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Vorschläge von Wirtschaftsexperten würden in den Antikrisenplan des Ministerkabinetts einfließen, verkündete kürzlich der stellvertretende Ministerpräsident Russlands Arkadi Dworkowitsch. „Der erste Teil des Plans sieht eine Unterstützung von Betrieben zur umgehenden Bewältigung von Krisenerscheinungen vor", erklärte er. Im zweiten Teil des Plans seien ernsthafte strukturelle Reformen der Wirtschaft vorgesehen. „Wir müssen gegen die Inflation vorgehen, die Haushaltskosten optimieren und in die Infrastruktur investieren", erläuterte der Vize-Regierungschef. RBTH hat Experten zu ihrer Meinung befragt.
Der Ukraine-Krieg stehe einer Verbesserung des Geschäftsklimas in Russland im Wege, erklärte Alexander Ausan, Dekan der Wirtschaftsfakultät an der Moskauer Staatlichen Universität, kürzlich auf einem Wirtschaftsforum in Krasnojarsk. Die Krise in Russland sei weder durch westliche Sanktionen noch durch die Entwertung des Rubels verursacht worden. Vielmehr sei das Wachstumskonzept, das auf Rohstoffexporten und einer zunehmenden Verbrauchernachfrage beruhe, an seine Grenzen gestoßen.
„2011 ist das Investitionsvolumen zurückgegangen und der Anreiz für weitere Investitionen hat nachgelassen", sagte Ausan. In diesem Fall müsse der Staat entweder das Geschäftsklima verbessern oder den Finanzmarkt strenger regulieren, den Devisenverkehr einschränken und anschließend Infrastrukturprojekte finanzieren, so der Experte. „Um das erste Szenario umzusetzen, müssen die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine beendet werden. Mir ist es unbegreiflich, wie man Investitionen während eines Informationskriegs sichern will", erklärte Ausan. Gleichzeitig werde sich die russische Regierung kaum für den zweiten Weg entscheiden. Eher werde man auf eine Taktik der Verschleppung und auf steigende Ölpreise anstelle von einschneidenden Reformen setzen, ist der Wirtschaftsexperte überzeugt.
Andrej Scharonow, Rektor der Managementschule Skolkowo, meint, die russische Wirtschaft habe zwei gegensätzliche Strategien zur Auswahl: die angelsächsische und die asiatische Vorgehensweise. „Das westliche Modell erfordert den Einsatz einzelner Akteure und dazu fehlen den russischen Bürgern die Bereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein. Für das asiatische Modell fehlt es dem Staat an Härte", meint er. Laut Scharonow liegt die Hauptursache für die schwierige Lage in einem fehlenden Konsens innerhalb der Gesellschaft.
Laut Wladimir Mau, Rektor der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentliche Verwaltung beim Präsidenten der Russischen Föderation, steckt Russland derzeit in mehreren Krisen. Teilweise seien es Auswirkungen der globalen Krise, ähnlich wie in den 1930er-Jahren. Hinzu kämen der übliche marktwirtschaftliche Konjunkturzyklus und der Einfluss eines doppelten äußeren Schocks durch die westlichen Sanktionen und sinkenden Ölpreise. „So wie ich es sehe, ist die Situation mit der Situation Mitte der 1980er-Jahre vergleichbar, weil sie aus makroökonomischer Sicht ähnlich ist. Die Sowjetregierung förderte das Wachstum künstlich, was katastrophale Folgen hatte", erklärt er.
Mau ist der Meinung, dass ein Aufschwung in der russischen Wirtschaft vor allem mit zunehmenden Exporten russischer Produkte aus verarbeitenden
Branchen verbunden sein müsse. „Unter unseren Verhältnissen stellen rohstoffunabhängige Exporte einen reellen Importersatz dar, von dem die Regierung spricht. Andernfalls werden wir es mit vielen überflüssigen inländischen Waren zu tun haben, wie zu Sowjetzeiten“, sagt er. Auf jeden Fall dürfe die russische Regierung Exporte nicht einschränken, selbst wenn die Verbraucherpreise auf dem Binnenmarkt rapide stiegen.
Im Dezember 2014 wurden in Russland Zollgebühren für Getreideexporte eingeführt. Die Entscheidung begründeten die Behörden mit steigenden Getreidepreisen auf dem Binnenmarkt. Die Entwertung des Rubels gegenüber dem US-Dollar und dem Euro führten zu einer gesteigerten Attraktivität von Exporten. Betriebe belieferten daraufhin den Binnenmarkt mit weniger Produkten. „Sobald bei uns rohstoffunabhängige Exportgeschäfte zustande kommen, wird über Einschränkungen und Zollgebühren für die Ausfuhr von Getreide, Metallerzeugnissen, Düngemitteln und anderen Produkten diskutiert", warnt Mau.
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