Ölpreis-Krise: Russland korrigiert Wachstumsprognose nach unten

Fallende Ölpreise werden nicht nur die russische, sondern auch die globale Wirtschaft bedrohen, vor allem in den Erdöl exportierenden Ländern, meinen Experten. Foto: Reuters

Fallende Ölpreise werden nicht nur die russische, sondern auch die globale Wirtschaft bedrohen, vor allem in den Erdöl exportierenden Ländern, meinen Experten. Foto: Reuters

Russlands Wirtschaft wird weniger wachsen als erwartet, denn der anhaltende niedrige Ölpreis macht ihr zu schaffen – die Exporteinnahmen sinken. In der Zukunft könnte der Preis für das schwarze Gold wegen des weltweit wachsenden Energiebedarfs aber wieder steigen.

Wenn der Ölpreis im Jahr 2015 auf 60 US-Dollar pro Barrel fallen sollte, droht der russischen Wirtschaft der Abstieg. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass Russlands Finanzminister Anton Siluanow für das kommende Jahr von einer Wachstumsprognose von nicht mehr als einem Prozent ausgehe, wenn die Wirtschaftssanktionen des Westens weiter andauern und der Ölpreis sich auf dem aktuellen Niveau von 80 US-Dollar pro Barrel einpendeln sollte. „Bei einem Preisniveau von 60 US-Dollar müssen wir den Haushalt straffen“, erklärte Siluanow laut Bloomberg. Das Zentrum für wirtschaftliche Entwicklung der Higher School of Economics, eine der führenden Hochschulen Russlands, hat Mitte November Ergebnisse einer Untersuchung vorgestellt, nach der die russische Wirtschaft bereits bei einem Ölpreis von 85 US-Dollar pro Barrel im ersten Quartal 2015 in die Rezession rutschen könnte.  

Sergej Hestanov, Dozent an der Fakultät für Banken- und Finanzwesen der Russischen Akademie für Wirtschaft und Verwaltung, erklärt die Auswirkungen des Ölpreises auf den russischen Staatshaushalt: „Die größte Gefahr fallender Ölpreise sind sinkende Einnahmen aus dem Export und damit weniger Einnahmen für den Staat. In diesem Fall müssten Ausgaben gekürzt werden oder ein Haushaltsdefizit droht.“ Beides wäre sowohl für Unternehmen als auch für die Bevölkerung ein schmerzhafter Einschnitt, sagt Hestanov. Der russische Haushalt basiert auf einem  Preis von 96 US-Dollar pro Barrel der Rohölmarke Brent. Ist der Preis geringer, wird der Haushalt aus einem Stabilisierungsfond, in den Überschüsse aus dem Öl- und Gasexport einfließen, unterstützt.

Hestanov glaubt, dass fallende Ölpreise nicht nur die russische, sondern auch die globale Wirtschaft bedrohen, vor allem in den Erdöl exportierenden

Ländern. Das könne sich auch negativ auf die soziale Stabilität dieser Länder auswirken, gibt er zu bedenken. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte bereits zuvor mehrfach davor gewarnt. „Putin sprach von einem Absturz der Weltwirtschaft, wenn der Ölpreis langfristig unter die Marke von 80 US-Dollar fällt“, erklärt Anton Soroko von der Investment-Holding Finam. Alexey Kozlov, Analyst bei der Investmentgesellschaft UFS-IC, stimmt ihm zu: „Eine dynamische Entwicklung der Weltwirtschaft ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass alle Beteiligten kontinuierlich wachsen. Wenn der Ölpreis unter die Marke von 80 US- Dollar je Barrel fällt, geraten viele ölexportierende Länder an den Rand der Rezession.“ Nach Einschätzung Sorokos droht zudem ein Investitionsstopp bei der Erschließung neuer, aber schwer zugänglicher Ressourcen. Die Folge könnten neben Verlusten aufseiten der Erdölexporteure auch geringere Liefermengen sein.  


Erdöl bleibt weltweit Energieträger Nummer eins

Nach der Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) vom 13. November wird der weltweite Bedarf an Energieträgern bis 2040 um 37 Prozent steigen. Es werden 16 Prozent mehr Erdöl und 40 Prozent mehr Erdgas benötigt. Im Jahr 2040 könnte der globale Rohölbedarf von 90 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2013 auf 104 Millionen Barrel täglich anstiegen. Eine zu geringe Nachfrage könne daher nicht der Grund für den kontinuierlich sinkenden Ölpreis sein, heißt es bei der IEA.

Dort geht man davon aus, dass der Ölpreis unter diesen Voraussetzungen wieder steigen wird, bis zum Jahr 2025 auf 118 US-Dollar und bis 2040 auf 132 bis 155 US-Dollar. Sergej Hestanov mahnt, solchen Prognosen mit Vorsicht zu begegnen: „Langfristige Voraussagen lasen sich für den Energiemarkt kaum treffen. In solchen Prognosen wird der schnelle

Fortschritt im Hinblick auf die Entwicklung neuer Technologien nicht berücksichtigt.“ Anton Soroko hingegen glaubt, dass Erdöl langfristig die bestverfügbare Energiequelle bleiben und den Energiemarkt weiterhin dominieren wird: „Natürlich läuft die Entwicklung alternativer Energien. Allerdings sind diese Alternativen derzeit weder wirtschaftlich ausgereift noch marktfähig.“  

Seit Juni dieses Jahres ist der Preis für ein Barrel der Rohölmarke Brent um 30 Prozent gesunken. Am 18. November betrug er 79 US-Dollar. Grund ist der Anstieg der Fördermengen in den USA. Schon vor den Gesprächen der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) in der österreichischen Hauptstadt Wien vergangene Woche trafen sich der russische Energieminister Alexander Nowak und Rafael Ramirez, Außenminister von Venezuela in Caracas, um nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg über Maßnahmen zur Stabilisierung des Ölpreises zu beraten.  

Von der Opec ist keine Hilfe zu erwarten. Das Ölkartell hat am vergangenen Donnerstag beschlossen, vorerst nichts gegen den niedrigen Ölpreis zu unternehmen.

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