Billiges Öl: Eine Chance für Russlands Wirtschaft?

Foto: PhotoXPress

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Wie wird die Wirtschaft Russlands 2015 aussehen? Sollte der Ölpreis auf 60 US-Dollar das Barrel sinken, würde die russische Wirtschaft laut russischem Finanz- und Wirtschaftsministerium in eine Rezession abrutschen. Wirtschaftsexperten merken jedoch an, dass billiges Öl und ein niedriger Rubelkurs gute Bedingungen für ausländische Unternehmen schaffen, den russischen Markt zu erschließen.

Seit September ist das Öl auf den Weltmärkten um fast ein Drittel billiger geworden. Brent-Rohöl wird derzeit für 60 US-Dollar pro Barrel gehandelt. Der russische Haushalt für die nächsten drei Jahre, der sich zu 60 Prozent aus Einnahmen durch den Export des Rohstoffs zusammensetzt, basiert auf einem Ölpreis von 96 US-Dollar pro Barrel. Die für die Wirtschaft zuständigen Behörden Russlands haben bereits begonnen, ihre Prognosen für 2015 zu überprüfen; das Finanzministerium hat einen Ersatzhaushaltsplan vorbereitet. Er sieht eine Änderung des ursprünglichen Plans unter Berücksichtigung eines Ölpreises von 80 US-Dollar pro Barrel vor.

Die russische Zentralbank schlägt vor, bei den Prognosen von einem Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel auszugehen. Bisher deuten die Zahlen der Zentralbank noch nicht auf eine Rezession hin, doch laut der Prognosen von Experten könnte das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 bis 1,7 Prozent schrumpfen – zum Vergleich: Noch im September ging das russische Wirtschaftsministerium von einem Wachstum von 1,2 Prozent aus. Doch die Zentralbank rechnet damit, dass der Abwärtstrend bereits im Jahr 2016 vorbei sein wird.

 

Verteuerung der Importe hilft der Wirtschaft

Wirtschaftswachstum wird durch teuren Import gefördert.  „Unter solchen Umständen müssen die Importeure, die schon jetzt fast völlig ihre Gewinnspanne verloren haben, große Verluste hinnehmen", meint Maxim Petronewitsch Chefanalyst des Zentrums für Wirtschaftsprognosen der Gazprombank.

Teure Importe setzen laut Experten zwei Prozesse in Gang. Zum einen komme es zu einer Diversifikation der Importe. Dies bedeute, dass russische Auftraggeber nach günstigeren Angeboten in anderen Ländern suchen, zum Beispiel in Asien, erklärt Maksim Petronewitsch. „Der zweite Prozess ist die Entwicklung der Importsubstitutionen, also die Erhöhung der Eigenproduktion statt dem Kauf im Ausland. Hier ist die Rede von technisch nicht sehr komplexer Produktion", erklärt der Ökonom Sergei Chestanow. Dies könnte zum Beispiel im Bereich der Montage oder der Lebensmittelindustrie geschehen.

Eine ähnliche Situation entstand auch während der Krise 1998, als der Rubelkurs innerhalb eines halben Jahres um fast 70 Prozent gefallen war,

von sechs Rubel für einen Dollar auf 21 Rubel für einen Dollar. „1998 hat die Entwertung des Rubels die russische Lebensmittelproduktion stark angekurbelt", erinnert sich Chestanow. „Zum Beispiel haben die russischen Speiseeisfabrikanten damals Gewinne verzeichnet. Bis dahin war günstiges, polnisches Speiseeeis eine große Konkurrenz gewesen. Doch die polnischen Hersteller haben Verluste durch die Entwertung des Rubels erlitten. Resultat war, dass die russische Produktion anstieg und sich die Hersteller den Markt zurückerobert haben."

Von einer starken Geldentwertung profitieren auch die Bereiche der Petrochemie und Metallverarbeitung, denn die Ausgaben in diesen Bereichen werden in Rubeln getätigt, während die Unternehmen exportieren und ihre Erlöse in anderen Währungen erhalten. „Die sich so entwickelnde Situation kann einen Anstieg des Exports fördern und die Einnahmen in der Petrochemie und Metallverarbeitung fördern. Doch hier müssen mit der WTO Verhandlungen über die Senkung der Zölle und über die Quoten geführt werden."

 

Die Produktionskraft könnte steigen

Ein weiterer Wachstumsmotor für die Wirtschaft könnte der Ausbau der Produktion sein. Die von RBTH befragten Experten merken an, dass das Interesse seitens ausländischer Investoren wachsen werde. „Dabei ist es

wichtig, dass bereits der Bau der Fabriken das Wirtschaftswachstum ankurbeln wird, nicht nur die dann folgende Produktion", so Petronewitsch. Bei einem niedrigen Rubelpreis sinken in Russland die Ausgaben für Löhne und Rohstoffe. „Ausländische Konzerne, die bereits Projekte in Russland unterhalten, machen Gewinne und der Mehrwert der russischen Produktion steigt. Was gemeinsame Unternehmungen angeht, so ist es sinnvoll, die Produktion zu erweitern, zum Beispiel um Komponenten, die bisher im Ausland gekauft werden mussten", meint Sergei Chestanow.

„In Zukunft könnten auch die einzelnen Regionen Russlands, in denen Versuche unternommen werden, das Geschäftsklima zu verbessern, zu Wachstumsmotoren werden. Dazu gehören zum Beispiel Tatarstan, Südossetien, Mordowien und die Regionen Kaluga und Rostow", fügt Jelisaweta Belugrina, Analystin der Brokergesellschaft FBS, hinzu.

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