Europa und Eurasien: Ein neues Modell für Energiesicherheit

Gazprom-Chef Alexej Miller: „Gazprom ist dabei, von einer europäischen zur eurasischen Strategie überzugehen". Foto: Pressebild

Gazprom-Chef Alexej Miller: „Gazprom ist dabei, von einer europäischen zur eurasischen Strategie überzugehen". Foto: Pressebild

Der Energiesektor spielt heute eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung. Erforderlich ist eine neue Energiepartnerschaft auf den europäischen und asiatischen Märkten. Mehr als 100 namhafte Experten diskutierten in Berlin Probleme der Energieversorgungssicherheit.

Was sind die Haupttrends auf dem Energiegebiet, insbesondere hinsichtlich Erdgas? Welche Folgen hat die aktuelle internationale Instabilität für den eurasischen Energiemarkt und welche neuen Modelle der Energiesicherheit sind denkbar? Diese und andere Fragen diskutierten am vergangenen Montag mehr als 100 Politiker, Unternehmer und Experten aus aller Welt auf einer gemeinsamen Konferenz des russischen Waldai-Klubs und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Große Übereinstimmung der Teilnehmer herrschte bei dem Punkt, dass die Ukrainekrise die Energiesicherheit in Europa negativ beeinflusst. Besondere Bedeutung haben darüber hinaus die Veränderungen in den Transportwegen zur EU sowie der rasche Verfall der Preise für Öl und Gas. Auf besonderes Interesse stießen die Ausführungen von Gazprom-Chef Alexej Miller und des russischen Energieministers Alexander Nowak.

 

Gazprom bleibt zuverlässiger Partner

„Der Weltmarkt für Gas wird weiter wachsen", schätzte Minister Alexander Nowak ein. Das bewirken solche Faktoren wie der Ausbau der Transportnetze, neue Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie, der hohe ökologische Nutzen von Gas gegenüber Kohle. Russland habe mehr als 40 Jahre lang Europa zuverlässig beliefert, jetzt gefährde die Politik der EU jedoch die langfristige Zusammenarbeit. Für russisches Gas gäbe es allerdings keine wesentlichen Alternativen. So würde der Import aus den USA erheblich teurer. Die derzeitigen Sanktionen führten zu Verlusten für beide Seiten. „Russland ist für eine Erneuerung des Dialogs. Langfristiges Ziel muss ein einheitlicher Energiemarkt in Eurasien sein", betonte der Minister.

„Gazprom ist dabei, von einer europäischen zur eurasischen Strategie überzugehen", unterstrich Vorstandschef Miller. Das beinhalte neue Transportwege zu neuen Partnern wie China. Nach wie vor sei man bereit, die Zusammenarbeit mit der EU auszubauen, auch im Hinblick auf die dort geplante Energie-Union. Russland bleibe ein zuverlässiger Partner, müsse aber gewaltige Mittel in die Gasförderung und das Transportnetz investieren. Deshalb seien langfristige Lieferverbindungen wichtig. Die 2011 eröffnete Nord-Stream-Pipeline trage den Interessen beider Seiten Rechnung, während die EU-Politik das Projekt South Stream verhindert habe. Das neue Projekt Turkish Stream sei ein Modell echter Diversifikation der Transportwege. Schwächstes Glied bleibe der Transit durch die Ukraine. Russland werde seine Verpflichtungen aus dem bis 2019 laufenden Transitabkommen erfüllen. Dann würde die Ukraine umgangen, wofür entsprechende Lösungen ausgearbeitet werden.

 

Langfristige Partnerschaften sind wichtig

Auch Gürkan Kumbaroglu, Vorstandsvorsitzender der türkischen Gesellschaft für Energiewirtschaft, hob die Vorteile des neuen russisch-türkischen Projekts hervor. Insgesamt müsse die eurasische Energiekooperation ausgebaut werden; eine regionale Konferenz könne dem Ideenaustausch und gemeinsamen Lösungen dienen. Auf neue Entwicklungen verwies Seyed M. H. Adeli, Generalsekretär des Forums Gas exportierender Länder, dem 18 Staaten, darunter die größten Exporteure Russland, Iran und Katar, angehören. Von geopolitischen Zielen bestimmte Regierungsentscheidungen, insbesondere in der EU, würden die wirtschaftliche Entwicklung behindern. „Gas wird aber angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung noch mehr gebraucht, auch um die Klimaziele zu erreichen. Fracking ist zwar in den USA erfolgreich, jedoch angesichts technologischer und ökologischer Beschränkungen keine Lösung für andere Regionen", unterstrich Adeli.

Leitende Vertreter von Energiekonzernen wie E.ON, Total und Shell schätzten ein, dass russisches Gas wichtig für Europa bleibe, da die europäischen Vorräte zurückgingen und Alternativen kaum zur Verfügung stünden. Langfristige Partnerschaften seien deshalb wichtig, man werde an den Projekten in Russland festhalten und sie ausbauen. „Der Finanzsektor ist an innovativen Projekten interessiert und hat dabei mit Gazprom gute

Erfahrungen gemacht", meinte Antonio Fallico, Vorstandsvorsitzender der italienischen Intesa Bank. Sanktionen wie derzeit auf dem Ölsektor schaden dem Geschäft. Nicht immer seien die Interessen Europas mit denen der USA deckungsgleich.

Im Gespräch mit RBTH schätzte der deutsche Russland-Experte Alexander Rahr ein, dass die Berliner Konferenz eine gute Plattform für Russland bot, um seine Interessen und Projekte zu präsentieren sowie mit Vertretern der EU und weiterer Regionen ins Gespräch zu kommen. Er, wie auch andere Experten, fanden das konziliante und flexible Auftreten der russischen Seite sehr bemerkenswert. Wichtig sei nun, dass die EU entsprechend reagiere. Während die deutsche Wirtschaft mit hochrangigen Managern von Unternehmen wie Deutsche Bank, E.ON und Wintershall gut vertreten war, glänzte die Politik durch Abwesenheit. Es bleibt zu hoffen, dass sie wenigstens die Gelegenheit für Gespräche am Rande der Konferenz nutzte.

 

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