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Im offiziellen Amtsblatt der Europäischen Union wurden Korrekturen zu zwei Sanktions-Verordnungen vom 31. Juli und 8. September 2014 veröffentlicht. Damals schränkte der Rat der Europäischen Union den Zugang russischer Staatsbanken und staatlicher Erdölunternehmen zum europäischen Finanzsystem und den Zugang des Erdölsektors zu Importtechnologien und technischen Ausrüstungen ein.
Die EU gestattet russischen Banken nun teilweise wieder die Kreditaufnahme. Diese Lockerung erfolgte allerdings nicht uneigennützig. In der Verordnung des Rates der Europäischen Union heißt es, dass den von den Sanktionen betroffenen russischen Banken, darunter die Sberbank, VTB, Gazprombank, Rosselchosbank und Wneschekonombank, die Aufnahme von EU-Krediten mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen wieder gestattet wird, um deren Tochterunternehmen auf dem Territorium der Europäischen Union zu unterstützen. Als Tochterunternehmen gelten in diesem Falle juristische Personen, die in Ländern der Europäischen Union registriert sind und über einen Anteil von mehr als 50 Prozent an einer von den Sanktionen betroffenen Banken verfügen.
„Die Tochterunternehmen unter anderem der Sberbank Russland und der VTB sind große Kreditinstitute, die Zehntausende Kunden in den Ländern der EU haben", erläutert Alexej Abramow, führender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Analyse des Finanzsystems an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst. „Sie arbeiten unter den Bedingungen einer Eigenfinanzierung, daher wirken sich Sanktionen negativ auf die EU-Kunden aus", führt er weiter aus und erinnert daran, dass aus diesem Grunde bereits vor einigen Monaten die USA und die EU in Bezug auf ein türkisches Tochterunternehmen der Sberbank Sanktionen gelockert hätten.
In ihrer neuen Verordnung passte die EU auch andere bisherige Regelungen an. Im September waren bereits Kredite zugunsten von drei Erdölunternehmen und fünf Staatsbanken genehmigt worden, mit dem Ziel, „die Finanzierung des Im- und Exports nicht verbotener Waren und Dienstleistungen" zwischen der Europäischen Union und Russland zu ermöglichen. Nun wird hinter Russland der Zusatz „oder jedem anderen Staat" hinzugefügt. Die EU will nicht, dass die Kreditfristen für russische Unternehmen ihrem Handel mit Nicht-EU-Ländern schaden.
Die EU profitiert von einer Lockerung der Sanktionen
„Die Richtlinien zur Finanzierung des legalen Im- und Exports deuten auf ein Geschäft zum gegenseitigen Vorteil hin. Sie legalisieren formal den Re-Export über Drittstaaten, was lukrativ für die Europäische Union ist. Im Gegenzug erhalten russische Unternehmen das Recht, sich über den europäischen Kreditmarkt zu finanzieren", so Abramow.
Ebenso legte die EU fest, dass das Zugangsverbot zu einer Fremdfinanzierung sich nicht auf die Tranchen der Kredite beziehe, die vor dem 12. September aufgenommen wurden, wenn alle Parameter dieser
Tranchen noch vor diesem Datum abgestimmt wurden und sich später nicht geändert hätten. Dies betrifft übrigens nicht nur die von den Sanktionen betroffenen Banken, sondern auch die russischen Erdölunternehmen Rosneft, Gazpromneft und Transneft.
„Zweifellos hat diese Präzisierung in den Formulierungen der EU einen positiven Charakter, bedeutet jedoch noch keine grundlegende Änderung im Umgang mit den russischen Banken", dämpft Kira Juchtenko, Analystin der Brokergesellschaft FBS, allzu großen Optimismus. „Die Korrekturen sind vielmehr auf die Stabilisierung des Finanzsystems der Europäischen Union und den Schutz der Interessen europäischer Bürger gerichtet und stellen wohl kaum ein Entgegenkommen gegenüber Russland dar", betont Juchtenko. Europa sei offensichtlich daran interessiert, die negativen Auswirkungen der Kreditbeschränkungen auf den Handel mit Nicht-EU-Mitgliedstaaten, zu denen zum Beispiel die Ukraine zählt, so gering wie möglich zu halten. „Die langfristigen Probleme der russischen Banken, die durch die Sanktionen hervorgerufen wurden, werden durch diese Korrekturen nicht gelöst", schlussfolgert die Expertin.
Für die Ölindustrie durften bisher bestimmte Güter nicht geliefert und Dienstleistungen, insbesondere Bohrungen, nicht erbracht werden, wenn sie für die Bereiche Erdölexploration und -förderung in der Tiefsee und der Arktis sowie bei Schieferölprojekten in Russland eingesetzt werden sollten. Hier hat die EU Lockerungen eingeführt, die Sanktionen betreffen nun nicht mehr Lagerstätten auf dem Festland. Diese Änderung wird allerdings kaum Folgen haben, wie Michail Krutuchin von der Consultingfirma RusEnergy
erklärt. Zwar realisierten die russischen Erdölunternehmen recht viele Projekte auf dem Festland, wie zum Beispiel das Erdölvorkommen Charjaginskoje und die Lagerstätte Nowoportowskoje von Gazpromneft sowie die Lagerstätte Wankorskij Blok von Rosneft. An der Erschließung dieser Lagerstätten seien ausländische Unternehmen mit Ausnahme von Wankorskij jedoch nicht beteiligt, so der Experte. In Wankorskij wirken Unternehmen aus China und Indien mit", ergänzt Krutuchin.
Natalja Debedewa, Generaldirektorin des Consultingunternehmens Miraville Group, unterstreicht, dass Russland über sämtliche Technologien zur Erdölförderung auf dem Festland verfüge, weshalb die Sanktionen die Projekte auf dem Festland nicht betreffen. Debedewa bemerkt außerdem, dass der größte Partner im Westen für Russland im Nordpolargebiet der Konzern ExxonMobil sei. „Sollte der Druck vonseiten der Europäischen Union zunehmen, wird Russland die notwendigen Technologien wahrscheinlich bei dem brasilianischen Unternehmen Petrobras sowie der Gesellschaft Petromiranda, an dem der venezolanische Staatskonzern PDVSA 60 Prozent hält, nachfragen. Diese Unternehmen haben sich auf die Erdölförderung mit Offshore-Bohrinseln spezialisiert", fügt die Expertin hinzu.
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