Laut Weltbank steht Russland eine zweijährige Rezession bevor. Foto: PhotoXPress
In Russland wird es 2015 und 2016 kein Wirtschaftswachstum geben. Das besagt zumindest ein Bericht der Weltbank, den sie auf ihrer Webseite publiziert hat. Als Grund für die Rezession in der russischen Wirtschaft benennt die Organisation das Schrumpfen des Umfangs an privaten Investitionen. Deshalb sei für 2015 ein Sinken des Bruttoinlandprodukts im günstigsten Fall um 2,9 Prozent und im schlechtesten Fall um 4,6 Prozent zu erwarten. 2016 werde das BIP-Wachstum im günstigen Fall 0,1 Prozent betragen, im negativen Fall aber minus ein Prozent. Alles hänge vom Ölpreis ab. Für das optimistische Szenario für 2016 wären Erdölpreise von 68,7 US-Dollar pro Barrel nötig, das pessimistische geht von nur 50 Dollar pro Barrel aus.
Diese Vorhersagen unterscheiden sich drastisch von jenen des russischen Wirtschaftsministeriums, das bereits für 2016 ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent erwartet. Neben einem grundsätzlichen Optimismus der russischen Regierung machen Experten eine unterschiedliche Herangehensweise als Grund für die verschiedenen Prognosen aus.
Der Aussage des Chefökonomen von UFS IC, Alexej Koslow, zufolge sehen die Erwartungen der russischen Beamten zwar rosiger aus als die Vorhersagen der internationalen Institutionen, die Prognosen würden aber größtenteils übereinstimmen. „Der Inflationsdruck und die Verteuerung von Kreditressourcen werden sich negativ auf die Wirtschaft des Landes auswirken", sagt er. Insbesondere sei die Dynamik des Rubels stark von den Ölpreisen abhängig, denn das Verhältnis dieser beiden Faktoren spiegle die Höhe der Erträge des russischen Staatshaushalts. „Eine Prognose zum Ausmaß des Wirtschaftswachstums ist tatsächlich durch die starke Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von den Erdölpreisen bestimmt", bestätigt auch der Analyst der Investmentholding Finam, Timur Nigmatullin.
Ein weiterer Grund für die Differenzen sind verschiedene Bewertungen der Entwicklung wichtiger Bereiche der russischen Wirtschaft, ergänzt Wasilij Jakimkin, Dozent an der Fakultät für Finanz- und Bankenwesen der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten Russlands (RANEPA). Seiner Ansicht nach wird die russische Wirtschaft, wenn man das Sinken des BIP um 2,1 Prozent im Januar 2015 und um 3,6 Prozent im Februar berücksichtigt, im gesamten Jahr 2015 um sieben Prozent schrumpfen. „Der Kapitalabfluss wird sich vergrößern, der Rubel wird fallen und es wird einen lokalen Inflationssprung geben, was zusammen die Rezession anspornt", lautet Jakimkins pessimistische Einschätzung. Deshalb stelle sich die Frage nach einem Wirtschaftswachstum in Russland für 2016 überhaupt nicht, analysiere man die globalen Tendenzen.
Nach Angaben der Weltbank tragen die Probleme der russischen Wirtschaft einen strukturellen Charakter. Insbesondere sind die Investitionen in Russland seit dem Ende der 1990er-Jahre und bis 2013 viel schwächer gewachsen als in anderen Volkswirtschaften weltweit. Deshalb erwartet die Weltbank im Basisszenario einen Anstieg der Armut in Russland von 10,8 Prozent im Jahr 2013 auf 14 Prozent für 2015 und 14,1 Prozent für 2016. Dabei sieht die Weltbank die Entscheidung der russischen Regierung, den russischen Rubel dem freien Fall zu überlassen, und das Embargo auf
Lebensmittel aus der Europäischen Union und den USA als richtig an. Insbesondere diese Maßnahmen hätten es der russischen Wirtschaft ermöglicht, 2014 nicht zusammenzubrechen.
„Ungeachtet der unsicheren Perspektive stärken diese Maßnahmen der Regierung in der Tat die heimischen Produzenten", sagt der Vize-Generaldirektor von Finexpertisa, Stanislaw Safin. Auch den Worten von Timur Nigmatullin zufolge haben sich der billigere Rubel und die Gegensanktionen positiv auf die Dynamik des BIP ausgewirkt. Wasilij Jakimkin bemerkt jedoch, dass der schwächere Rubel nur wenigen Wirtschaftssegmenten geholfen habe, die nicht von Schulden überhäuft gewesen seien und sich ausschließlich auf die innere Nachfrage stützten, zum Beispiel in der Petrochemie, während er etwa in der Landwirtschaft einen Preisanstieg hervorgerufen habe.
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