Moody‘s gehört zu den „Big Three“ der Ratingagenturen. Foto: AFP / EastNews
Die internationalen Ratingagenturen bewerten Russland als Land, in das auch weiterhin investiert werden kann, ungeachtet der negativen geopolitischen Faktoren und der gegen das Land ausgesprochenen Sanktionen. Die Ende Oktober aktualisierten Ratings von Moody’s und Standard & Poor‘s stufen Russland auf „Investitionsniveau“ ein, auch wenn Moody’s sein Rating um eine Stufe auf Baa2 gesenkt hat. Standard & Poor‘s seinerseits korrigierte seine Bewertung nicht und beließ seine Einschätzung bei BBB-, d.h. der untersten Stufe der Kategorie „Durchschnittlich gute Anlage“, bei der – bei einer Verschlechterung der Gesamtwirtschaft – mit Problemen zu rechnen ist. „Diese Prognose spiegelt unsere Sichtweise wider und wir können Russlands Rating in den kommenden 18 Monaten herabsetzen, wenn die Devisenreserven sich schneller verringern als wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt annehmen“, heißt es bei Standard & Poor‘s. Als einer der Risikofaktoren wurde von der Agentur die Möglichkeit einer „weiteren Verschärfung der Sanktionen aufgrund des Konfliktes in der Ukraine“ genannt.
„Im gewissen Sinne kann die Beibehaltung des Kreditratings Russlands auf der untersten „Investitionsstufe“ als Methode des politischen Drucks bezeichnet werden“, meint Kira Juchtenko, Analystin der Brokergesellschaft FBS. Bereits im Juli 2014 hatte Fitch – eine andere Ratinggesellschaft der „Großen Drei“ – Russlands langfristiges Rating in ausländischer und nationaler Währung auf das Investitionsniveau BBB herabgesetzt.
Die Bedeutung dieser Entscheidung
An der Bewertung der Ratingagenturen orientieren sich in erster Linie internationale Investoren. „Konservative europäische und US-amerikanische Investoren haben sich bereits im ersten Halbjahr 2014 aus russischen Anlagen zurückgezogen. Risikofreudige Investoren hingegen sind auch weiterhin bereit, unsere Aktiva zu erwerben“, erzählt Kira Juchtenko. Nach
den Worten Maxim Petronewitschs, stellvertretender Leiter des Zentrums für Wirtschaftsprognosen der Gazprombank, einer der größten Banken Russlands, lassen sich die institutionellen Investoren bei der Auswahl ihrer Projekte davon leiten, dass mindestens einer der ausgewählten Anleihenzeichner über ein Rating auf Investitionsniveau verfügt. Dadurch hat sich die russische Wirtschaft die entsprechenden Investitionschancen bewahrt.
Anfangs zog die russische Regierung noch gegen eine mögliche Abwertung des Kreditratings zu Felde. So bezeichnete zum Beispiel der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew im Oktober 2014 eine mögliche Senkung der russischen Bonität als Folge von Inkompetenz oder Voreingenommenheit der Ratingagenturen. Nach den Worten des Ministers verfüge Russland mit weniger als 3% des BIP über eine sehr geringe Auslandsverschuldung, und die gesamte Staatsverschuldung, einschließlich der Schuldverschreibungen, wird auf 11% des BIP geschätzt, was ein Bruchteil des in Europa üblichen Niveaus ist. Laut dem Maastrichter Vertrag beträgt das zulässige Niveau der Auslandsverschuldung in der Europäischen Union 60%.
Politischer Kontext
Bereits früher schon haben andere Länder ihre Unzufriedenheit mit der Arbeit der „Großen Drei“ zum Ausdruck gebracht. 2011 wurde Standard & Poor’s von der US-amerikanischen Verwaltung kritisiert, als die Agentur die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten von AAA auf AA+ heruntergestuft hatte.
Als dann Standard & Poor‘s im April 2014 das souveräne Rating Russlands um eine Position herabstufte, wurde in der Regierung die Gründung einer eigenen Ratingagentur angeregt, die eine Konkurrenz zu den „Großen Drei“ darstellen könnte. Später wurde beschlossen, zur Gründung der neuen Agentur internationale Partner hinzuzuziehen. Im Ergebnis entstand die Agentur Universal Credit Rating Group, an der zum gegenwärtigen Zeitpunkt die russische RusRating, die chinesische Agentur Dagong Global Credit
Rating Co. Ltd. und die US-amerikanische Egan-Jones Ratings beteiligt sind. „Es war zielführender, diese Agentur in einem Konsortium mit Agenturen anderer Länder zu schaffen“, erklärte der Generaldirektor von RusRating, des russischen Gesellschafters der neuen Agentur, Alexander Sajzew, gegenüber RBTH. Im Endergebnis könnte das neue Projekt die Unterstützung durch die russische Regierung finden.
Die verstärkte Kritik an den „Großen Drei“ macht das Projekt einer alternativen Ratingagentur prinzipiell realisierbar, sagt Sergej Hestanow, Professor für Finanzen und Bankenwesen an der russischen Akademie für Volkswirtschaft und staatliche Verwaltung. Der Prozess, in dem die Agentur ein gewisses Vertrauen und Gewicht am Markt erlangen kann, wird kein schneller und einfacher sein. „Realistisch betrachtet wird dies mindestens fünf bis sieben Jahre dauern“, erklärt der Experte.
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