„Ohne South Stream wird es relativ schwierig, vor dem Hintergrund der instabilen Lage in der Ukraine Europa ausreichend mit Gas zu versorgen“, glauben Experten. Foto: Reuters
Der Bau des Unterwasser-Abschnitts der South-Stream-Pipeline verzögert sich um etwa einen Monat. Der voraussichtliche Baubeginn sei nun für den 15. Dezember geplant, doch den Termin habe man bislang nicht bestätigen können, teilte Wladimir Markow, Mitglied der Geschäftsführung von Gazprom, in einem Interview mit der russischen Wirtschaftszeitung „RBK-Daily“ mit. Er gehe aber davon aus, dass der Baubeginn noch planmäßig in diesem Jahr erfolgen werde. „Der genaue Zeitpunkt hängt davon ab, wann das Spezialschiff zur Verlegung der Rohre in russischen Hoheitsgewässern eintrifft und voll einsatzfähig ist“, erklärte die Presseabteilung von Gazprom auf Anfrage von RBTH. Russische Experten vermuten hinter der Verzögerung jedoch noch weitere Gründe.
Iwan Kapitonow, Dozent am Institut für staatliche Regulierung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst, weist auf mögliche Finanzierungsengpässe hin: „Kürzlich wurde bekannt, dass das Projekt deutlich teurer wird als geplant. Gazprom könnte Schwierigkeiten haben, die zusätzlichen Finanzmittel zu beschaffen“, meint er.
Zudem habe Bulgarien den Bau auf bulgarischem Staatsgebiet noch nicht zugestimmt, gibt Kaptionow als weiteren möglichen Grund für die Verzögerung des Baubeginns an. Zwar habe Ungarn bereits grünes Licht für den Bau gegeben, doch Bulgarien spiele beim Bau die wichtigste Rolle. Im August 2014 stoppte das bulgarische Ministerium für Wirtschaft und Energie das Projekt auf Druck der EU. South Stream verstößt nach ihrer Auffassung gegen die Bestimmungen des Dritten Energiepakets der EU. Demnach dürfen gasfördernde Konzerne auf dem Gebiet der EU nicht gleichzeitig Netzbetreiber sein.
Alexej Koslow von der Investmentgesellschaft UFS glaubt, dass die Verzögerung politisch motiviert sei und Gazprom sich aufgrund der Rubelschwäche, der angespannten Beziehungen zwischen Russland und der EU und der rückläufigen Konjunktur auf den Erdgas-Absatzmärkten bei der Realisierung des Projekts zurückhaltend zeige und die Strategie ändern wolle.
Blockade der EU und gestiegene Kosten
Anfang Oktober wurde bekannt, dass die Kosten des Unterwasser-Abschnitts von zehn auf 14 Milliarden Euro steigen. Der Abschnitt über europäisches Festland wird statt 6,6 voraussichtlich 9,5 Milliarden Euro kosten. Die Gesamtkosten des Projekts sind mit geschätzten 55 Milliarden Euro damit in etwa so hoch wie die Ebitda-Kennzahl von Gazprom im Jahr 2013. Der erste Bauabschnitt der Sila-Sibiri-Pipeline nach China soll ebenfalls mit 55 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Wladimir Markow erklärt, dass South Stream trotz der hohen Kosten profitabel sein werde. Gazprom stützt sich dabei auf die Investitionsrechnungsmethode IRR (Internal Rate of Return).
Der South Stream soll bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland durch das Schwarze Meer nach Europa bringen. Die geplante Route führt durch Bulgarien, Serbien, Österreich, Italien und Slowenien. Makedonien hat ebenfalls sein Interesse an dem Projekt bekundet. Ende 2015 soll South Stream, ausgehend von den bisherigen Planungen, in Betrieb genommen werden und die volle Leistung 2018 erreichen. Dann kann Russland bis zu 319 Milliarden Kubikmeter im Jahr durch seine Pipelines exportieren. Dabei ist die Pipeline durch die Ukraine nicht berücksichtigt. Bereits 2017 wird eine Liefermenge von 176 Milliarden Kubikmetern angestrebt. Damit könnte Gazprom 55 Prozent der europäischen Gasnachfrage decken, derzeit sind es 30 Prozent.
Alexej Uljukajew, russischer Minister für Wirtschaftsentwicklung, schloss allerdings nicht aus, dass die Realisierung von South Stream aus politischen Gründen vorerst auf Eis gelegt werden könnte. Am Donnerstag erklärte er der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, dass Russland das Projekt stoppen könne, wenn die EU es weiter blockieren werde. „South Stream ist eine Möglichkeit, die Transitrisiken für europäische Verbraucher zu senken“, sagte er. „Wenn die Europäer das wollen, dann bauen wir die Pipeline, wenn sie es nicht wollen, dann stoppen wir den Bau“, führte der Minister weiter aus. In diesem Falle trage die EU das alleinige Risiko eines Ausfalls von Gaslieferungen, warnte Uljukajew.
„Ohne South Stream wird es relativ schwierig, vor dem Hintergrund der instabilen Lage in der Ukraine Europa ausreichend mit Gas zu versorgen“, glaubt auch Kapitonow. Er hält das Projekt für alternativlos, das müsse auch die EU einsehen. „Es liegt vor allem im Interesse der EU, den Bau der Pipeline voranzutreiben, damit sie bereits Ende nächsten Jahres in Betrieb genommen werden kann“, meint er.
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