Wie verbotene Lebensmittel den Weg nach Russland finden

Früher haben die belarussischen Fleischkombinate überhaupt keine Importrohprodukte verarbeitet, aber das habe sich inzwischen etwas verändert, meinen Experten. Foto: Ramil Sitdikov / RIA Novosti

Früher haben die belarussischen Fleischkombinate überhaupt keine Importrohprodukte verarbeitet, aber das habe sich inzwischen etwas verändert, meinen Experten. Foto: Ramil Sitdikov / RIA Novosti

Eine Reihe von Lebensmitteln findet trotz Embargo den Weg nach Russland. Die Importeure nutzen Re-Exporte oder die Waren werden einfach umdeklariert. Die russische Verbraucherschutzbehörde Rosselchosnadsor will dem ein Ende bereiten und setzt auf stärkere Kontrollen – mit Erfolg.

Wird das russische Embargo gegen bestimmte Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte aus den USA, der Europäischen Union, Norwegen, Australien und anderen westlichen Staaten, die die Sanktionen gegen Russland unterstützen, von findigen Importeuren ausgehöhlt? Die russische Aufsichts- und Inspektionsbehörde des russischen Landwirtschaftsministeriums Rosselchosnadsor hat nun die Schweiz gebeten, bis zum 5. Dezember Auskunft über die Herkunft von nach Russland eingeführtem Obst und Gemüse zu geben. Hintergrund sind auffällig gestiegene Importraten.

So wurden seit dem Embargo bis zu vierhundert Mal mehr Äpfel aus der Schweiz importiert als im Vorjahr. Es besteht der Verdacht, dass die Äpfel nicht schweizerischen Ursprungs sind, sondern es sich um Re-Exporte handelt. Nicht nur die Schweiz steht unter Verdacht, auf diese Weise das Embargo zu umgehen, sondern auch Albanien, Mazedonien und Belarus.

Daher ist ein Einfuhrverbot aus diesen Ländern in der Diskussion. Außerdem sind bereits seit Mitte November die Einfuhr von Fleisch aus Montenegro eingeschränkt sowie Fleisch- und Obstlieferungen aus Moldau und Obst und Gemüse aus der Ukraine. Auch hier vermutet  Rosselchosnadsor Re-Exporte.   

Belarus erhöhte nicht einmal einen Monat nach Inkrafttreten des russischen Lebensmittelembargos drastisch den Ankauf von Agrarrohstoffen aus Nicht-GUS-Ländern. Der Import von Milchprodukten stieg im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat um das 117-fache, der von Obst und Gemüse um das Doppelte. Die Einfuhr von Fisch nahm ebenfalls deutlich zu. Zwischen Russland und Belarus gibt es keine Zollkontrollen. Fracht, die über Belarus nach Russland geliefert wird, kann nach den Regeln der Eurasischen Zollunion in jedem dieser Länder abgefertigt werden. Inzwischen ziehen es die Importeure vor, die Verzollung in Belarus durchzuführen.

Rosselchosnadsor versucht daher, den Güterstrom anderweitig zu kontrollieren. Die Behörde eröffnete am 11. August sechs Kontrollstellen an der Grenze zwischen Russland und Belarus. Deren Aufgabe ist es, Proben in den grenznahen Gemüsemärkten und Großhandelslagern zu nehmen. Täglich kontrollieren die Mitarbeiter außerdem bis zu 50 Lastwagen. Ein bis zwei Verstöße gegen das russische Embargo stellen sie pro Tag fest, berichtet Nina Anischtschenkowa, stellvertretende Leiterin der Rosselchosnadsor-Abteilung Pflanzengesundheitliche Quarantänekontrolle an der Staatsgrenze, in der Zeitung „Wedomosti“. Und nicht selten stießen die Inspektoren in den Zollunterlagen auf Ungereimtheiten. Zum Beispiel sei unlängst eine Fracht Äpfel kontrolliert worden, für die ein Ursprungszeugnis für Birnen ausgestellt worden war, so Anischtschenkowa. Offenbar wird in Belarus nicht so genau oder gleich gar nicht hingeschaut.

