourget wurden in Gewahrsam genommen.
Gemäß der neuen Gesetzesvorlage werden falsche Urteile von ausländischen Gerichten aus dem Staatshaushalt kompensiert werden, selbst wenn als Beklagter eine Privatperson auftreten sollte, und nicht der Staat. „Insgesamt gesehen ist der Gedanke nicht schlecht, die offene Frage besteht nur in der Ausführung: Es hätte ein System der staatlichen Versicherung für grenzüberschreitende Geschäfte nach der Art entwickelt werden müssen, wie sie in allen anderen Ländern existiert", führt Safonow weiter aus. Allerdings könnte seinen Worten zufolge das Gesetz ernsthafter Kritik unterzogen werden, weil „es von den meisten Menschen als Versuch aufgefasst wird, einzelnen Firmen unter die Arme zu greifen, aber eine Lösung für das System insgesamt kommt dabei nicht raus".
Staatliche Millionen für Milliardäre
Die Gegner der neuen Gesetzesvorlage nennen das Dokument „Rotenberg-Gesetz" nach dem Unternehmer Arkadi Rotenberg, der als einen engen Freund des russischen Präsidenten Wladmir Putin gilt und auf die Sanktionslisten der EU und der USA geraten ist. Sein Vermögen wird laut Forbes-Liste auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt. Anfang Oktober wurde auf Beschluss der italienischen Gerichtsbarkeit Immobilien des Unternehmers beschlagnahmt. Sollte die neue Gesetzesvorlage durchkommen, können eventuelle Kosten aus den Konfiszierungen mit Hilfe des föderalen Staatshaushalts ausgeglichen werden. Deshalb hat Alexej Uljukajew, Wirtschaftsminister der Russischen Föderation, in der Staatsduma gegen
das neue Gesetz Front gemacht. Den Worten des Ministers zufolge würde das neue Gesetz, sollte es denn in dieser Form angenommen werden, vom Wesen her einen Versicherungsfonds bilden, mit dem russische Gelder sicherer und risikoloser über die Grenze ins Ausland gebracht werden können, darunter auch von Staatsbediensteten. Die Gesamtsumme aus diesem Vorhaben könnte den Staatshaushalt mit bis zu acht Milliarden Euro belasten.
Ewgeni Skomorowskij, Geschäftsführer der ZIPRealty, ist der Meinung, dass der Anteil von Staatsdienern bei den russischen Käufern von Immobilien im Ausland recht hoch sei. „Auf einigen Immobilienmärkten, wie in den USA, Großbritannien oder Frankreich, erreicht der Anteil der Staatsbediensteten bis zu 40%", so der Experte. Seinen Worten nach würden in Großbritannien gleich mehrere Immobiliengroßhändler ihren russischen Kunden „Komplexlösungen" anbieten – eine lukrative Immobilie erwerben und auf dieser Grundlage einen Dauerwohnsitz im Lande anmelden. Sollte dann dieses Vermögen beschlagnahmt werden, weil der Staatsdiener auf die Liste der Sanktionen geraten ist, könne er damit rechnen, dass sein Verlust nach dem neuen Gesetzesprojekt aus der Staatskasse kompensiert würde.
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