Rubelkrise: Zentralbank schnürt Rettungspaket

Die russische Zentralbank setzt auf Zinserhöhungen und weniger Regulierung.   Foto: Reuters

Die russische Zentralbank setzt auf Zinserhöhungen und weniger Regulierung. Foto: Reuters

Nach den dramatischen Kursverlusten des Rubels in der vergangenen Woche hat die russische Zentralbank einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, um die Talfahrt zu stoppen. Experten kritisieren diese Maßnahmen als zu oberflächlich und fordern eine stärkere Regulierung des russischen Finanzmarktes.

Die russische Zentralbank hat vergangene Woche eine Liste mit außerordentlichen Maßnahmen zur Unterstützung des Finanzsektors vorgelegt. Vorangegangen war ein erneuter Absturz der russischen Währung um 30 Prozent. Seit Anfang September hat der Rubel etwa 70 Prozent seines Wertes verloren.

Die Zentralbank empfiehlt, die Möglichkeiten von Großbanken in Bezug auf Währungs- und Zinsrisiken zu erweitern, um ihre Kreditnehmer, darunter vor allem Großkonzerne, vor einem eventuellen Schuldnerverzug zu retten. Die Zentralbank erlaubt es Banken zudem, Devisenaktiva und Bankverbindlichkeiten nach einem gemittelten Kurs des vorangegangenen Quartals zu berechnen, was etwa die Hälfte vom derzeitig marktüblichen Kurs ausmacht. Die Banken können keine zusätzlichen Reserven zu den Anleihen ihrer Kreditnehmer bilden, deren Finanzsituation sich wegen der Sanktionen, die gegen russische Wirtschaftssektoren verhängt worden sind, verändert hat.

Der Staat hat nun vorgeschlagen, einen Teil der Devisenschulden von Unternehmen mit Mitteln des Nationalen Wohlstandsfonds, der sich aus Gewinnen der Erdölbranche speist, aufzukaufen und eine weitere Kapitalisierung der größten staatlichen Banken vorzunehmen. Experten halten diese Maßnahmen für nicht ausreichend, um das russische Finanzsystem zu stabilisieren.

Konstantin Andrianow, Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Ranepa, fordert einen prinzipiellen und grundsätzlichen Kurswechsel in der russischen Geld- und Kreditpolitik. „Im Allgemeinen schlägt die Zentralbank nur oberflächlich korrigierende Maßnahmen vor", kritisiert er. Die aktuelle Situation erfordere jedoch fundamentale Änderungen. „Weder darf aktuell die monetäre Politik verschärft werden, noch sollte eine Geldklemme geschaffen werden", findet er und schlägt vor: „Es wären im Gegenteil die Politik einer quantitativen Lockerung und ein Anstieg der Geldmenge angebracht." Dazu sollten seiner Meinung nach Quellen für eine langfristige Finanzierung der inländischen Industrie gefunden werden. Der Leitzins dürfe nicht über der Durchschnittsprofitrate von Investitionen in die nationale Wirtschaft liegen, sagt Andrianow. Die Zentralbank hat den Leitzins zuletzt auf 17 Prozent erhöht.

 

Experten fordern stärkere Regulierung der Finanzmärkte

Andrianow glaubt zudem, dass man von der freien Rubelkursbildung Abstand nehmen und zumindest zur gesteuerten Kursbildung zurückkehren sollte. Die gravierende Entwertung der russischen Währung begann unter anderem, nachdem die Zentralbank im Oktober die freie Rubelkursbildung

angekündigt und den Verkauf von US-Dollar, der die nationale Währung unterstützen sollte, eingestellt hatte. Die gravierende Entwertung des Rubels sei ein Stresstest für das russische Bankensystem gewesen, sagt Anton Soroko, Analyst der Investmentholding Finam. Die Banken hätten zum einen ihre Preispolitik umgehend ändern müssen. Außerdem seien die Banken gezwungen gewesen, laufende Verbindlichkeiten neu zu bewerten und langfristige Prognosen für die Branchenentwicklung zu korrigieren, was sich unmittelbar auf das operative Geschäft ausgewirkt habe, erklärt Soroko.

Marktbeobachter befürworten mehrheitlich größere Eingriffe in die Kredit- und Geldpolitik. „Die Stabilität des russischen Finanzsystems könnte durch eine strengere Regulierung am Devisenmarkt und am Kreditmarkt gewährleistet werden", sagt Platon Maguta, Anlagenverwalter der Treuhandgesellschaft Maguta Fonds. Seiner Meinung nach ist es offensichtlich, dass der derzeitige Kurs der russischen Währung und die Verzinsung von Schuldverschreibungen, unter anderem von Staatsanleihen, nicht der Wirtschaftssituation entsprechen. „Eine Verzinsung von Schuldinstrumenten mit 14 bis 20 Prozent passt angesichts fehlender

Schuldnerverzugsrisiken in dieser schwierigen makroökonomischen Situation nicht", behauptet Maguta. Auch die hohe Volatilität der russischen Währung hält er für auffällig. Der Rubel schwankt zuweilen um 20 Prozent innerhalb eines Tages.

„Der Rubel ist zweifellos überverkauft. Hauptgrund dafür ist eine starke Kapitalflucht, für die es mehrere Ursachen gibt", glaubt Alexej Koslow, Chefanalyst bei UFS IC. Zu diesen Ursachen gehören laut Koslow geopolitische Risiken, die Sanktionen und der rückläufige Ölpreis. Das mache eine Schwächung der russischen Währung zum Ausgleich des Staatshaushaltes erforderlich. Koslow ist überzeugt, dass sich die russische Wirtschaft wieder erholen könne, vor allem wenn die Rohstoffabhängigkeit abnehme.

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