 

Weniger Verstöße als zu Beginn des Embargos

Dennoch gebe es deutlich weniger Verstöße als noch im August, unmittelbar nach der Einführung der Sanktionen, merkt Nina Anischtschenkowa weiter an. Damals seien sogar Lebensmittel ohne Beschriftung oder mit eindeutig falscher Markierung nach Russland geliefert worden. Die erfahrenen Mitarbeiter von Rosselchosnadsor entdeckten unter dem angeblich belarussischen Obst und Gemüse holländisches Weißkraut und spanische Pflaumen. Inzwischen kämen hier Lieferungen mit Ursprungszeugnissen aus Ländern an, die man als Agrarexporteure früher gar nicht kannte, wie zum Beispiel Marokko, Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien, sagt Anischtschenkowa.

Vom 11. August bis 12. November kontrollierte Rosselchosnadsor etwa  90 000 Tonnen Fracht, von denen 72 Prozent Re-Exporte nach Belarus waren, die dort abgefertigt wurden. Die verzollten Waren stammten laut Frachtpapieren aus Ländern, die nicht vom russischen Lebensmittelembargo betroffen sind: aus der Türkei, Mazedonien, Albanien, Israel, Chile, Serbien, Marokko, Bosnien und Herzegowina und sogar aus Südafrika.

Bei den 5 660 Fuhren wurden lediglich 213 Verstöße gemeldet. In 80 Prozent der Fälle bestand das Problem darin, dass die Einfuhr der Produkte ohne jegliche Pflanzengesundheitszeugnisse und Markierungen erfolgte. Es handelte sich dabei vor allem um Kartoffeln, Möhren und Rüben. In den übrigen Fällen wurde versucht, verbotene Produkte als erlaubte Erzeugnisse zu deklarieren. So waren zum Beispiel moldauisches, polnisches, ungarisches, italienisches und spanisches Obst und Gemüse in den Pflanzengesundheitszeugnissen als belarussische Produkte aufgeführt. „Die Markierung war zum Teil ganz gezielt entfernt worden, man konnte aber noch Überreste der alten Etiketten mit der Aufschrift ‚Spanien‘ oder ‚Polen‘ erkennen“, berichtet Alexander Isajew, Leiter der Verwaltung für pflanzengesundheitliche Aufsicht von Rosselchosnadsor.

Der größte Teil der nach Belarus importierten Lebensmittel wird dort weiterverarbeitet und darf sich dann ganz legal belarussisch nennen. Unmittelbar nach Einführung des Lebensmittelembargos rief Präsident

Alexander Lukaschenko die einheimischen Agrarerzeuger dazu auf, die Lebensmittellieferungen nach Russland zu steigern. Hergestellt werden könnten diese Produkte, so Lukaschenkos Überlegung, aus den billiger gewordenen europäischen Rohstoffen. So ist zum Beispiel der zunehmende Import europäischer Milch aus Lettland, Polen und Litauen zu erklären, die die Belarussen für die Erzeugung von Käse und Trockenmilch verwenden. „Unsere Betriebe steigern den Ankauf aus Europa und sind bemüht, so viele Rohprodukte wie möglich zu erwerben, um den russischen Bedarf zu decken“, erklärt ein Mitarbeiter des Minsker Staatlichen Instituts für Fleisch- und Milchproduktion.

Nach Aussage der stellvertretenden Leiterin der Territorialverwaltung von Rosselchosnadsor, Antonina Garpenkos, wird auch der Fleischimport bald wieder zunehmen: „Früher haben die belarussischen Fleischkombinate praktisch überhaupt keine Importrohprodukte verarbeitet, aber das hat sich inzwischen etwas verändert.“

 

Nach Berichten der Zeitung „Wedomosti“ und eigenen Recherchen.

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