In der russischen Regierung diskutiert man derzeit über Möglichkeiten, den Ölpreis zu stützen. Als eine mögliche Maßnahme dazu brachte man eine Drosselung der Fördermengen ins Spiel. Foto: TASS
Seit Mitte des Jahres fällt der Ölpreis. Der Preis für die wichtigsten Rohölmarken, WTI aus den USA und das Nordsee-Öl Brent, ist von 105 bis 110 US-Dollar auf unter 80 US-Dollar pro Barrel gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit 2010. Für die russische Wirtschaft könnte das einen Verlust von 90 bis 100 Milliarden US-Dollar (etwa 73 bis 80 Milliarden Euro) bedeuten, wie der russische Finanzminister Anton Siluanow am Montag erklärte.
In der russischen Regierung diskutiert man derzeit über Möglichkeiten, den Ölpreis zu stützen. Als eine mögliche Maßnahme dazu brachte Energieminister Alexander Nowak eine Drosselung der Fördermengen ins Spiel. „Diese Entscheidung muss sorgfältig abgewogen werden, denn unser Haushalt hängt in hohem Maße von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft ab“, sagte Nowak und wies darauf hin, dass Russland technisch nicht so gut ausgerüstet sei wie zum Beispiel Saudi-Arabien, um die Fördermengen flexibel anzupassen.
Russland ist mit einer Fördermenge von 10,8 Millionen Barrel einer der größten Ölproduzenten der Welt. Weltweit förderte nur Saudi-Arabien mehr Öl (11,5 Millionen Barrel pro Tag). Auf Platz drei der weltgrößten Ölproduzenten liegen inzwischen die USA mit zehn Millionen Barrel pro Tag. Alle übrigen ölproduzierenden Staaten erreichen lediglich Fördermengen zwischen 3,1 und 4,2 Millionen Barrel pro Tag.
Während Russland unabhängig agiert, gehört Saudi-Arabien mit elf weiteren Staaten zur Organisation erdölexportierender Länder (Opec). Auf die Opec
entfallen 43 Prozent der weltweiten Ölförderung. Die Opec kontrolliert die Preisbildung auf dem Ölmarkt durch die Festlegung der Förderquoten. Im Gegensatz zu Russland, wo die technischen Möglichkeiten eine Steigerung der Fördermengen nicht zuließen, habe Saudi-Arabien noch die Möglichkeit, die Fördermenge um bis zu drei Millionen Barrel pro Tag zu steigern, sagt Nikolai Issain vom Institut für Energetische Strategien. Issain hält die Pläne, die russischen Fördermengen zu reduzieren, für kaum realisierbar: „Im Alleingang hat Russland keine Chance“, konstatiert er. Um Einfluss auf die Ölpreisentwicklung nehmen zu können, müsste Russland die tägliche Fördermenge um ein Drittel, also rund vier Millionen Barrel, senken. Theoretisch könnte daraus eine Ölpreissteigerung von etwa 15 bis 25 US-Dollar pro Barrel resultieren, glaubt Valeri Polchowski vom Forex Club. Dann könnte Russland die im Haushaltsplan für das Jahr 2015 festgeschriebene Marke von um die 100 US-Dollar erreichen. Andererseits müsste Russland dabei empfindliche Verluste hinnehmen. Denn eine Senkung der Fördermengen lässt auch die Einnahmen der russischen Erdölindustrie sinken und hätte entsprechend Auswirkungen auf den russischen Staatshaushalt.
Geringere Fördermengen sind riskant
Zudem droht Russland bei einer Reduzierung der Fördermengen seine angestammten Absatzmärkte zu verlieren. „Ein Rückzug Russlands vom Markt werden der Iran, Saudi-Arabien und andere Ölproduzenten mit Begeisterung aufnehmen. Erstens steigen die Preise und zweitens können sie zu diesen hohen Preisen auch noch ihren Export ausweiten“, sagt Polchowski. Russland könnte außerdem das bisherige Image eines zuverlässigen Lieferanten verlieren. Lieferverträge auf dem Ölmarkt sind langfristig angelegt. Russisches Öl später wieder auf den Markt zurückzubringen, könnte außerdem schwer werden.
Die russische Zeitung „Wsgljad“ hat dazu Experten befragt, die empfehlen, dass Russland sich mit anderen ölproduzierenden Staaten zusammenschließt. Der einfachste Weg wäre ein strategischer Verbund der Staaten der GUS. Diese, Russland ausgenommen, haben allerdings lediglich
einen Anteil von 25 Prozent am russischen Fördervolumen. Issain hält den Einfluss eines solchen Verbundes auf dem Weltmarkt für begrenzt. Es gab bereits zuvor Initiativen, eine Alternative zur Opec zu schaffen. Etwa die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der Kasachstan, Kirgisien, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und China angehören. Deren Ölfördermengen reichen jedoch nicht an die der Opec heran. Daher müsse Russland wohl die Zusammenarbeit mit der Opec ausbauen oder ihr vielleicht sogar beitreten.
Russland könnte sich aber auch Spannungen innerhalb der Opec zunutze machen. Opec-Mitglieder wie der Iran, der Irak, Nigeria, Venezuela und Ecuador wollen eine zügige Drosselung der Fördermengen, dagegen stellen sich die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait. Saudi-Arabien hat sich in dieser Frage noch nicht eindeutig positioniert. „Nach inoffiziellen Meldungen führen Russland und Saudi-Arabien derzeit separate Verhandlungen über gemeinsame Maßnahmen zur Erhöhung der Ölpreise“, berichtet Alexei Kokin, Analyst beim Finanzunternehmen Uralsib. Russlands Außenminister Sergei Lawrow betonte am Freitag nach einem Gespräch mit seinem saudischen Amtskollegen Saud al-Faisal, dass beide Länder grundsätzlich der Meinung seien, die Preisbildung sollte am Markt erfolgen. „Der Markt darf nicht als Arena für politische Spiele missbraucht werden“, sagte Lawrow gegenüber Journalisten. Die nächste Opec-Konferenz findet am Donnerstag in Wien statt.
Nach Materialien der Zeitungen „Wsgljad“ und Gazeta.ru.
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