In Russland gibt es immer mehr Arbeitslose

Arbeitslosigkeit kostet die russische Regierung fast 700 Millionen Euro. Foto: TASS

Arbeitslosigkeit kostet die russische Regierung fast 700 Millionen Euro. Foto: TASS

Mit einer Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent steht Russland im internationalen Vergleich gut da. Allerdings geht die aktuelle Arbeitsmarkstatistik von steigenden Arbeitslosenzahlen für 2015 aus. Erzwungene Teilzeit- oder Kurzarbeit ist auf dem Vormarsch. Besonders betroffen sind industriell geprägte Regionen.

52 Milliarden Rubel, umgerechnet etwa 696 Millionen Euro, stellt die russische Regierung im Jahr 2015 für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Land zur Verfügung. Dabei schneidet Russland im internationalen Vergleich mit einer Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent noch relativ gut ab. Das russische Wirtschaftsministerium geht im Jahr 2015 jedoch von einem Anstieg auf sechs Prozent aus. Zur Erinnerung: Während der letzten großen Wirtschaftskrise 2008/2009 stieg die Arbeitslosigkeit von 6,2 auf 8,3 Prozent.

Die russische Arbeitslosenstatistik wird seit Ende 2014 wöchentlich aktualisiert. Nach Angaben des Arbeitsministeriums ist die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen in der Woche vom 21. bis zum 28. Januar 2015 um 3,4 Prozent gestiegen. Außerdem stuft das Ministerium 235 000 Personen als von baldiger Entlassung bedroht ein. Dabei handelt es sich zumeist um Arbeiter aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau oder solchen, die bei der Produktion von Elektronikartikeln, Baumaterialien und Lebensmitteln beschäftigt sind.

 

Bestimmte Regionen trifft es besonders hart

Wera Kononowa vom Institut für Komplexe Strategieforschung sieht die größten Risiken „bei Betrieben, die von sinkender Nachfrage betroffen sind oder die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen." Für diese Unternehmen hänge viel von einer Unterstützung durch den Staat ab, sagt die Wissenschaftlerin.

Entlassungen drohen laut Arbeitsministerium vor allem in der industriell geprägten Region Tscheljabinsk, die etwa 1 800 km östlich von Moskau liegt. Bis zum Mai 2015 plant die örtliche Traktoren-Fabrik 82 Prozent der

Belegschaft zu entlassen. 6 100 Menschen könnten dadurch ihre Arbeit verlieren. Das Volvo-Werk in der Region Kaluga bereitet sich auf Personalkürzungen in Höhe von 30 Prozent vor, weil die LKW-Produktion zurzeit vollständig ruht. Treffen kann es jeden, vom Arbeiter bis zur Führungskraft. „Zur Risikogruppe gehören Mitarbeiter im Marketing, Sales-Manager und Juristen", berichtet Alexandra Poljanowa, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentliche Verwaltung.

Auch die Medien könnten von Personalabbau betroffen sein. Das Kommunikationsministerium prognostizierte unlängst Personalkürzungen um 15 bis 20 Prozent bei den russischen Massenmedien. Grund sind drastisch sinkende Werbeeinnahmen sowie steigende Druckkosten.

Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr 2014 fünf Prozent, das entspricht etwa vier Millionen Menschen. Berücksichtigt wurden Bürger, die zum Zeitpunkt der Umfrage keine Arbeitsstelle hatten, auf Arbeitssuche waren und bereit gewesen wären, in der nächsten Woche eine Arbeit aufzunehmen.

Das Arbeitslosengeld beträgt in Russland derzeit umgerechnet etwa zwölf bis 66 Euro im Monat, abhängig von der Dauer der Arbeitslosigkeit.

 

Arbeitszeitverkürzungen und Zwangsurlaube

Am schnellsten wächst in Russland die versteckte Arbeitslosigkeit. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Arbeitnehmer, die zwar nicht als arbeitslos gemeldet sind, jedoch nicht in Vollzeit arbeiten. Ihre Zahl ist nach Angaben des Arbeitsministeriums in der letzten Januarwoche um 12,8 Prozent gestiegen. „In Russland gibt es viele Großbetriebe, um die herum Städte und Regionen aufgebaut wurden und in denen die meisten Arbeitnehmer der entsprechenden Stadt oder Region arbeiten. In Krisenzeiten ziehen es

die Arbeitgeber vor, diese Arbeitnehmer nicht zu entlassen, um unerwünschten sozialen Spannungen vorzubeugen, sondern verkürzen stattdessen die Arbeitszeit oder schicken die Mitarbeiter in den Zwangsurlaub", erklärt Wera Kononova.

Alexandr Schtscherbakow, der als Dozent an der Russischen Akademie der Volkswirtschaft und Öffentliche Verwaltung tätig ist, teilt diese Einschätzung. „Diese Großbetriebe gewähren ihren Mitarbeitern eine Reihe von sozialen Vergünstigungen. Wenn Mitarbeiter in großer Zahl entlassen werden, könnte es durchaus zu Unruhen kommen", meint er. Einer Statistik aus dem Jahr 2013 zufolge gibt es in Russland 342 Städte, in denen nur ein einziger oder wenige Großbetriebe die Hauptarbeitgeber sind. In 142 dieser Städte liegt die Arbeitslosigkeit über dem Landesdurchschnitt.

Alexandra Poljakowa glaubt, dass sich der russische Arbeitsmarkt bald wieder erholen könnte, etwa durch das Wegbleiben von Arbeitsmigranten. Nach Angaben des Föderalen Migrationsdiensts ist die Zahl der Arbeitsmigranten nach Russland im Januar 2015 gegenüber dem Vorjahr um 70 Prozent zurückgegangen. „An ihre Stelle treten Arbeitslose oder Teilzeitbeschäftigte", sagt Alexandr Schtscherbakow.

Gründe für Arbeitslosigkeit

Die Zunahme der Arbeitslosigkeit ist eine Folge der unerfreulichen wirtschaftlichen Situation in Russland. Der Fall des Rubelkurses führte zu strukturellen Problemen in einigen Bereichen der russischen Wirtschaft.

In der Industrie hängen die Entlassungen in erster Linie mit der verminderten Nachfrage nach den produzieren Waren und der damit einhergehenden Rückgang der Produktion zusammen.

Im Dienstleistungssektor werden vor allem die Medien sowie PR- und Marketing-Agenturen mit einer Kürzung der Werbeetats sowie wachsenden Herstellerkosten konfrontiert, die ebenfalls dem schwachen Rubelkurs geschuldet sind. Dies verringert die Budgets deutlich.

Die Entlassungen unter den Büroangestellten hängen zum größten Teil mit der sinkenden Auftragslage zusammen.

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